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Wie Leufried mit Walter gen Lissabon gekommen und wie sie dort Lotzmann, den Leuen, an des Königs Hof gefunden, der so freundlich mit ihnen scherzte, als ob er sie noch kannte.

Des Abends spät kamen sie nach Lissabon und zogen bei einem guten Wirt ein, der sie gar freundlich empfing. Des anderen Tages richtete Leufried seine Befehle aus, dann ging er mit Walter und seinem Knecht spazieren. Sie besahen die Stadt nach ihrem Gefallen. Da fanden sie viel köstliche Kaufmannschaft von allerhand Waren, die man nur irgend in der Welt verlangen konnte. Sodann kamen sie an des Königs Hof, da fand Walter einen Landsmann, welcher aus seiner Stadt gebürtig und vor langen Jahren mit ihm und Leufried zur Schule gegangen war. Walter erkannte er eher als Leufried; denn es war eine längere Zeit, daß er diesen nicht gesehen hatte, aber Walter erinnerte ihn gar bald an Leufried; denn er war auch auf der Schule in seinem Königreiche gewesen.

Als sie nun gute Kundschaft Bekanntschaft. miteinander erneuert hatten, führte sie der Jüngling an alle Orte des königlichen Palastes. Da sahen sie mancherlei Tiere, so aus Indien und Arabien gekommen waren, woran Leufried und Walter große Freude nahmen. Sodann führte er sie in einen großen Tiergarten, in dem Hirsche und Rehe und sonst allerlei Tiere herumschwärmten. Aber da sahen sie auch einen großen Leuen ungebunden mit und bei den anderen Tierlein gehen, des sich Leufried nicht genug verwundern konnte. Er fragte, wie doch der Leu so zahm und wo er hergekommen, da ward er dessen berichtet. Walter, der schon mehr von diesem Leuen gehört hatte, sprach da zu ihm:

»Leufried, fürwahr, wie mich dünkt, wird dies ebender Leu sein, welchen dein Vater erzogen hat.«

»Sicher«, sagte da ihr Landsmann, »denn der König hat ihn aus dem Kastell, welches nahe bei unserer Stadt Salamanka liegt, allein wegen seiner großen Heimlichkeit erhalten.«

Leufried sagte: »Wahrlich, so ist der Leu die Ursache meines Namens und daß ich Leufried getauft worden bin; wollte Gott, mein lieber Vater möchte wissen, daß ich diesem guten Lotzmann so nahe bin.«

Mit dieser Rede nahte sich Leufried dem Leuen, sprach ihn an und sagte:

»Lotzmann, mein lieber Bruder, wenn es möglich wäre, daß du mich so wohl erkenntest, als du meinen Vater erkannt hast, du würdest mir deine Tatze geben.«

Dieses geredet, bot er dem Leuen seine rechte Hand an, der ging gar friedlich zu ihm und gab ihm eine Tatze. Da verwunderten sich die anderen; denn sie hatten den Leuen nur allein mit seinen Wärtern also vertraulich gesehen.

Da sie nun alles nach Wunsch gesehen hatten, begaben sie sich wieder nach ihrer Herberge und hatten mit ihren Reisegefährten einen guten Mut. Den anderen Tag aber ging Leufried aus, sich in den Kramläden umzusehen, ob er seiner Jungfrau Angliana etwas zum Geschenke kramen kaufen. könnte, denn ihrer vergaß er niemals. Er fand gar bald alles nach Wunsch und kramte auch Gaben für alle die Jungfrauen, die in dem Frauenzimmer Anglianas waren. Und als er nun wieder mit Briefen abgefertigt war und seinem Herrn alle Geschäfte ausgerichtet hatte, wollte er nicht länger zu Lissabon verweilen und ritt alsbald mit Walter und seinem Diener heimwärts, gelangte auch ungefährdet und unangefochten zu Hause an.

Angliana fragte täglich ihre vertraute Jungfrau, ob sie etwas von Leufried vernommen hätte, und bat sie sehr, sobald sie hörte, wie es um Leufried stünde, es ihr ja nicht zu verbergen; das versprach ihr Florina zu tun.


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