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Vierzigstes Kapitel.
Meine Kriegslist.

Nach dem Frühstück kamen die Leute, wie ich gewünscht hatte, um die Schaluppe einzurichten und die leeren Wasserfässer darin zu verstauen. Als die Fässer herangerollt waren, stellte es sich jedoch heraus, daß sie für das Boot zu groß waren. Das einzige andere Boot an den Davits war das Gig oder das Kapitänsboot, welches noch kleiner war. Es blieb uns daher nichts übrig, als das Langboot klar zu machen.

Demgemäß wurden Taljen aufgebracht, Läufer eingescheert und alles bereit gemacht, es in kürzester Zeit niederlassen zu können.

Es war ein leises Murren der Unzufriedenheit zu hören gewesen, als die Schaluppe für die Fässer zu klein befunden wurde. Suds rief: er könnte überhaupt nicht einsehen, wozu erst ans Land gefahren werden müßte, es würde eine verteufelt lange Ruderfahrt geben, »un all dat för wat?« Aber Blunt machte ihm gleich mit einer wahren Flut kräftiger Seemannsflüche klar, daß es jetzt zu spät wäre, um Beschlüsse über den Haufen zu werfen, welche unendliches Nachdenken erfordert hätten, ehe sie gefaßt wurden.

Zur allgemeinen Erbauung wiederholte ich noch einmal alle Gründe, die es unerläßlich erscheinen ließen, erst das Boot auf Rekognoszierung zu schicken und seinen Bericht abzuwarten, ehe wir die Brigg dicht ans Land brächten. Darauf riet ich dem Schönen, ein Segel und einen Mast in das Langboot zu bringen, und befahl Suds und Billy, nach vorn zu gehen und Deacons Kiste aus dem Vorderkastell herbeizuschaffen.

Nach kurzer Zeit kehrten sie zurück; die Kiste wurde auf das Oberlicht gestellt und geöffnet.

Wenn bei uns alles ehrlich und richtig zugegangen wäre, so würden die persönlichen Effekten von Deacon und Jimmy zur Auktion gestellt und noch am Tage des Begräbnisses verkauft worden sein. Aber unter uns Meuterern gab es eben kein Gesetz und keine Disziplin, welche unsere Handlungen regelten. Die Kisten der Toten blieben im Vorderkastell stehen und die Mannschaft benutzte nach Gefallen, was sie darin fand, je nachdem gerade das Bedürfnis dafür vorhanden war.

Deacons Kiste war daher von Kleidern beinahe völlig leer. Was ich suchte, war jedoch noch darin, d. h. die alte lederne Brieftasche und mehrere Stücke Papier, welche mit rohen Skizzen der Küste seiner Insel bekritzelt waren. Außerdem bestand der Inhalt noch aus seinen Büchern, einer wurmzerfressenen fettigen Bibliothek, einigen einzelnen Schuhen, zerbrochenen Tabakspfeifen und sonstigem Trödelkram, wie eben nur Seeleute ihn aufzuspeichern lieben.

Die Zeitung der Brieftasche entnehmend, diese Zeitung, die für uns »die Quell' all' unsrer Freud', all' unsers Wehs« war, las ich noch einmal jenen Artikel vor, welcher auf die ›Königs-Eiche‹ Bezug hatte. Ich bezweckte damit, den Eifer und die Begehrlichkeit der Leute neu anzufachen und sie zu einer willigen Bootsmannschaft zu machen. Darauf faltete ich das Blatt zusammen, und mich ihnen mit der Miene großen Ernstes zuwendend, redete ich sie in folgender Weise an:

