Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Deutsche Gesang

(1773)

An Miller und Hölty

               

Lang in Ludewigs Saal, über dem Minnesang,
Den der Franke vergrub, schwebete Walthers Geist
    Samt tonkundigen Rittern,
        Die den schwäbischen Thron verklärt.

Sorgsam wehrten sie Staub, Schimmel und Mottenschwarm
Von der farbigen Schrift; wechselndes Harfenlied
    Tönte nachts, wie die Biene
        Leis im Lilienkelche summt.

Endlich wandte den Blick Bodmer, der Held von Zürch,
Und ihr schmähliches Grab sprengt' er mit Hünenkraft;
    Horch, und Laute der Vorwelt
        Sprach teutonischer Widerhall.

Fröhlich lüftete nun altenden Moderduft
Rings auf heimischer Flur jeglicher Singergeist;
    Und mit Schatten der Jungfraun
        Tanzt' er mondlichen Elfenreihn.

Spät in dämmernder Nacht nippten sie Äthertau,
Hier aus blauer Viol, hier aus dem lichten Rot
    Hyazinthener Glöcklein
        Und der Primula Goldpokal.

Hell in bläulicher Glut flammte des Erlenstrauchs
Zartgekräuseltes Laub, flammte der spiegelnde
    Born, daß staunend der Landmann
        Von aufglimmendem Schatze sprach.

Auch war lindes Getön wonniger Harmonien,
Wie kaum hörbar im Wind atmet ein Saitenspiel,
    Wie Harmonikasäusel
        Anklingt oder zu klingen scheint.

Oft um Staufens Ruin höretest, Miller, du
Wehn den geistigen Hall, oft an der Lein' Erguß
    Du auch, kindlicher Hölty;
        Und euch winken die Singer hold.

Zwar nicht atmetet ihr, welche Gestalt voll Glanz
Euch, den Knaben, im Traum sehnende Freude sang,
    Freud an lauterer Schönheit,
        Die kein gleißender Lug befleckt.

Was so innig bewegt; wann in geheiterter
Luft, mit Lerchengesang, Frühling und lauer West
    Über blumige Felder
        Und hellgrünende Haine zog?

Was so innig bewegt; glühte das Abendrot,
Stieg der trauliche Mond, tönte die Nachtigall?
    Gab die selige Wehmut
        Nicht ein freundlicher Singer euch?

Ihr begannt: der Gesang schmachtete Zärtlichkeit;
Tal und Hügel umher schmachtete Zärtlichkeit;
    Und im blühenden Wipfel
        Schwieg die lauschende Nachtigall.

Anmut sangt ihr wie Gleim, welcher Anakreons
Goldnes Barbiton spannt, heiteren Scherz, wie einst
    Hagedorn an dem Becher
        Zur Gitarre Britannias.

Schon singt euren Gesang rosiger Mädchen Mund,
Dort in Harf und Klavier, dort in des Buchenhains
    Froh antwortenden Nachhall,
        Durch die Stille der Abendluft.

Schon, schon singen mit euch Jünglinge, deutscher Art;
Frohsinn tönt der Gesang, Kraft und Entschlossenheit.
    Selbst ausruhende Männer
        Stimmen gern in das Tafellied.

Heil! schon dämmert der Tag edeler Heinriche,
Und zur Menschlichkeit kehrt Ritter und Knapp; es flieht
    Eitler Franken Getändel
        Und ausonisches Gaukelspiel!

Mir auch strömt in Gesang trunkene Red, und selbst
Klingt die Laut in der Hand! Sagt, o Geliebte, sagt,
    Ob ein freundlicher Singer
        Mir an meiner Tollens' erschien?


 << zurück weiter >>