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Den Rhein entlang, von Mainz bis Köln, wehten von allen Türmen und krummen Giebeln die Königsfahnen. Die alten Städtchen hatten sich herausgeputzt und blank gemacht, und da war keines so klein, daß es nicht wenigstens mit ein paar Böllerschüssen in den Weinbergen hätte herausbrüllen mögen, es sei da und grüße den König. An den Landungsbrücken standen die Bürgermeister und Gemeinderäte, die weißen Mädchen und die Veteranen und die Musikkapellen, und, wenn der Dampfer vorüberfuhr, dann wehten sie alle mit weißen Tüchern, bis auf die Musikanten, weil diese mit beiden Händen ihre Instrumente melken mußten, auf daß ihnen die Hymne vom Siegeskranz entquille.
»Heil dir im Siegeskranz«, das ging mit dem Schiff von Mainz den Rhein hinab, und die Berge hatten dazu ihre ersten Herbstgewänder übergeworfen, mit leichten roten und gelben Arabesken im Grün.
Seit Jahrhunderten stand ein grauer Dom in Köln am Rhein, der konnte nicht fertig werden; denn was bei Tag deutsche Hände getürmt und gemeißelt hatten, das war nachts von welschen Nebelwölfen wieder abgebröckelt und unterwühlt worden. Höhnisch saßen in Losnächten windige Turmgespenster französischer Kathedralen auf den Baugerüsten, träufelten üble Säfte über Fialen und Widerlagen, über Wasserspeier und Steingestalten. Da wurden die Meißel stumpf, die Seile brüchig und die Krane widerspenstig; Stein wehrte sich gegen Stein, der Mörtel wollte nicht binden. Der Bau gedieh nicht, in den Kassen schmolz das Geld dahin, die Gerüste verödeten, und Jahrhunderte hindurch war mehr Verwittern als Wachsen an dem unfertigen Dom.
Jetzt aber hatte man sich ermannt; ganz Deutschland hatte seinen festen Willen auf das Schicksal des Bauwerkes gerichtet und sich entschlossen, es zur Höhe und zum Ende zu führen. Es war, als solle jenem anderen Bauwerk, das in Frankfurt nicht unter Dach und zu seiner Vollendung kommen konnte, ein Vorbild geschaffen werden.
Das gab ein Fest, und der König fuhr den Rhein hinab, um es zu weihen.
In Stolzenfels nahm man Nachtquartier, und es dauerte bis tief in die Dunkelheit, ehe die letzten Schwärmer in den Weingärten verzischt waren und man die feurigen Züge, die hoch oben die Zeichen des Königs: F. W. IV. an die geborstenen Wände der Ruine schrieben, verlöscht hatte.
Zeitig am nächsten Morgen klopfte ein Hofbediensteter an die Tür Bismarcks, der im Gasthaus »Zum Rebenkranz« enge Unterkunft gefunden hatte. Seine Exzellenz möchte sich mit dem Aufstehen beeilen. Seine Königliche Hoheit erwarte ihn auf dem Weg zur Ruine.
Der Prinz von Preußen brauchte nicht lange zu warten; wenn es galt, konnte Bismarck mit rekrutenmäßiger Eile in die Hosen fahren. Bismarck fand Wilhelm auf dem Steinmäuerchen eines Weingartens sitzen, ein rotes Weinblatt stak zwischen den Zähnen Seiner Königlichen Hoheit, die Reitpeitsche klopfte im Takt gegen leicht bestaubte Stiefelschäfte. Ein abgeklaubter Traubenstengel lag in einer kleinen Pfütze, zerkaute Beerenschalen bewiesen offenkundig einen Weinbergfrevel. Es hatte nachts über leicht geregnet, die Sonne kämpfte gegen weiche Wolken, die ganze Welt war lind und gütig.
»Ich bin schon geritten«, sagte der Prinz, indem er Bismarck die Hand reichte.
»Und haben gemaust, Königliche Hoheit«, ergänzte Bismarck, indem er auf die verdächtigen Reste zeigte.