»Was ich euch soeben vorgelesen habe, beweist, daß ein Schiff, mit sechzigtausend Pfund Sterling in Gold an Bord, verloren ging und man nie wieder etwas von ihm hörte. Ob das Land, welches wir heute nachmittag, falls Deacons Loggrechnung richtig ist, erblicken werden, seine Insel ist, weiß ich nicht; soviel aber steht fest, daß wenn sie es ist und der Tote nicht zwecklos eine Lüge erzählte, das vergrabene Gold von euch mit Bestimmtheit gehoben werden kann. Meinem Versprechen gemäß habe ich euch hierher geführt und auch heute noch, wie damals, als wir unser Abkommen trafen, halte ich daran fest, daß lediglich das Mädchen meinen Anteil an dem Schatze bildet; denn auch ihr habt als Ehrenmänner euren Vertrag mit mir gehalten, indem ihr Miß Franklin stets ehrerbietig begegnet seid. Ich erwarte, daß ihr auch jetzt, am Ziele eurer Wünsche, weiter wie Ehrenmänner handeln werdet. Ihr beabsichtigt, nachdem ihr den Schatz gehoben habt, die Brigg zum Wrack zu machen, um sie verlassen zu können, ohne Argwohn zu erregen. Auch dieses Geschäft werde ich für euch besorgen, denn es gehört reifliche Ueberlegung und Urteil dazu, um es richtig auszuführen. Euer mir gegebenes Versprechen schließt die Verpflichtung ein, mir so viel Hilfe, als ihr könnt, zu gewähren, um das Mädchen in Sicherheit zu bringen. Dies zu thun, wird euch obliegen, sobald die Brigg ein Wrack ist. Wie steht es nun damit? – Werdet ihr mich und das Mädchen dann auch nicht im Stich lassen? Werdet ihr euch nicht gegen uns wenden, als gegen Leute, von denen ihr fürchtet, daß sie vielleicht plaudern könnten und die deshalb am sichersten auf dem Grunde des Meeres aufgehoben sind? Soll ich diese Sorge mit mir herum tragen?«

»Gott segen Sei, is 't dat, wofür Sei Angst hebben? Ik segg Sei, Sei süng so seker bi uns, as wenn jedwerein von uns Ehr eigen Modder wier!« schrie der Schöne und klopfte mir dabei so herzlich auf den Rücken, daß die übrigen alle in seine zärtliche Beteuerung einstimmten.

Es war unmöglich, daß eine Rede, wie die meine, die Wirkung verfehlen konnte, die ich hervorzubringen wünschte. Ohne eine Spur von Vertrauen in die Ehrlichkeit ihrer Absichten gegen mich und Miß Franklin, blickte ich doch nunmehr, wie vollkommen beruhigt durch ihre Versicherungen, mit freundlichem Lächeln und heiterem Gesicht im Kreise umher; darauf nahm ich eine der Skizzen und händigte sie Blunt ein.

»Ihr werdet einen Boots-Kompaß mitnehmen,« sagte ich, »um beurteilen zu können, nach welcher Himmelsrichtung die Spitze des Landes, der ihr euch jetzt zuerst nähert, liegt. Wir werden das Land von Osten her in Sicht bekommen. Segelt oder rudert das Boot nach dem Nordende und vergleicht dort, ob die Küste mit der Zeichnung übereinstimmt. Ist dies der Fall, dann Maats, ist die Insel die gesuchte und ihr könnt das Boot bergen, an Land gehen und forschen, ob es bewohnt ist. Demnächst führt das Boot zu dieser Bucht hier«, – dabei deutete ich auf die Skizze –, »und lotet die Tiefe und laßt uns wissen, ob und wo die Brigg vor Anker gehen kann. Das ist das, was ihr zu thun habt, alles übrige könnt ihr mir überlassen. Und nur noch das eine: wenn ihr erst abgestoßen seid, dann beeilt euch und läßt uns nicht die ganze Nacht beigedreht liegen und auf Nachricht warten.«

Die Leute traten hinter den Schönen, um auch einen Blick auf die Zeichnung zu werfen.

»Da, dat runde Teiken, dat bedüd, wo dat Gold liggt,« schrie Billy.

