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Zwölftes Kapitel.
Der alte Windwärts.

Nachdem wir eine Woche auf See gewesen waren, fingen wir an zu erkennen, mit was für Vorgesetzten wir es zu thun hatten. Ueber den alten Windwärts hatte ich nie Zweifel gehegt. Sein boshaftes Schielauge, sein schmutziges Gesicht, welches aussah, als hätte es in einer Beize von Schwefel und Salpeter gelegen, seine lauten Flüche, wenn Miß Franklin außer Hörweite war, waren unverkennbare Zeichen seines Charakters. Ich brauchte aber eine Woche, ehe ich über den Kapitän klar wurde. Es war kein gutes Zeichen, daß er dem Maat erlaubte, so mit uns zu fluchen und zu schimpfen, ohne mit einem Wort dessen starke Sprache zu mäßigen; doch war dies nur ein negativer Fehler. Aber eines Tages hißte er seine Flagge, und eine reguläre schwarze Flagge war das.

Die Veranlassung war folgende:

Die Wache auf Deck war mit scheuern beschäftigt. Diese Arbeit wurde in der Weise ausgeführt, daß ein Mann genügte und ein anderer die Eimer einem dritten reichte, welcher die Decks begoß, während die übrigen mit ihren Bürsten scheuerten. Der Mann, welcher die Decks begoß, war der kleine Welchy; seine Aufgabe bestand darin, jede Ecke und jeden Winkel tüchtig naß zu machen.

Die Hühnerkäfige unter dem Langboot waren, um zu verhindern, daß aus ihnen Schmutz auf das Deck falle, mit einer Schutzvorrichtung aus Latten umgeben; diese Latten wurden während des Deckwaschens weggeräumt, damit das Wasser auch unter den Käfigen spülen könne, und dann wieder an ihre Stelle gelegt.

Der alte Windwärts stampfte auf dem Deck umher und reizte uns mit unaufhörlichen Zurufen: »Hand anzulegen, nicht dazustehen und im Kot zu wühlen wie eine Herde Schweine, sondern denselben hübsch durch die Speigaten zu spülen.« So kam er auch zu den Hühnerkäfigen und schrie: »Hier fehlt eine Latte; wo ist sie? Thut Eure Arbeit ordentlich oder der Teufel soll Euch das Licht halten; welcher thranige Fischkopf hat sie weggenommen und nicht wieder eingesetzt? Auf der Stelle her damit.«

Der Kapitän, welcher in Ueberschuhen auf Deck war, trat an den Großmast, blieb da stehen und sah zu.

Der kleine Welchy war verantwortlich für die Latte und ging umher, sie zu suchen.

»Aha, du bist der Lüderjahn,« brüllte der Maat; »hast du gehört, was ich sagte?«

»Gaud naug,« murmelte der kleine Welchy, »ik ward sei jo glik bringen, ik möt sei blot irst finne.«

»Finden?« schrie der alte Windwärts, »zum Donnerwetter, Teiggesicht (eine Anspielung auf die blasse Gesichtsfarbe des Kleinen), wenn du sie verloren hast, dann kannst du was erleben.«

Dieses ganze Geschrei vermochte indeß nicht die fehlende Latte wieder zu bringen. Wir hatten schließlich alle miteinander danach gesucht, aber umsonst.

»Sei möt äwer Burd gangen sin,« sagte der kleine Welchy.

Als der alte Windwärts dies hörte, sprang er mit einem Satz auf ihn los und schrie: »Wo sie auch sein mag, du sollst danach suchen, und wenn sie über Bord ist, gehst du hinterher!«

Welchy, welcher nicht wußte, wie weit der Maat seine Drohung wahr machen würde, nahm eine wehrhafte Haltung an und rief: »Hände weg! Anfaten lat ik mi nich; ik kann niks dorför. Nüms sall mi slagen.«

»Das woll'n wir mal seh'n, du rauchgesichtiger Mordbrenner!« schnob der wütende Maat, ergriff in einem Nu eine Taurolle und schlug mit dem Ende derselben auf den kleinen Welchy los.