»Preußischer Diplomatenscharfblick. Ja! Glauben Sie, an der Hoftafel schmeckt's auch nur halb so gut?«
»Und wenn der Wächter kommt?«
»Ich zahle Lösegeld, das war die Traube wert. Also, Sie sind gekommen, Bismarck, das freut mich. Haben Ihre Frau mitgebracht? Ja? Famos. Ich habe den König überzeugt, daß Sie nicht negligiert werden dürften. Müßten auch mit invitiert werden.«
Der Prinz sprang von seinem Mäuerchen, sie schritten den Weg hinan. Steinig ging er immer zwischen Weingärten, am Ende sah man eine geneigte Ruinenwand im lebenden Rahmen zweier Hagebuttenbüsche. »Meine Frau kommt in Koblenz aufs Schiff. Sie hat das ganze Haus auf den Kopf gestellt; sie hat sogar die Bildernägel poliert, wenn ich nicht irre. Aber Seine Majestät verhält sich nicht in Frankfurt, fährt nach Speyer, und ihr bleibt die schmerzliche Enttäuschung.«
»Die Gute. Der König kennt sie schon. Aber ist sie der Königin vorgestellt? Nein? Soll in Koblenz nachgeholt werden.« Der Weg wurde steiler, und die beiden Männer gingen mit tiefem Atmen eine Weile schweigend. Die Hagebuttenbüsche griffen mit rotbehangenen Zweigen nach ihren Hüten; sie bückten sich unter dem Gerank, traten auf den Burgplan.
Es war Bismarck von der Einfahrt in das linke Hosenbein an klar gewesen, daß es dem Prinzen nicht um einen harmlosen Morgenspaziergang zu tun sei, sondern daß in diesem jungen Tag irgendein Politikum mit Hörnern und Klauen für ihn bereit stehe. Prinz Wilhelm liebte es, sich Bismarck, wo er seiner habhaft werden konnte, einzufangen und seine politischen Ansichten von ihm auffrischen und bügeln zu lassen oder sie gegen die des Gesandten aufzutrumpfen. So war Bismarck auch weiter nicht erstaunt, als der Prinz auf dem Burghof, anstatt in romantische Andacht vor dem alten Gemäuer zu versinken, die Frage erhob, wie lange der Krieg nach Bismarcks Ansicht wohl noch dauern werde.
Nahezu anderthalb Jahre schon würgten Engländer und Franzosen den Russen am Halse. Die Krim war zu einer großen Schlachtbank geworden, das Gloiregespenst mästete sich an Leichen. In den Kabinetten Europas zitterten die Federn so unruhig wie die Zeiger der Instrumente, die das Erdbeben anmelden, und jeder stärkere Geschützdonner von Sebastopol herüber gab ihnen Ausschlag nach links und rechts, nach Osten oder Westen. Es sei derzeit noch kein Ende abzusehen, meinte Bismarck, aber für Preußen entstehe jetzt ernstlich die Frage, wie lange sie noch zuschauen dürften, daß Rußland die Gurgel abgeschnürt werde.
»Ja! Ja!« sagte der Prinz und schlug mit der Reitgerte nach einem Zweiglein, das drei kleine rotgelbe Blättchen sorgsam aus der Mauer heraushielt, »jetzt kommt's endlich darauf, was ich gleich zu Beginn gesagt habe. Meine Imagination hat richtig intendiert. Hätten eben gleich von Anfang an Rußland sagen müssen, es sollte keinen Krieg machen, wir würden uns sonst einmischen. Aus purer Freundschaft natürlich. Geht doch absolutement nicht an, daß ein uns so eng verbundener Staat so schwer geschädigt wird. Die braven Truppen, die da verbluten, die vielen guten Offiziers.« Die drei rotgelben Blättchen wirbelten herab, von der spitz zuckenden Gerte getroffen. »Wir hätten Rußland retten müssen, gegen seinen Willen, wenn es nötig gewesen wäre; ›du forderst ganz Europa gegen dich heraus‹, hätte man sagen müssen, ›das dürfen wir nicht ansehen. Wenn du so toll bist, dich in den Krieg zu stürzen, marschieren wir gegen dich.‹ Das wäre gut preußische Freundschaftspolitik gewesen.«
Noch immer wälzte der Prinz die Sophismen um und um, mit denen man ihm die Treibereien gegen Rußland einleuchtend gemacht hatte. Bismarck fing eines der wirbelnden Blättchen; wie ein rotgelber Schmetterling saß es auf seiner Hand. »Ich glaube kaum, daß uns Rußland das als Liebesdienst angerechnet hätte.«
