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Wie sich Leufried zur Schlacht rüstete, seinen Gesellen Harnische von Baumrinde machte, wie er aber hernach bei seinem Schulmeister verklagt ward, weil er einen Knaben hart strafen und mit Ruten schlagen ließ.

Leufried berief alle seine Untertanen zusammen und ermahnte sie, die Sache unverzagt anzugreifen. Damit sie aber besser als ihre Feinde gerüstet und verwahrt geschützt. sein möchten, sollte sich ein jeder Rücken- und Brustharnisch von Baumrinden machen. Dieser Ratschlag gefiel allen sehr wohl, und sah sich ein jeder heimlich nach solchen Baumrinden um, daraus machten sie sich Armzüge, Rücken- und Brustharnisch, wodurch sie vor Stößen und Streichen ziemlich verwahrt waren. Dies aber nahm der verräterische Edelknabe gar fleißig wahr und zeigte es bei der ersten Gelegenheit dem anderen Könige auch an, der sich nun ebenfalls mit Harnisch und anderer Wehr rüstete.

Auf dem bestimmten Sonntag kamen sie nun an dem abgeredeten Orte beisammen. Leufried aber als ein vorsichtiger Junge war selbst seiner Gesellen Anführer und Hauptmann. Er nahm alsbald einen Hügel zu seinem Vorteil ein, worauf er seine Feinde erwartete. Als sie nun beiderseits zu Felde lagen, begehrte Leufried, mit dem anderen König, seinem Gegner, ein Gespräch zu halten. Das bewilligte jener sogleich, und sie unterredeten sich da miteinander, daß sie keine schädlichen Waffen, von Eisen oder Stahl gemacht, brauchen wollten, keine Kolben Keulen. oder spitzige Stecken, sondern hölzerne Schwerter; es sollte auch von beiden Seiten kein Stein geworfen werden. Aber mit Leimen Lehm. oder weicher Erde sollte einem jeden erlaubt sein zu werfen. Nun griffen sie sich einander an. Der andere König versuchte es mehrmals, Leufried aus seinem Vorteil zu treiben, aber es wollte ihm nicht gelingen; denn die auf der Höhe des Hügels warfen stark mit Erdschollen zu, und ihre Gesellen hielten mit ihren hölzernen Schwertern unten ihre Feinde mutig ab, so daß Leufrieds Gegner endlich aus Müdigkeit weder mehr werfen noch schlagen konnten und sich bereits auf die Flucht machten. Leufried folgte ihnen nach, und sie bekannten sich überwunden. Den anderen König aber nahm er gefangen, der mußte ihm und seinen Gesellen Frieden zusagen. Nun ward ihm aber von dem Jungen gesagt, der ihn immer heimlich verraten hatte; den ließ er vor sich bringen und ihn mit Ruten übel hauen. Dieser nun klagte die Schmach seiner Mutter, die brachte es vor den Vater, und der erzürnte sich dermaßen über Leufried, daß er ihn bei dem Schulmeister verklagte und ihm sagte, wenn er den Jungen nicht dafür strafen wolle, so wolle er ihn selber strafen. Der Schulmeister sagte ihm das zu, und damit er seinen Fleiß, ihm zu dienen, spüren möchte, wollte er gleich nach Leufried senden und ihn in seiner Gegenwart bestrafen. Dies vernahm einer aus Leufrieds Gesellschaft; der säumte sich nicht lange, schlich zu ihm und zeigte ihm den ganzen Handel an, worüber der gute, arme König gar übel erschrak. Er wußte nicht, wie er sich halten sollte. Er war jetzund nicht gar zwölf Jahre alt, jedoch besann er sich kurz, ging nach Hause, setzte sich heimlich in eine Schreibstube und schrieb seinem Pflegevater Herrmann einen Brief folgenderweise:

»Wiewohl mir, allerliebster Herr und Pate, viel Gutes von Euch widerfahren ist, dazu meinem Vater und meiner Mutter noch täglich widerfährt, so muß ich mich doch aus großer Furcht und Scham jetzt von Euch scheiden. Das macht, weil mich meine Mitgesellen zu einem König erwählt und mich jetzt mein Schulmeister in Gegenwart eines Edelmanns schlagen will, weil ich seinen verräterischen Sohn habe strafen lassen. Ei, wie sehr müßte ich mich vor meinen Feinden schämen, die ich so tapfer überwunden habe, wie sollte sich mein Widerpart größlich erfreuen, wenn er vernähme, daß ich, meiner Gesellen König, so übel mit der Rute abgefertigt und meines Reichs entsetzt worden sei. Darum, lieber Herr und Vater, bitte ich Euch, wollet mir durch Gott vergeben. Dagegen verspreche ich Euch, solange mir Gott mein Leben fristet, Eure guten und elterlichen Lehren nie zu vergessen, sondern mich alle Zeit darnach zu richten, bitte auch, ihr wollet Euch meinen armen Vater und meine Mutter befohlen sein und sie meine Torheit nicht entgelten lassen. Ich aber, Leufried, fahre dahin. Gott erhalte Euch und die Euren in langer Gesundheit.«

Als nun der gute Leufried seinen Brief geschrieben und mit Wachs zugemacht, ist er ganz traurig zum Abendessen gegangen, was Herrmann, der Kaufmann, bald wahrgenommen, und als er ihn gefragt, was ihm fehle, hat er mit gar schwacher und trauriger Stimme geantwortet, ihm fehle gar nichts, als daß er gern einmal seinen Vater besuchen möchte. Das erlaubte ihm sein Herr mit gutem Willen. Leufried hatte aber nicht im Sinn, zu seinem Vater zu kommen, und sagte das allein, damit er von seinem Herrn desto weniger verargwohnt würde. Er besann sich auch nicht lange, legte seine schlechtesten Kleider an und ging seiner Straße, aber nicht des Willens wiederzukommen. Er steckte seinen Brief in seinen Schülersack und fuhr davon.


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