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Wie Angliana mit ihren Jungfrauen in den Garten spazierenging, der Graf samt Leufried und Walter auch dahin kam und seiner Tochter den Brief, so ihm von dem König zugekommen, zu lesen gab.

Angliana gedachte bei sich selbst: Wie magst du doch mit Glimpf Anstand zu dem Jüngling kommen? Sie nahm ihre zwei liebsten Jungfrauen, Florina und Kordula, und ging hinten zu ihrem Gemach hinaus in den Garten; denn sie wußte wohl, es würde nicht lange dauern, bis der Graf seiner Gewohnheit nach auch in den Garten käme, was denn auch geschah. Sobald nun der Graf seine Tochter ersehen, wendete er sich zu Leufried und seinem Gesellen und sagte mit lachendem Mund:

»Fürwahr, Leufried, du hast einen guten Boten, der dir so schnell postiert hat.«

Leufried, ganz schamrot, antwortete dem Grafen: »Gnädiger Herr, ich weiß sicher von nichts.«

Damit ist der Graf zu seiner Tochter gekommen:

»Angliana«, sagte er, »du bist wahrlich eines klugen Verstandes; denn ich wollte erst Walter nach dir schicken, so bist du vor mir in dem Garten. Ich kann dir, liebe Tochter, die Botschaft nicht verhalten, so mir von dem König gekommen ist. Darum lese diesen Brief selbst und gib mir darnach auf meine Frage dein Gutbedünken zu verstehen.«

Angliana empfing den Brief von ihrem Vater und las ihn bis zu Ende, davon sie nicht wenig betrübt wurde, und fing gar kläglich an zu weinen, dieweil sie wohl bedenken konnte, daß ihr Vater, ein alter, betagter Mann, des Krieges nicht mehr geübt, sondern guter Ruhe gewohnt. So wußte sie auch wohl, daß Leufried nicht lassen würde, mit ihm zu ziehen, derhalb ihr zweifach Sorge und Leid zuhanden ging.

»Liebe Tochter«, sagte der Graf, »ich bitte, du wollest deinen guten und kindlichen Rat mit mir teilen; du siehst, wie ich gefaßt bin. Meine jungen und fröhlichen Tage sind dahin, ich werde nicht mehr stärker, sondern allezeit schwächer; denn es ist mit mir weit über Mittag. Dennoch will mir gebühren, meinem Herrn, dem König, gehorsam zu sein. Ich bin auch ganz Vertrauen zu ihm, daß er mich nicht mit harter Last beschweren wird. So vertröste ich mich auf Leufried, der ist jung, frech mutig. und stark, den will ich mir zu meinem Leib für mich. vorbehalten, daß er allein auf mich warten soll. mir zu Diensten sein soll. Darauf, liebe Tochter, gebe mir dein Gutbedünken zu verstehen.«

Angliana, welche vor Jammer nicht reden noch ihrem Vater Antwort geben konnte, erholte sich zuletzt, fing an und sprach:

»Oh, mein herzliebster Herr und Vater, mir ist in solchem Fall nicht möglich, wenig oder viel zu raten; denn ich weiß wohl, wenn ich Euch schon meines Herzens Willen und Meinung zu verstehen gebe, also daß ich rate, daheim zu bleiben, das mir dann die allergrößte Freude auf Erden wäre, so weiß ich, daß Ihr mir darin nicht folgt. Sollte ich Euch dann raten, in den Krieg zu ziehen und des Königs Gebot gehorsam zu sein, will mir noch viel weniger und gar nicht gebühren. Darum, herzlieber Herr und Vater, will ich Gott mein Anliegen empfohlen haben, ihn aus Grund meines Herzens bitten, Euch in alle Wege zu bewahren. Wollte Gott, mir wäre es möglich, diesen Krieg zu wenden, damit Ihr, mein liebster Herr und Vater, in Eurem Land bleiben möchtet, auch viele andere in Ruhe und Frieden wären, viel Witwen und Waisen unbeleidet, das wäre meine höchste Freude auf Erden.«

Der Graf antwortete:

»Meine liebe Tochter, ich zweifle gar nicht, dein Herz und dein Mund reden gleich. Jedoch bin ich sonder Zweifel, daß dich noch eine Sache nicht wenig betrübt, wiewohl du mir die nicht entdeckt hast. Ich weiß aber, daß dich dein Abschied von Leufried nicht wenig betrübt, da du gehört hast, daß ich ihn mit mir nehmen und zu meinem Leutnant haben will. Das aber soll dich gar nicht beschweren; denn ich bin guter Hoffnung, alle seine Wohlfahrt steht in diesem Krieg. Wo er sich anders ritterlicher Sachen, des ich nicht zweifle, annimmt, so mag er jetzund am füglichsten den Orden der Ritterschaft erlangen. Alsdann wird mir desto minder verweislich sein, daß ich dich ihm zum Weibe gebe. Wer wollte darnach nicht sagen, Leufried hätte mit seiner Hand und nicht durch Gunst den Orden der Ritterschaft erlangt, darum er dich dann billig zum Weib haben soll.«

Als nun die Jungfrau Angliana diese Worte von ihrem Vater vernahm, gedachte sie wohl, daß ihm nicht anders wäre, als ihr Herr und Vater gesagt hatte, sprach also:

»Dieweil es denn, mein allerliebster Herr und Vater, keinen anderen Weg haben mag, wohlan, so muß ich aus einer solchen Not eine Tugend machen, bitte Euch aber um aller Liebe willen, Ihr wollet Euch auf das allerbeste verwahren und dem Glück nicht zuviel vertrauen; denn es hat sich zuweilen sehr freundlich erzeigt, aber hinter sich tausendfältige Gefahr verborgen.«

Diese und dergleichen Gespräche hatte der Graf mit seiner Tochter. Als nun aber Angliana Zeit däuchte, nahm sie Urlaub von ihrem Herrn Vater und ging samt ihren beiden Jungfrauen in ihr Gemach, zum Teil betrübt und zum Teil fröhlich, als sie jetzund ungezweifelt erkannte, daß ihr liebster Leufried bei ihrem Vater in höchsten Gnaden war.


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