»Mi dücht, ik ward mi en poor Nät von de Kokusbom afslagen,« rief Welchy. »Ik hew seggen hürt, dat de Melk dorvon, wenn sei gegohr'n is, beter as de best' Bramwien smeckt.«

»Wo vel Gold warden woll mien Tasch' holl'n?« bemerkte ein Dritter. »Dunner! – Wenn de Dierns in London weiten däden, wat för en Ladung wi mitbringen!«

Sie lachten und schwatzten noch, als ich sie verließ, um in die Fock-Mars hinaufzusteigen. Es war jetzt halb Zwölf. Der Wind war gerade stark genug, um die Leeseite der Brigg bis zu den Püttingen hinab zu drücken. Das Wasser lag vollkommen blau und glatt unter mir, und das Schiff schwebte sanft und ruhig darüber hin, seine Geschwindigkeit nur durch die große Länge seines Kielwassers bezeichnend.

Der Horizont war nicht so klar, als er am vorhergehenden Tage gewesen war. Als ich ihn sorgfältig absuchte, glaubte ich einen Schatten, grade über der Spitze des Klüverbaums, zu entdecken. Ich betrachtete ihn lange, es schien mir eine Wolke zu sein, ich vermochte aber weder ein Heben, noch ein Senken, noch irgend welche andere Veränderung in ihrer Lage, trotz der ruhigen Fahrt der Brigg, zu entdecken.

Um mir Gewißheit zu verschaffen, kletterte ich das Ober-Bram-Takelwerk hinauf bis zur Royl-Raa und legte, auf dieser stehend, meine Arme um den Mast.

Aus solcher Höhe war ein Blick genügend. Ich legte meine Hand vor den Mund, um meine Stimme nach hinten tönen zu machen, und rief: »Land, ho!«

Sowie mein Ruf das Deck erreichte, kam Bewegung unter die Leute. Die eine Hälfte sprang in das Fock-, die andere in das Großmast-Takelwerk; ein reines Wettrennen entstand um den ersten Blick auf das Land.

Sehr erregt durch den Anblick der Insel, stieg ich mit klopfendem Herzen in der Leeseite des Takelwerks auf das Deck herab. Die Wetterseite überließ ich den Leuten, welche schrieen und hurrahten, sowie sie den blauen Schatten erblickten.

»Is 't würklich Land?« schrie Billy, der am Rade stand.

»Ja, wirklich,« erwiderte ich.

»Hurra!« brüllte nun auch er und warf seine Mütze in die Luft.

Ich ging hinüber zu Banyard, welcher über die Schanzkleidung lehnte und seine Augen auf die See gerichtet hielt.

»Vom Deck aus werden wir vor einer Stunde nichts sehen,« sagte ich.

»Wat för'n Land is 't?« fragte er flüsternd.

»Teapy.«

»Weiten Sei dat gewiß?«

»Ganz gewiß; hier herum giebt es keine andre Insel.«

»Un sei kieken dorup, – schriegen sik den Hals wund, – glöwen, dat Gold schon in de Tasch tau hebben!« sagte er, nach oben blickend, wobei ein spöttisches Lächeln über sein störrisches Gesicht huschte wie eine Katzenpfote über das Wasser.

Ich ging herunter, um meinen Sextanten zu holen, und traf Miß Franklin.

»Warum schrieen die Leute so und stürzten so eilig umher, Mr. Chadburn?«

»Es ist Land in Sicht.«

»Land!« rief sie, und ihre Augen leuchteten freudig in ihrer alten Schönheit.

Ich legte meine Hand auf ihren Arm und flüsterte: »Es ist die Insel, welche als Osterinsel oder Teapy auf der Karte verzeichnet ist. Die Leute wissen das nicht. Sie glauben, daß wir Deacons Insel vor uns haben. Diese Insel wird Sie, so Gott will, aus Ihrer langen Prüfungszeit erlösen und Ihrer Heimat in England wieder zuführen. Nur eine Aufgabe bleibt Ihnen noch zu erfüllen – aber keine schwierige.«

Ich hielt inne und sah sie lachend an.

»Fordern Sie nur keine Tapferkeit von mir,« sagte sie, während ihre reizenden Lippen zitterten und sie meine Hand streichelte.

