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Wie Felizitas im Beisein der Frau Laureta, des Kaufmanns Weib, einen Sohn gebar und was sich weiter mit Lotzmann, dem Leuen, begeben hat.

Da nun die Zeit verlaufen und Felizitas, Erichs Weib, die Frucht, die ihr Gott beschert, getragen hatte und sie jetzt die Kindeswehen bereits umgaben, hat sie bald ihren Hauswirt in die Stadt nach ihrer zukünftigen Gevatterin geschickt; denn so hatte es Herrmann verordnet. Der ist auch schnell mit seinem Weib und anderen guten Freunden auf einem hängenden Wagen ??? wo gesessen und dem Dorf zugefahren, in welchem der Hirt Erich seine Wohnung hatte. Sie waren aber noch nicht lange da, als es mit der guten Felizitas recht ernst geworden, so daß sie in Gegenwart Lauretas und anderer züchtiger Frauen einen schönen jungen Sohn zur Welt brachte. Sogleich lief Laureta zu ihrem Gemahl Herrmann und begehrte für diese Nachricht ein fröhliches Botenbrot von ihm. Er freute sich auch gar herzlich, insonderheit als er vernahm, daß sie eines jungen Sohnes genesen war.

Als sie nun das Kind gebadet, haben sie auf seiner linken Brust gegen dem Herzen ein Muttermal gefunden gleich einer Leuentatze. Sobald Herrmann und die Gesellschaft solches gesehen, sprachen sie alle einstimmig, gewißlich werde ein männlicher und teurer Held aus diesem Kinde werden. Laureta als ein geschäftiges und fürsichtiges fürsorgliches, umsichtiges. Weib sorgte auch für alles, was der armen Felizitas not war, damit sie bald wieder zu ihren Kräften kommen möchte. Hernach ordneten sie an, das Kind zur Taufe zu tragen. Felizitas aber ist mit köstlichem Bettgewand, Decken und Kissen so reichlich versehen worden, als es nur eine reiche Bürgersfrau haben mochte.

Da man nun das Kind aus dem Haus getragen, nahte sich der Leu herzu und fing mit grausamer Stimme ganz schrecklich zu brüllen an, gleich als wollte man ihm seine eigenen jungen Leuen rauben. Als nun der Kaufmann dies gesehen, hat er mit seinen guten Freunden beschlossen, weil der Leu so friedsam und freundlich jetzt lange Zeit bei Erich, dem Hirten, gewohnt, so wollten sie das Kind Leufried mit seinem Namen nennen; wie denn auch geschehen ist. Das Kindlein ward mit großen Freuden zu und von der Taufe getragen, und hernach hat Herrmann eine köstliche Mahlzeit in dem Wirtshaus zubereiten lassen und männiglich dazu berufen, Weib und Mann, wer nur in dem Dorf daheim war. Vor all diesen Gästen hat er dem Hirten Erich einen Hof übergeben und ihn als seinen Meier darauf gesetzt. Das Kind aber hat er seiner rechten Mutter zu guter Pflege anbefohlen, bis es zum wenigsten ein Jahr alt geworden. Auch hat er ihr alle Tage köstliche Speise und Trank zugeschickt. Sobald sie nun wiederhergestellt war, hat Hirt Erich seinen Hirtenstab abgelegt und ist auf des Kaufmanns Meierhof, der nahe an der Stadt gelegen, gezogen; hat auch seinen Leuen mit sich genommen. Dieser ward je länger, je heimlicher bei ihm; denn sooft er in die Stadt ging, seine Geschäfte zu verrichten, lief Lotzmann, der Leu, mit ihm und ward dort von jedermann gekannt und gespeist.

Zuletzt aber, als dem König zuviel von dem frommen Tiere gesagt worden war, nahm er ihn an seinen königlichen Hof, worüber Hirt Erich so sehr betrübt ward, als wäre ihm einer seiner blutsverwandten Freunde mit Tode abgegangen. Nicht weniger trauerten auch Felizitas und Herrmann. Dies sei genug von dem Leuen gesagt bis zu seiner Zeit.

Leufried, das Kind, ward ganz mütterlich und wohl ernährt, so daß das Kindlein in kurzen Tagen gar schön und freches Leibes freches Leibes – munter. ward; denn seine Mutter Felizitas ward von Herrmann und seinem Weib mit allem Nötigen unterhalten, so auch ihr Mann. Dafür aber hielten sie ihrem Herrn auch das Seine gar wohl und häuslich zusammen, so daß er in kurzer Zeit einen großen Vorrat auf seinem Hofe spürte; denn Gott gab ihnen beiden sonderliches besonderes. Glück, weil sie gottesfürchtig, fromm und gerecht lebten, ihrer Herrschaft nichts zu veruntreuen begehrten. Dergleichen Meier findet man leider zu unserer Zeit nicht viel, deren aber sind viele, welche drei oder vier Güter zusammen übernehmen, sie ungemistet lassen und sie gänzlich aussaugen; wenn sie dann nicht mehr tragen mögen, stellen sie sie ihrem Lehnsherrn wieder zu Händen. Davon sei nun zumal genug geredet.


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