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Wie der Kaufmann Herrmann nach dem Hirten Erich und seiner Hausfrau, die das Vieh auf dem Feld hüteten, schickte, daß hie ihm Rechnung ablegen sollten, worüber der Hirt sehr erschrak; denn er hatte in vielen Jahren nicht abgerechnet, und wie ihn Felizitas, sein Weib, tröstete.

Ihr habt gehört, wie Leufried ohne Urlaub seiner Eltern und Pflegeeltern hinweggegangen war, welche nun schon in das achte Jahr nichts von ihm vernommen hatten, wußten auch nicht, ob er lebendig oder tot sei. Vater und Mutter klagten sein Hinscheiden täglich mit großem Jammer; denn sie standen alle Jahre in Sorgen, der Kaufmann Herrmann werde sie von dem Hof stoßen, und weil ihr Sohn Leufried nicht mehr zugegen sei, möge er argwöhnen, als wüßten sie um seine Flucht. Doch machten sie sich solche Sorge gar umsonst; denn Herrmann hatte aus dem Brief, welchen Leufried zurückgelassen hatte, wohl ersehen, daß der Hirt Erich und Felizitas sowenig von des Knaben Abschied erfahren als er.

Es fügte sich an einem Tage, daß Herrmann, der Kaufmann, zu Erich, seinem Meier, schickte: er solle sich nun mit seiner Hausfrau unterreden; denn er wollte in kurzen Tagen Rechnung von ihm haben. Als die guten Leute dies vernahmen, erschraken sie gar sehr; denn sie hatten in vielen Jahren keine Rechnung abgelegt, auch hatte es ihnen ihr Herr noch niemals zugemutet.

»Ach Gott«, sagte Erich, »jetzt geschieht uns das, wovor mir schon so lange Jahre bange gewesen. Warum bin ich nicht mehr in meinem alten Stand! Wir säßen jetzt ruhig in unserem armen Häuslein. Wenn ich des Tages mein Vieh gehütet hätte, wäre ich darnach aller Sorge entladen gewesen und hätte mich in keine Rechnungen und große Verwirrung zu stecken brauchen. Wohl dem, der in Armut und frei lebt und keinen Dienst zu versehen hat! Hat jemand ein Amt, eine Pflege oder Schaffnerei und ist gegen jedermann billig, so wird er von gemeinen, unwahrhaftigen Leuten hintergangen. Sie bringen es mit Schmeicheln und List dahin, daß er ihnen vertraut, leiht und borgt; dann schwellen die Zinsen zu einem großen Haufen an, dann kömmt der Herr, dessen Schaffner oder Pfleger er ist, will abrechnen, will bezahlt sein, wie dann auch ganz billig. Ach Gott, da stehen dem Schaffner von den Zinsleuten die Zinsen noch aus, der Herr erzürnt über ihn, stößt ihn von seinem Dienst. So findet man bisweilen Zinsleute so leichtfertig, die Eid und Ehre verschwören, sie hätten den Zins entrichtet, was ihnen doch nie in den Sinn gekommen. Ist dann der Schaffner rauh, streng und ernstlich und begehrt zu rechter Zeit, was seinem Herrn gebührt, so wird er von allen ein Hund, Tyrann und Wüterich gescholten. Geht dem Herrn nun alles nach Willen ein, tragen Hof, Acker, Feld und Vieh großen Übernutz, so ist der Meier liebgehalten, kömmt aber Mißwachs in die Frucht, Unfall in das Vieh, so daß man Einbuße hat, alsbald wird der Meier gar unwert, der Herr legt alle Schuld auf ihn.

Nun bezeuge ich mit der Wahrheit, daß ich meinem Herrn in aller Treue gedient, ihm all sein Gut zum genauesten zusammengehalten habe, doch ist mir als einem armen, einfältigen Bauersmann, der mit der Schrift nie umgegangen, nicht möglich, Rechnung abzulegen, da mein Herr in langen Jahren keine von mir begehrt hat. Ach, meine liebe Felizitas, gib hierin deinen guten und getreuen Rat. Wollte Gott, unser Sohn Leufried wäre vorhanden, es sollte mit uns nicht dahin gekommen sein. Ich fürchte aber, unser Gevatter denkt, als wüßten wir etwa von unseres Sohnes Flucht.«

Felizitas, als eine getreue Ratgeberin ihres lieben Mannes, sprach da zu ihm:

»Mein allerliebster Erich, bekümmere dich nicht um die Botschaft unseres lieben Herrn und Gevatters; denn ich kenne ihn gar wohl, er wird uns nichts Unmögliches zumuten. Als ich vergangenen Markt bei ihm gewesen, habe ich auch nichts als alles Gutes an ihm verspürt. Er fragte ganz freundlich, wie es dir ginge, ob du noch frisch und gesund seist, und besonders, ob wir nichts von Leufried hörten. Ich entgegnete ihm freundlich und bat ihn, uns den Ungehorsam Leufrieds nicht entgelten zu lassen, da seine Flucht ohne unser Wissen geschehen. Darauf erwiderten der Herr und die Frau: ›Das wissen wir wohl alles aus einem Brief, den Leufried zurückgelassen‹; ›und‹, sagte der Herr, ›ich bin gewisser Hoffnung, nicht zu sterben, ohne Leufried zuvor noch wiedergesehen zu haben. Auch zweifle ich nicht, daß es, wo er auch sei, recht gut mit ihm stehe; denn ich habe seit einiger Zeit manchen fröhlichen Traum von ihm gehabt.‹«

Mit diesen und dergleichen Worten tröstete Felizitas ihren Gemahl, so daß er zuletzt eine gute Hoffnung gewann, seine Sache werde gut vor seinem Herrn bestehen. Da nun der bestimmte Tag gekommen war, gingen Erich und Felizitas in die Stadt zu ihrem lieben Herrn und Gevatter und dessen Frau. Da wurden sie gar ehrlich und wohl empfangen, wodurch Erich einen rechten Trost gewann und nicht mehr so traurig war.


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