»Sie müssen sich in Ihrer Kajüte verborgen halten; können Sie das thun?«

»O, Mr. Chadburn, Sie sind recht schlecht; für was für ein dummes, schwaches Ding halten Sie mich!«

»Jedenfalls kommen Sie jetzt mit auf Deck,« bat ich und lachte dabei über ihr niedergeschlagenes Gesicht; denn sie glaubte, ich machte mich über ihre Furchtsamkeit lustig, während ich, Gott weiß es, sie deshalb nur um so mehr liebte und mich an ihr erfreute; so verkehrt ist aber das Herz in solchen Sachen. – »Bitte, warten Sie noch einen Augenblick, bis ich meinen Sextanten geholt habe.«

Ich nahm einen Stuhl für sie mit und begann dann ›nach der Sonne zu schießen‹. Meine Messungen bestätigten meine Annahme; wie ich erwartet hatte – die Insel vor uns war Teapy.

Ich rief den Schönen und dieser kam zu mir.

»Ist das Langboot fertig?«

»Alles p'rat.«

»Ist frisches Wasser darin?«

»Nein.«

»Wie kannst du es dann fertig nennen? Bringe Wasser und einen Beutel Brot an Bord. Ihr könnt aufgehalten werden oder auf dem Rückweg lavieren müssen. Stoße nie ab, und wenn es nur eine Ruderfahrt von zehn Minuten gilt, ohne Brot und Wasser. Sage dem Koch, daß er dafür sorgt. Die Insel ist niedrig und wir werden sie früher erreichen, als du denkst.«

Er ging sogleich nach vorn, aber um sicher zu sein, wartete ich, bis Wasser und Brot in das Boot verstaut war. Darauf ließ ich das Logg fallen; dasselbe ergab, daß die Brigg sechs Knoten machte. Alle einfachen Segel waren gesetzt und jedes Segel stand voll, das Wasser war glatt wie ein Mühlenteich; so gab es nichts, was unsre Fahrt hätte aufhalten können.

Die Leute gingen bald nach Zwölf zu ihrem Mittagessen ins Kastell; als sie wieder herauf kamen, standen sie und warteten, daß die Insel nunmehr auch vom Deck aus in Sicht kommen sollte. Um ein Uhr war ihr dunkler, blauer Umriß von der halben Höhe des Fock-Takelwerks aus sichtbar. Um zwei Uhr sahen wir sie vom Deck aus klar vor uns liegen.

Der Wind frischte jetzt mehr auf und die Brigg glitt rascher dahin, als ein Mensch laufen könnte. Die Leute waren still. Sie blickten gespannt nach vorn. Manchmal wandten sie auch die Köpfe, um nach rückwärts und nach oben zu sehen. Der alte Banyard marschierte auf dem Deck wie ein Automat, mit unbeweglichem Gesicht und die Augen immer grade vor sich gerichtet.

Um drei Uhr war die Insel deutlich erkennbar, klar warf sie ihre Schatten; sie sah nicht größer aus als der Rumpf eines Schiffes. Ich bat jetzt Miß Franklin, herunterzugehen und sich einzuschließen. Sie sah mich prüfend an; ihrem Auge mochte wohl die in mir arbeitende furchtbare Aufregung, welche ich mit aller Kraft zu verbergen strebte, nicht entgehen; sie verließ daher das Deck ohne ein weiteres Wort.

Die Insel mit dem Glase rekognoszierend, erkannte ich die Korallen-Formation des Gestades und auf den höher gelegenen Abhängen Vegetation und Baumwuchs. Zeichen menschlicher Wohnungen zu entdecken, wenn solche da waren, gestattete mir aber die Entfernung nicht.