»Wahre Freundschaft wird sich auch damit abfinden, einmal verkannt zu werden.«
»Verkannten Freunden geht es so wie unverstandenen Frauen. Schließlich wird doch immer irgendwie ein Scheidungsgrund daraus. Sollen wir uns wirklich mit einem guten Nachbarn, mit dem uns viel Gemeinsames verbindet, in einen Krieg begeben, so müßte doch wirklich schon ein sehr triftiger Grund vorhanden sein und ein mächtiger Vorteil herausschauen. Aber ich frage Sie, Königliche Hoheit, was geht uns die orientalische Frage an? Wäre nicht Rußland darein verwickelt, dem wir nichts Übles wünschen dürfen, so könnte Preußen ruhig seinen Spaziergang vor dem Tore machen und sich vom Kriegsgeschrei unterhalten, ›wenn hinten weit in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen‹.«
Der Prinz griff in eine Mauerritze und holte ein Stück losen Mörtels heraus. Es flog in kurzem Bogen in ein Volk schwarzgebrannter Nesseln, das auf einer Schutthalde wucherte. »Geben Sie acht, Bismarck, Europa wird immer kleiner. Die Völker dehnen sich; und eines schönen Tages spürt der letzte preußische Legationsrat jeden Seufzer des kranken Mannes am Goldenen Horn in den Fingerspitzen. Im übrigen, que faire, mein Lieber? Wie denken Sie sich das Weitere?«
Achselzuckend stieg Bismarck durch das raschelnde Nesselvolk die Schutthalde hinan. Der Prinz ging neben ihm, die beiden Männer waren fast gleich groß, bückten sich unter einem wackeligen, steinernen Türsturz, traten in einen Raum, der für einen Augenblick von Sonnenlicht überfloß. Schon zogen wieder weißlich-graue Wolken über die zackigen Mauerränder hin. »Ich weiß es nicht, Königliche Hoheit. Es besteht wenig Geneigtheit zu einem kraftvollen Eingreifen. Gehen wir gegen Rußland, so haben wir seine ewige Feindschaft auf dem Hals. Und außerdem die polnische Soße auf dem Teller – Gott behüte uns vor ihr! Und für Rußland zu den Waffen zu greifen, wird man sich nicht entschließen. Außerdem haben wir doch diesen – Vertrag mit Österreich, der uns die Hände bindet. Wir sind schon wieder der Leporello, und wenn es pfeift, so dürfen wir gehorsamst zweimalhunderttausend Mann an die russische Grenze stellen.«
Die Reitgerte hing am Handgelenk des Prinzen, mit beiden Händen bändigte er den graugemischten Bart, der ihm stark aus den Backen sproßte. »Ihrer Ansicht nach ist also die ganze Sache verfahren.«
»Verfahren, Königliche Hoheit«, sagte Bismarck ungestüm, »von vorne bis hinten und von hinten nach vorne. Preußen spielt in dem Handel eine klägliche Rolle.«
»Na! Na!! Na!!!« Mißbilligung steigerte den Nachdruck. »Nichts ist irreparabel. Wir werden an den Friedensverhandlungen teilnehmen. Werden preußische Interessen schon durchsetzen.«
»Wir werden nicht an den Verhandlungen teilnehmen«, sagte Bismarck, und sein Ton gab dem des Prinzen nichts nach, »ausgenommen, wenn man uns schon dazu einlädt. Aber bitten werden wir nicht um unsere Zulassung.«
»Sehe ich nicht ein«, brummte der Prinz. Ein Turmfalke kreischte hoch zwischen Wolken und Turmtrümmern.
»Nein, Königliche Hoheit. Es rührt sich schon etwas dergleichen in Wien. Wenn wir teilnehmen, müssen wir unsere Bedingungen stellen. Wenn wir vorher um die Zulassung gebettelt haben, und unsere Bedingungen werden dann nicht angenommen, wie stehen wir da? Ganz Europa wird lachen. Ist es nicht besser, wir gehen gar nicht hin? Dann können sie beschließen, was sie wollen, wir brauchen uns nicht zu fügen, anerkennen nur das, was uns paßt.«
Die Reitgerte klopfte gegen den Stiefelschaft. »Sie müssen doch immer Ihren eigenen Kopf haben.« Das klang nicht so, als sei der Prinz davon besonders erbaut.
