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Wie Leufried zum Ritter geschlagen ward in Gegenwart des Königs von Kastilien und wie der Schildbube der Jungfrau Angliana die Botschaft brachte.

Mit großem Triumph und Frohlocken ritt der König von Portugal ein; denn er brachte seinen Feind samt allen Räten mit sich gefangen, davon das ganze Königreich zu Ruhe und Frieden gekommen war. Sobald der König in seinen Palast kam, ließ er Leufried für sich bringen, desgleichen den König von Kastilien samt allen seinen gefangenen Räten. Als sie nun allesamt zu Wege stunden, fing der König an und erzählte vor ihnen allen Leufrieds ganzes Wesen, Leben. wie er so wunderbarlich im Mutterleib von Lotzmann, dem Leuen, erkannt worden war, auch was er bis zu der Zeit für tapfere und kühne Taten begangen, diesen Streit auch durch sein mannliches und fürsichtiges Gemüt zu Ende gebracht hatte, darum er dann billig den Orden der Ritterschaft tragen sollte; schlug ihn alsbald vor ihnen allen zum Ritter, darob Leufried und sein Schwieger, der Graf, nicht wenig Freude nahmen. Es gab ihm auch der König Wappen und Schild mit schöner Blasonierung. blasonner – (franz.) ein Wappen erklären. Also ward Leufried auf einen Tag geadelt und zum Ritter geschlagen.

Alsbald der Schildbube selbiges erfahren, ist er eilends zu seinem Herrn gegangen und hat ihn auf das freundlichste gebeten, er wollte ihn einmal heimreiten lassen, damit er der Jungfrau Angliana alle vorgefallenen Geschichten zu wissen täte. Dies war der Graf gar wohl zufrieden, ließ zuhand einen Brief an seine Tochter schreiben und schickte ihr den durch den Buben. Der säumte sich nicht lange auf der Straße; denn er sorgte stets, es möchte ihm ein anderer zuvorkommen und das Botenbrot bei der Jungfrau erwerben, dieweil er wohl wußte, daß sie mit großem Seufzen und Verlangen gehofft, wann ihr doch einmal von ihrem Vater und Leufried Botschaft käme. Er kam in kurzen Tagen an des Grafen Hof. Sobald er von seinem Pferd gestiegen war, hat er eilends nach Angliana geforscht; der ist der Bube durch ihren Kämmerling angesagt worden.

»Ach«, sagte die Jungfrau, »wo der Bote keine gute Botschaft bringt, sollt Ihr ihn für mich nicht kommen lassen.«

Der Kämmerling antwortete:

»Wahrlich, gnädige Jungfrau, ich kann nichts anderes an ihm spüren, als daß er sehr fröhlich und wohlzumut ist.«

»So bringt ihn ohne Verziehen für mich, damit ich möge erfahren, wie es um meinen lieben Herrn Vater eine Gestalt habe, desgleichen um sein Volk.«

Zuhand ist der Junge mit großen Freuden für die Jungfrau gebracht worden, die ihn mit gar fröhlichem Angesicht und freundlichen Worten empfangen hat. Der Bube aber, sobald er seine Reverenz getan, fing zur Stund an und sagte:

»Gnädige Jungfrau, Ihr seid mir von Rechts wegen ein reiches Botenbrot schuldig; denn ich verkünde Euch fröhlichere Botschaft, als man Euch auf Erden jemals verkündet hat. Nämlich, Euer Herr und Vater ist ganz frisch und gesund, so ist der Krieg gänzlich vollendet; dann Euer allerliebster Leufried hat den König von Kastilien selbst gefangen und unserem Herrn und König überantwortet, der ihn zu großen Ehren gefördert; denn er hat ihn auf einen Tag geadelt und zum Ritter geschlagen zu Lissabon auf dem königlichen Palast. Des werdet Ihr in diesem Brief gar gründlichen Bericht empfangen.«

Als Angliana diese Botschaft von dem Jungen vernahm, darf niemand fragen, ob sie auch fröhlich geworden sei, das mag ein jeder bei sich selbst wahrnehmen. Sie nahm den Brief, schloß ihn auf und fand darin alles wahr sein, was ihr der Bub angezeigt hatte. Sie schloß nun einen schönen Kasten auf, nahm daraus zehn Dukaten und verehrte die dem Knaben, der ihr die Botschaft gebracht hatte.


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