Die Leute kamen nach hinten und baten sehr unterwürfig, durch das Glas sehen zu dürfen. Das Teleskop ging von Hand zu Hand. Einer sagte, er sähe dort hinter der Landzunge auf Steuerbord etwas, was wie die Mastspitze eines Schiffes aussähe. Dies veranlaßte die andern, ebenfalls die Stelle, voller Bangigkeit, scharf ins Auge zu fassen, und nachdem auch ich, anscheinend mit großer Aufmerksamkeit, das Glas längere Zeit auf dem Punkt hatte weilen lassen, unterstützte ich die Ansicht, indem ich vorgab, deutlich die Mastspitzen zu erkennen.

»Wie nah heran wünscht ihr nun, daß ich die Brigg bringe?« fragte ich. »Ich bleibe bei meiner Ansicht, daß drei Meilen nah genug ist. Bei dieser Brise wird das Langboot die Entfernung in einer halben Stunde segeln.«

»Seggen Sei uns noch mal, worüm Sei drei Meilen afbliewen wull'n?«

»Falls ein Kriegsschiff dahinten versteckt liegt, wird es uns seinen Kutter an Bord schicken, wenn wir nahe herankommen. Bleiben wir aber ein gutes Stück ab, dann werden sie denken, daß die Befriedigung ihrer Neugier die Mühe einer langen Fahrt gegen den Wind nicht lohnt. Das ist mein Grund.«

»Jack süll sien Willen hebben, hei het en klauken Kopp. Hei süll bidreihn, wo 't em dat best' dücht.«

»Wir wollen euch bei der Rückfahrt entgegen kommen und euch aufnehmen,« sagte ich.

»Gaud!« rief Blunt.

»Nun, dann also vorwärts, Jungens: refft die Reuls! Die Falls der Klüver zum niederholen klar!«

Die Leute gingen an die Arbeit. Wir näherten uns rasch der Insel. Jene Striche, welche den Mastspitzen eines Schiffes glichen, waren hinter dem Hügelland versunken, und die Leute blieben daher im Zweifel, ob ein Schiff da war oder nicht.

Um vier Uhr schickte ich die Leute an die Leebrassen. Die Geitaue und Schooten wurden angeholt, die Raaen gedreht und die Fahrt der Brigg angehalten. Die Insel in ihrem zarten Grün, mit dem weißen Strand an dem tiefblauen Meer, überwölbt von dem strahlenden Himmel, an welchem leichte Federwölkchen schwebten, streckte sich wie ein Feenreich an unserm Leebug hin.

»Jetzt das Langboot zu Wasser!« rief ich. »Greift zu, dann könnt ihr um vier Glasen zurück sein, vor acht wird es nicht dunkel!«

Da die Takel oben bereit waren, blieb nichts zu thun, als die Läufer durchzuscheeren, das Boot einzuhängen und niederzulassen. Alle Mann faßten an, das Boot hob sich aus seinen Klampen und bald schwamm es längsseits.

»Sieh noch einmal zu, ob alles in Ordnung ist,« rief ich dem Schönen zu, welcher mit Billy hineingesprungen war und den Mast einsetzte. »Hast du den Kompaß?«

»Ay, ay!«

»Lot und Leine?«

»All'ns klar.«

»Na, dann hinein ins Boot mit euch andern.«

Sie stiegen ein. Der Schiffsjunge Hardy und der Koch kamen an die Fallreepstreppe, um ihnen zuzusehen, Savings stand am Rade; Banyard stampfte auf dem Deck einher und schien von nichts Notiz zu nehmen.

»Wenn es dunkel werden sollte, ehe ihr zurückkommt, wollen wir eine Laterne anzünden,« rief ich. »Seid so flink als möglich. Wenn es zu wehen anfängt, sind wir zu schwach, um die Brigg zu regieren. Nun herauf mit eurem Segel, – werft die Läufer los!«

Die Spitze des Bootes war abgestoßen, das Segel ging in die Höhe, das Boot glitt hinweg.

»Hurra, de Goldmine!« schrie Klein-Welchy und warf seine Mütze in die Luft.

»Dat is för de Minschenfreter, wenn weck da sün,« brüllte Billy und schwenkte sein Matrosenmesser.