»Verzeihung, Hoheit, ich möchte keinen anderen.«
»Sie tun immer, als seien Sie der einzige, der etwas von diesen Dingen versteht. Die anderen Männer, die preußische Politik machen, sind auch keine Idioten. Aber Sie haben einen wüsten Ehrgeiz in sich, Manteuffel meint immer, Sie wollten ihn stürzen.«
»Fällt mir nicht ein. Der König schreckt ihn doch bloß mit mir. Aber damals, damals … vor anderthalb Jahren – da hätte ich wohl auf sechs Monate das Ruder in der Hand haben mögen.« Bismarck reckte sich, seine Faust ballte sich klammernd, als griffe er nach diesem Ruder, mit dem er Preußen aus seinen Wirrsalen hätte lenken können.
Prinz Wilhelm sah starr in das Gesicht, dessen Kiefermuskeln unter der Haut vom Druck zusammengebissener Zähne gespannt waren. »Und jetzt ist es zu spät?«
»Zu spät!«
Die Wand, an der sie standen, trug auf dem zermürbten, zerschundenen Bewurf leisen Farbenhauch. Könige und Heilige waren da einmal hingemalt gewesen; man sah wie durch den Schleier von Jahrhunderten Reste von langwallenden, faltigen Gewändern, Schatten von Schwertern, Kronen und runden Heiligenscheinen. Über ein Paar dunkler, mandelförmiger Augen hatten Regen und Schnee nichts vermocht, nur das Gesicht war weggelöscht, so starrten sie schicksalhaft ernst aus einem Geschiebe weißlicher, erinnerungsmatter Farben. Ein Loch war rücksichtslos in diese ehrwürdige Wand gebrochen. Sie krochen hindurch, standen auf einem Altan, der mit einem morschen Geländer gegen die Tiefe schloß.
Unten lag der Rhein mit sanften Windungen, als sei er sich seines Weges im ganzen gewiß. Die Luft zwischen ihm und dem Altan war von Dünsten erfüllt, weich lagen die roten und braunen Dächer des Städtchens gebettet, der königliche Dampfer wimpelte bunt an der Landungsstelle. Hinter und über den beiden Männern wuchs die glatte Mauer ziemlich hoch empor, bis zu lockeren Gesimsen, über denen sich die Fenster zu zweien und dreien gesellten. Und auf diesem Mauerwerk war die Veranstaltung sichtbar, die gestern den Namen des Königs über den Rhein gestrahlt hatte. Und es war seltsam, daß sich das leuchtende Gewürm von gestern nachts dem Betrachten als eine geschwungene Folge schwarzer, ausgebrannter, häßlicher Pfropfen und Stöpsel darstellte. Der Prinz sah die Wand hinan, dann sank sein Blick zu dem bewimpelten Schiff: »Sie werden mit dem König nichts von Politik sprechen können«, sagte er, »er denkt bloß an seinen immerwährenden Streit mit Manteuffel. Das geht um nichts und wieder nichts. Und außerdem liegen ihm jetzt Hatzfeldt und Bernstorff in den Ohren.«
Da unten dehnte sich preußisches Land, an Deutschlands Strom in seiner unsäglichen Schönheit, aber nur den von heute auf morgen gestellten Gehirnen lag sein Schicksal klar und bestimmt in der Zukunft. Es war Bismarck, als müsse er diesen Augenblick nützen, um zu sprechen wie Mann zu Mann. »Königliche Hoheit«, sagte er, »ich erlaube mir den Luxus des Nachdenkens und treibe ihn so weit, auch Sie selbst nicht damit zu verschonen. Darf ich Ihnen sagen, was Sie gegen Rußland haben? Sie haben ihm Olmütz nicht vergessen, wo es uns zusammen mit Österreich die Schlinge um den Hals gelegt hat. Und dieser Kaiser Nikolaus mag Ihnen wenig angenehm sein, der sich uns gegenüber so präpotent aufspielt, als sei er unser Gönner und wir die armen Verwandten.«
