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Wie Leufried von seinen Eltern erkannt wird, desgleichen auch von Herrmann, was für große Freuden da fürgegangen.

Hier wollen wir ein wenig schweigen von dem Grafen und seiner Tochter und wollen anzeigen, mit was für großen Freuden der gute, fromme Hirt Erich und sein Gemahl Felizitas umgeben wurden, als sie vernommen haben, daß ihr Sohn nach Hause gekommen, frisch und gesund, auch ein so schöner und gerader Jüngling geworden war.

Es begab sich, nachdem des Kaufmanns Sohn, Walter, mit großem Frohlocken von seinen Eltern empfangen, auch von ihnen gefragt ward, ob er Leufried gefunden habe, daß dieser von Anfang bis zu Ende alles berichtete. Er erzählte, wie ihn die Räuber mißhandelt und Leufried ihn errettet, auch was sich an des Königs Hof mit Lotzmann, dem Leuen, zugetragen hatte und wie dieser noch bei Leufried war. Er sagte aber nicht, daß Leufried schon in der Stadt in der Herberge wäre; denn dieser hatte ihm solches verboten.

Auf den künftigen Sonntag ließ sich Leufried von seinem Wirt eine köstliche Mahlzeit bereiten und überlegte mit Walter, daß er ihm seinen Vater und seine Mutter dazu einladen sollte wie auch seinen Schulmeister, von dem er also ohne Urlaub hinweggelaufen wäre. Das geschah also.

Walter kam des Sonntags morgens zu seinem Vater und sprach:

»Lieber Vater, wisse, daß ich heute von einem Diener des Königs Botschaft von Leufried erhalten habe. Dieser Diener des Königs läßt dich freundlich bitten, du wollest mit der Mutter und meinem Schulmeister zu ihm kommen und das Morgenmahl mit ihm essen; denn er habe gar viel mit euch von Leufried zu reden.«

Herrmann, der Kaufmann, sagte:

»Das bin ich sehr wohl zufrieden; wiewohl ich seines Tuns genugsam Bericht von dir empfangen habe, will ich gern dennoch vernehmen, was er seinem Schulmeister zu entbieten hat.«

Demnach hat Herrmann seine Ordnung mit seinem Weibe gemacht, und sind sie also mit großen Freuden zu dem Imbiß gegangen, auch ist der Schulmeister von Walter zu dem Mahle geführt worden. Währenddem hat Leufried einen Boten auf den Meierhof zu seinen Eltern geschickt und ihnen sagen lassen, wie er eine Botschaft von ihrem Sohn an sie auszurichten habe.

Der gute Meier, so in langer Zeit von seinem Sohne nichts vernommen, machte sich samt seinem Weibe eilends auf den Weg und eilte der Stadt zu, kam auch in die Herberge. Leufried, so noch von niemandem erkannt war, stand bei Herrmann und seinem Schulmeister, und trug man jetzt schon das erste Gericht auf den Tisch. Und als sie kaum niedergesessen waren, trat Meier Erich und seine Hausfrau Felizitas in den Saal und fragte nach dem fremden Gaste; der ward ihnen alsbald gezeigt. Er aber verstellte sich, als ob er sie nicht kannte. Sein Gesell Walter sagte zu ihm:

»Freund, hier mögt Ihr Eures Gesellen Leufried Vater und Mutter sehen. Sie kommen gekleidet nach ihrem Gewerbe; denn sie nicht wie Leufried an fürstlichen Höfen viel zu schaffen gehabt haben.«

»Ich sehe sie sehr gern«, sagte Leufried, nahm sie damit beide und setzte sie zu der Tafel. Das Mahl ward mit großen Freuden vollendet und ward gar viel von Leufried auf allen Seiten geredet; niemand aber glaubte ihn so nahe.

»Ach«, sagte Felizitas, »ließe mich Gott den Tag erleben, daß ich meinen liebsten Sohn einmal sehen sollte, mir möchte keine größere zeitliche Freude geschehen«, fing damit an, bitterlich zu seufzen und viele Tränen zu vergießen. Solches bewegte Leufried dermaßen, daß er von der Tafel aufstehen mußte. Da ging er zu seinem Pferd, bei dem lag Lotzmann, der Leu, auf dem Stroh an einer Kette gebunden. Leufried sagte zu ihm:

»Komm her, mein lieber Geleitsmann und treuer Gefährte, jetzund will ich dir deinen ersten Meister zeigen«, ließ ihn damit von der Kette und führte ihn in den Saal zu seinen liebsten Gästen und sagte:

»Nun sieh dich wohl und eben um, mein lieber Lotzmann, ist auch jemand an dieser Tafel, der dir bekannt ist?«

Alsbald ist der Leu zu Erich, seinem alten Herrn, gegangen und hat sich mit gar freundlichen Gebärden gegen ihn erzeigt; den hat Erich zur Stund erkannt und mit gar großen Freuden gesehen und angeredet.

Herrmann, der Kaufmann, sagte überlaut:

»Wahrlich, ihr lieben Freunde, mich will schier bedünken, Leufried sei nicht fern von uns, es betrügen mich dann meine Gedanken, so ist er in diesem Saal.«

Leufried wollte sich nicht mehr verbergen, er umfing seinen Vater und sagte:

»Gegrüßt seist du, mein allerliebster Vater! Sei wohlgemut; denn hier ist Leufried, welchen du begehrst zu sehen. Und du, meine herzliebste Mutter, gehabe dich wohl; denn jetzt siehst du Leufried, deinen Sohn.«

Da war sehr große Freude in dem Saal, und als er sie alle freundlich gegrüßt, haben sie sich wieder zusammengesetzt. Da sprach Laureta, des Kaufmanns Weib:

»Ach, mein lieber Leufried, wie hast du es über dein Herz mögen gewinnen, uns so lange hinzuhalten, bis du dich zu erkennen gegeben; nun weißt du doch, daß du nicht minder von meinem Herrn geliebt wirst als von deinen Eltern.«

Darauf sagte Leufried:

»Des bin ich wohl versichert, daß ich mich aber so langsam zu erkennen gegeben, ist allein darum geschehen, daß ich in Sorgen stand, ihr möchtet wegen meiner heimlichen Flucht noch großen Zorn gegen mich hegen. Da ich nun aber alle Gunst und Liebe von euch vernehme, auch mein Schulmeister mir ganz vergeben hat, der doch große Ursache, gegen mich zu zürnen, hatte, bin ich jetzt mit Freuden umgeben.«

Also ward die übrige Zeit mit großen Freuden vollbracht, und blieb Leufried etliche Tage bei seinem Herrn. So waren sie beieinander; wir wollen aber sagen, wie es dem Grafen und seiner Tochter ergangen.


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