Sam und der Schöne saßen rauchend zusammen auf der hintersten Duchte und steuerten das Boot. Es segelte ziemlich schnell und hob eine Welle auf jeder Seite. Bald war es außer Anrufsweite. Ich blickte ihm nach, bis die Gesichter der Männer nicht mehr zu erkennen waren; darauf ging ich zu Banyard und flüsterte ihm zu:

»Sagen Sie dem Koch, ich wollte ihn in der Kajüte sprechen, und wenn er kommt, seien Sie dicht auf seinen Fersen.«

»Süll hei de Ierst sien?«

Ich nickte mit dem Kopf und ging die Kajüte hinunter. Am Tische stehend wartete ich, bis sich des Kochs nackte Füße auf den Stufen der Treppe zeigten; dann packte ich plötzlich seine Beine und zog ihn nieder. Er schlug beim Fallen so schwer auf die Treppenstufen, daß, wenn er nicht zu verblüfft gewesen wäre, um zu schreien, er auch nicht Atem genug dazu besessen hätte. Den kalten Lauf meines Revolvers an seine Stirn haltend, schwor ich mit der schrecklichsten Stimme und dem drohendsten Aussehen, welches ich mir zu geben vermochte, daß, wenn er sich rühre oder den leisesten Laut von sich gäbe, ich ihn töten würde. Während er bewegungslos dalag, mit gesträubtem Haar und Augen, die ihm vor Schreck halb aus dem Kopf getreten waren, band Banyard sehr gelassen, in seiner mürrischen Weise ihm Hände und Füße.

»Nun kommt Savings an die Reihe,« sagte ich zu Banyard. »Wenn ich einige Augenblicke mit ihm gesprochen habe, treten Sie an meine Seite.«

Ich stieg auf Deck, und nachdem ich einen Blick auf das Boot geworfen hatte, dessen Segel jetzt nur noch einen weißen Fleck bildeten, ging ich zu Savings. Er war ein mittelgroßer Mann mit etwas dummem Gesicht, blaß-blauen Augen und einem roten Bart.

»Wie kommt es, daß du nicht im Boot bist?« fragte ich; »wollten sie dir nicht trauen?«

»Mi trugen? – Ik weit nich; – äwer mien Andeil von den Verdeinst will ik hebben, üm den lat ik mi nich bedreigen!«

»Es ist kein ›Verdienst‹ da, wie du es nennst. Ich war gezwungen, euch zu täuschen, um die Leute aus der Brigg zu entfernen; denn ich will diese euch Meuterern wieder abnehmen und nach Haus führen. Nieder mit dir, du rebellischer Mordbube!«

Als ich diese Worte hervordonnerte, trat Banyard hinzu, und noch ehe Savings Zeit hatte, mich zu begreifen, lag er schon unten und ich mit meinem ganzen Gewicht auf ihm. Er schrie und kämpfte wie ein Wahnsinniger, aber während ich auf seiner Brust kniete, fesselte Banyard seine Beine. Darauf band er ihm die Arme und schleppte ihn nach dem Oberlicht, an welches er ihn mit dem Rücken anlehnte.

Der Schiffsjunge Hardy, ein kräftiger Bursche von etwa siebzehn Jahren, stand an der Fallreepstreppe und sah von dort aus zu. Als ich mit Savings fertig war, kam er schnell zu mir.

»Mr. Chadburn, ik seih, wat Sei vörhebben, Sir. Ik will Sei helpen,« rief er. »Ik hew mit de Müderi nicks tau dauhn hadd un will girn arbeiten as en Mann, um dorvon los tau kamen.«

»So ist's recht, mein Junge,« sagte ich. »Laufe ans Rad und setze es hart nach Steuerbord über. – Banyard,« rief ich, »wir wollen jetzt die Raaen wenden.«

Er kam eilig nach vorn, während Hardy das Rad drehte. Die großen Raaen schwenkten herum und die Segel füllten sich. Sowie die Brigg in Fahrt kam, fing sie an, vom Winde abzufallen. Nach einigen Minuten befand sich die Insel auf der Backbordseite und wir steuerten nach Osten.


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