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Wie Leufried zu Salamanka in der Stadt in großem Trauern war, täglich eine Zeitlang ins Feld spazierenging und seine liebste Jungfrau beklagte.

Leufried war jetzt bei zehn Tagen in Salamanka, und wenn er um die Leute war, bezeigte er sich ganz fröhlich. Sobald er aber des Nachts in sein Bette kam, klagte er herzlich um seine liebste Jungfrau. Er nahm sich auch täglich eine Stunde oder etliche für, in denen er in das Feld spazierenging ohne alle Gesellschaft, setzte sich dann etwa an eine verborgene Stätte, wo er von niemandem mochte gehört werden, und fing allda an, sein Unglück zu betrauern:

O Glück, wie bist du mir so ganz zuwider! Was ziehst du mich armen Jüngling nieder! Du hast mich gar fälschlich angelacht, mich mit deinem süßen und glänzenden Schein angesehen, und so ich meine, dir am angenehmsten zu sein, überschüttest du mich mit aller Bitterkeit. Niemand soll sein Vertrauen und Hoffen zu dir, unstetes Glück, setzen; denn du bist ganz unbleiblich, unstet. undankbar und wankelmütig; und so man dich am allernächsten meint, bist du am allerfernsten. Hast du mich armseligen Jüngling nicht aus niederem Stand gleich in meiner Kindheit zu einem guten Anfang gebracht, da meiner, eines armen Hirten Sohn, gar herrlich gepflogen ward in meines Herrn Haus? Nicht minder ward ich seinem Sohne in Essen, Trinken, Gewändern gleichgehalten. O hättest du mich in solchem Anfang bleiben lassen und nicht mit falschem Schein angelacht. Aber du wolltest mich aus einem jungen Kind zu einem König haben. Das aber nicht lange gewährt hat; denn ich mußte bald aus meinem Reich entlaufen und aus einem König ein Küchenbube werden. Auch ließest du mich nicht lange in diesem Stand, ich mußte in der Frauen Gemach Diener werden. Allda tat Kupido auch das Seinige dazu, verwundete und schoß seinen scharfen Strahl auf mich dermaßen, daß ich in brennender Liebe gegen meine liebste Jungfrau hart entzündet ward. Bei ihr, ungetreues Glück, sahst du mich also an, daß ich und sie in Hoffnung war, unsere Liebe sollte unzertrennt und unauflöslich bleiben. Was hast du mir aber jetzt durch deine falsche Tücke angerichtet! Ohne Abschied habe ich von ihr scheiden müssen, mag kann. auch gar nicht wissen, wie es ihr geht! Doch stehe ich in schwerem Zweifel, ob sie meinetwillen nicht schmählich und hart gehalten wird. Alles Hofgesinde wird auf sie mit Fingern zeigen. Oh, warum bin ich nicht an dem Hof geblieben und habe meinen Tod von ihrem Vater genommen! Wie mag ich leben ohne meine liebste Jungfrau! Was wird sie doch jetzt für ein Vertrauen zu mir haben, da ich Flüchtiger im Elend sie verlassen habe!

Dieser und dergleichen Klagen führte Leufried unzählige, und als es ihm Zeit dünkte, nahm er seinen Weg wieder der Stadt zu. Es stand aber eine schöne Linde vor der Stadt, unter der stand Leufried ein wenig, sich umzusehen. Da sah er von fern einen Boten eilends daherpostieren, postieren – als Kurier reisen, laufen, rennen. und als er näher zu ihm kam, erkannte er ihn; denn es war seines Herrn, des Grafen, Bote. Leufried erschrak zum Teil, stand aber dennoch still, um zu vernehmen, wie es seiner liebsten Jungfrau ginge.


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