»Nicht nur das, mein Lieber«, sagte der Prinz rasch, »sagen Sie selbst, ist es nicht ein gefährlicher Nachbar, dieses Rußland? Sie haben doch auch Haxthausens Broschüre gelesen. Rußland hat drei Zonen, die einander wechselseitig mit ihren Produkten ergänzen. Wenn die einmal so weit sind, daß sie in engsten Austausch treten können, so ist Rußland so stark, daß es mit seinen hundert Millionen uns und ganz Europa erdrückt. Und sie haben das Testament Peters des Großen, auf das sie sich berufen können, wenn sie damit anfangen. Und noch etwas! Wir müssen uns nach Westen schlagen, Bismarck! Frankreich und England führen das Banner der Zivilisation, Rußland aber ist Unkultur, Barbarei, asiatische Willkür. Preußen muß deklarieren, daß es die Sache der Zivilisation zu der seinen macht.«
Wie genau aus diesen Worten die Stimmen des Koblenzer Heerlagers vernehmbar waren, das dem von Sanssouci heimlichen Widerpart hielt und die Gruben grub, in die man gern Manteuffel fallen gesehen hätte. Man hätte beinahe jeden einzelnen unterscheiden und sagen können: das ist Bethmann-Hollweg und das Albert von Pourtalès und das Robert von der Goltz, und was die schöne Phrase vom Banner der Zivilisation anlangte, so war kein Zweifel, daß sie Prägung und Ton keines Geringeren trug als die der Prinzessin von Preußen selbst, die des »Preußischen Wochenblattes« und seiner Leute Patronin und Fahnenträgerin war. Das war ganz die westmächtliche Neigung der Prinzessin, deren Ideale durchaus an der Seine und jenseits des Kanals wohnten und für die in diesen Ländern Anfang und Ende aller Gesittung und aller wirklichen Vornehmheit zu suchen war, so daß Deutschland nichts anderes übrig blieb, als aus dem reichen Strom soviel als möglich auf seine armseligen Mühlen abzuleiten. Und als Bismarck so den ganzen Lindwurm mit seinen vielen Köpfen vom Prinzen als braves Hündlein, auf dessen Treue man bauen könne, behandelt sah, da überkam ihn ein heiliger Georgzorn. Es wurde ihm schwarz vor den Augen, er legte die Lanze ein, ritt los. »Ach was, Zivilisation hin, Zivilisation her! Preußen hat nur zwei natürliche und wirkliche Feinde in der Welt. Österreich und England. Österreich steht uns in Deutschland entgegen und England in der Welt. Und damit hat die Zivilisation gar nichts zu schaffen. Das ist ein Gerede für Tanzmeister und Zeitungsschmierer.«
Augustas Stimme schallte zurück. »Sie reden wie ein richtiger preußischer Junker«, rief der Prinz, »Preußen will nach Europa und nicht nach Asien.«
Aber Bismarck focht unentwegt weiter gegen die züngelnden Köpfe. »Und darüber werden wir zum Narren. Wir lassen uns aufs Glatteis locken, und England reibt sich die Hände und sieht zu, wie sich ein neuer Vasall in seinem Dienst die Beine bricht. Oder man wird mit Recht sagen, wir haben uns in das dümmste aller Abenteuer gestürzt, um uns bei Österreich lieb Kind zu machen, oder weil wir uns vor Frankreich fürchten.«
Des Prinzen Kopf wurde dick und rot, wirr stand ihm der Bart ab. »Ach was«, schrie er, »verschonen Sie mich damit. Das habe ich mir schon einmal von Ihnen verbeten. Von einem Preußen mag ich solche Worte nicht hören, verstehen Sie mich?«
Lautes Heulen quoll aus dem Abgrund zu den beiden, die auf dem engen Altan einander gegenüberstanden und einander anfunkelten. Der bewimpelte Dampfer schrie nach seinen Gästen. Die Blicke der beiden Männer ließen voneinander, der Rhein glänzte in einem neuen Sonnenblick aus einem Wolkenloch, im hängenden Gebüsch der Tiefe zeterte eine Schar von Spatzen, hoch von der Mauer herab schrie der Turmfalke.
»Wir müssen gehen, kommen Sie, Bismarck«, sagte der Prinz, indem er den Arm des ungebärdigen Gesandten faßte, »und erzählen Sie mir, wie Sie eigentlich mit Manteuffel stehen. Was haben Sie gegen die Pläne des Königs mit Ihnen einzuwenden?«