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Frühlingslied eines gnädigen Fräuleins

        Wie lange soll die Brunnenzeit
Der gnäd'gen Tante dauren?
Man muß in dieser Einsamkeit
Ja ganz und gar versauren!
Sie wird mit Einfalt und Natur
Mich noch zur Närrin schwatzen!
Was schiert mich Hain und Quell und Flur
Und andre solche Fratzen!

Des Abends hört man nur Musik
Der Frosch und Heimchen schallen
Und das abscheuliche Gequiek
Der dummen Nachtigallen!
Von Mücken wird man dann gepurrt
Und wälzet sich im Bette;
Der Haushahn kräht, der Hofhund knurrt
Und bellt und zerrt die Kette!

Und liegt man kaum im ersten Schlaf,
Da geht es an ein Tuten!
Da brüllt der Ochs, da blökt das Schaf,
Da wiehern Hengst' und Stuten!
Dann poltert Tante vor der Tür,
Fängt heiser an zu krähen:
»Auf, Fräulein, auf! du mußt mit mir
Der Sonne Aufgang sehen.«

Da gibt's nicht Kaffee oder Tee
Noch Butterbrot mit Braten;
Ganz nüchtern und im Negligé
Muß man den Tau durchwaten.
Zwo Stunden wenigstens muß ich
Durch Dorn und Distel rennen
Und von der Sonnenhitze mich
Zur Mohrin lassen brennen!

Und läutet man Glock zwölf zu Tisch,
So gibt's nur Gras und Kräuter,
Nur saure Milch, ein Stückchen Fisch,
Ein Eichen und so weiter.
Der Grobian von Sudelkoch
Weiß nichts von Leckerbißchen!
Zum Nachtisch kömmt aufs höchste noch
Ein Teller voll Radieschen!

Kein einzig Wörtchen hört man hier
Von Tricktrack, Dam' und Karten;
Zum Zeitvertreibe schlendern wir
Ein Weilchen in den Garten.
Hätt ich nicht meinen Amadis,
Mich zu desennuyieren,
Ich müßte schier vor Ärgernis
Und Langerweil krepieren!

Oft schleppen Ihre Gnaden gar
Mich zu der Baurkanaille,
Zu Kerln mit unfrisiertem Haar
Und Menschern ohne Taille.
Besonders wenn das Lumpenpack
An Feiertagen kegelt:
Da stinkt es von Swizenttobak!
Da wird was Rechts geflegelt!

Und in der Kirche gar zu sein,
Das ist nun ganz abscheulich!
Der Pfaffe predigt so gemein!
Das Volk tut da so heilig!
Was macht man da mit Stoff und Uhr,
Mit Schmink und Demantringen?
Hans Hagel glaubt, man sei da nur
Zum Beten und zum Singen!

Vermaledeites Einerlei,
Wirst du denn ewig dauern?
O laß mich, lieber böser Mai,
Zurück zu jenen Mauern!
Ach, seht doch, in der blauen Fern
Wie schön der Rauch sich hebet!
Du liebe Stadt voll junger Herrn!
Ach! wie das Herz mir bebet!


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