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Wie Leufried den Brief und Ring der Närrin gab, daß sie ihn Angliana übergeben solle, wie diese aber alles falsch verstand und den Brief dem Grafen übergab.

Leufried setzte sich in seinem Gemach gleich an sein Schreibtischlein und schrieb seiner Jungfrau folgenden Brief:

»Meine auserwählte und allerliebste Jungfrau, ich vermag nicht auszusprechen noch zu schreiben, wie großen Unmut und Schrecken mir die unbedachte Rede der boshaften Närrin vor allem Frauenzimmer gebracht hat. Es erwächst mir zweifacher Schmerz daraus; denn ich muß fürchten, daß unsere Liebe durch falsche Schwätzer ausgebracht und wir voneinander getrennt werden, ja daß ich vor unserem Herrn in Gefahr meines Leibes und Lebens stehe; aber das alles bekümmert mich nicht so sehr, als wenn ich gedenke, daß Ihr hart von Eurem Vater meinethalben gehalten werden solltet. Diesem Unglück womöglich zuvorzukommen, habe ich mich mit Florina beraten und übersende Euch hier diesen Brief und Ring, als hättet Ihr mir ihn zum Goldschmied zu bringen befohlen, und mögt Ihr der unnützen Närrin immer einiges Geld mir zu überbringen geben, damit sie glaubt, ich solle den Goldschmied damit bezahlen. Meinen Ring behaltet mir, bis uns das Glück eines Tages wieder in stiller Weise zusammenführt. Hiermit wünsche ich Euch und mir eine solche Stunde, in welcher wir ohne alle Furcht und Angst beieinander sein mögen.«

Da Leufried den Brief geschrieben und mit seinem Petschaft verschlossen hatte, suchte er die Närrin auf, die ihrer Gewohnheit nach von einem Haus zum anderen in der Stadt herumschwärmte. Als er sie in einem Kaufmannsladen mit den Dienern scherzen fand, sprach er sie mit lachendem Munde an, als sollte er sie nach Hof berufen. Die Närrin folgte ihm bis vor das Schloß, wo der Jüngling glaubte, von niemandem gesehen zu werden. Der Graf aber stand auf dem höchsten Turme des Schlosses, von welchem er die ganze Stadt übersehen konnte. Er sah Leufried bei der Närrin und ihr den Brief mit dem Ring geben. Er dachte nicht, daß der Brief seiner Tochter zustünde, vermutete aber, einer anderen Hof Jungfer, und fing also heimlich mit sich selbst zu reden an:

»Gewiß untersteht sich Leufried, etwa eine Jungfrau aus meiner Tochter Gefolge zu erwerben und sie durch die einfältige Närrin zu gewinnen. Ich muß das erfahren; denn sollte er eine von Adel oder vielleicht eines größeren Namens mit List hintergehen, das möchte mir und meiner Tochter zu großer Nachrede geraten.«

Also fügte sich der Graf eilends hinab, damit er der Närrin zuvorkam. Und als Leufried vermeinte, alle seine Sachen auf die geschickteste Art angefangen zu haben, da ging es ihm recht unglücklich aus; denn sobald er von der Närrin gegangen, ist sie gleich dem Grafen zu Gesicht gekommen. Der Graf sprach sie an und hat sie gefragt, was ihres Geschäfts wäre. Da antwortete sie eilends, sie bringe einen Ring vom Goldschmied, der gehöre seiner Tochter mit dem Brief.

»So gib mir diese Dinge«, sagte der Graf, »denn ich bin auf dem Weg zu meiner Tochter begriffen.«

Alsbald gab sie ihm den Brief, er erkannte den Ring und sah wohl, daß er nicht anders gearbeitet war als vorhin.

Den Brief öffnete er und las ihn von Anfang bis zu Ende. Als er aber ein wenig gelesen hatte, ist er in seinem Gemüte erzürnt und ganz grimmig gegen Leufried geworden, ist also in sein Gemach gegangen und hat mit sich beratschlagt, wie er es denn anfangen solle, daß seine Tochter in kein Gerede oder andere Gefährlichkeit käme; denn er dachte fleißig daran, wie es dem Fürsten von Salerno gegangen, der den Jüngling Guiskard wegen seiner Tochter ermorden ließ, und diese ihrem Geliebten ganz freiwillig mit Gift nachfolgte. Daneben bedachte er auch die ritterlichen Taten und das ritterliche Gemüt, das er oft an Leufried erfahren hatte. Dennoch ward er mehr und mehr durch den Zorn als durch die Vernunft überwunden und nahm sich gänzlich vor, Leufried heimlich umzubringen; aber sein Anschlag schlug ihm fehl, wie ihr bald vernehmen werdet.


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