Der Matrose war, wie vielleicht sein Spottname glauben machen könnte, kein Feigling.

Mit einem Schrei stürzte er sich auf den Maat und rang mit ihm. Der kleine Kerl würde im Kampfe mit dem alten Windwärts nicht mehr Chance gehabt haben, wie etwa ein Ziegenbock in der Umarmung einer Boa-Constrictor. Der Kapitän hätte deshalb seinen Offizier das Geschäft, in welches er sich eingelassen, ganz ruhig allein abwickeln lassen können; statt dessen stürzte er aber auf den Mann zu, packte ihn am Nacken, wirbelte ihn herum und hielt ihm die Arme am Leibe fest. Hierdurch wurde der Rücken Welchys den Schlägen des alten Windwärts preisgegeben, und dieser schwenkte nun das Tau mit aller Kraft.

Klatsch – klatsch! Es war, als würde ein Teppich ausgeklopft, und bei jedem Schlage sprudelte der Maat etwas hervor wie: »Ich will dich lehren, aufsässig zu werden, mein Hähnchen, – ich will dir zeigen, was es heißt, Schiffsausrüstungsstücke zu verlieren, mein Wetterhähnchen!«

Endlich gelang es Welchy durch ein kräftiges Drehen seines Körpers, sich aus dem Griff des Kapitäns zu befreien; er taumelte dabei einige Schritte zurück, kochend vor Wut über die ihm widerfahrene schimpfliche Behandlung, nahm aber im Gefühl seiner Ohnmacht, bleich wie der Tod, seine Arbeit wieder auf. Der Kapitän ging, nachdem er uns alle mit drohenden Blicken angesehen hatte, darauf wieder nach hinten. Der Maat aber warf das Tau-Ende fort und befahl uns, mit dem Scheuern fortzufahren.

Es ist ein Zeichen für den leichten Sinn des Matrosen, daß Welchy bei seinen Maats kein Mitgefühl fand. Ganz im Gegenteil, die meisten hielten die Prügel für eine willkommene Veranlassung, ihren Witz daran zu üben, durch ihre beständigen Wiederholungen wurden die Anspielungen aber wahrhaft unbarmherzig.

»Set't di nich, Welchy, du büst noch nich uthielt.« – »Hest d' Weihdag hadd, Welchy?« – »Di dücht g'wiß. du wirrst wedder in de Schaul, un oll Beadle hädd di äwerbugt.« – »Du, Welchy, för twei Pennig lat ik di mien Brod tanm inweiken för en Plater« – etc.

Welchy ertrug die Hänseleien mit größter Geduld, nur einmal geriet er in Hitze, woraus wir merkten, daß das Tau-Ende tiefer gedrungen war, als durch die bloße Haut, und das war, als Liverpool-Sam sagte, er hätte mehr Mut zeigen müssen, als der Kapitän ihn packte.

Als die Wache, zu welcher ich gehörte, um zwölf Uhr auf Deck kam, war ich wieder an der Reihe, das Steuer zu übernehmen. Dieser Dienst war mir der liebste. Er hielt mich nicht nur fern von dem alten Windwärts, sondern auch von den unangenehmen und oft schmutzigen Arbeiten, mit denen wir beschäftigt wurden, wenn uns das Stellen der Raaen nicht in Anspruch nahm.

Die Brigg lief unter allen Segeln, die See war glatt und das Wetter sehr schön. Wir hatten in der That, seit wir Bayport verlassen, fast immer so schönes Wetter gehabt, daß wir nur einmal die obersten Bramsegel nicht setzen konnten.

Ich denke, ich muß, wie ich so am Rade stand, wie eine recht schmucke Teerjacke ausgesehen haben: in meinen Zeughosen, gestreiftem Hemd, Schuhen, und die Mütze schön hinten auf meinem Kopf. Die Aussicht, unmittelbar unter den Augen von Miß Franklin zu sein, machte mich immer sehr sorgsam in meinem Anzug, und ich befand mich stets unter ihren Augen, wenn ich am Steuer war.

Muß ich meiner verehrten Leserin sagen, ob ich brünett oder blond war? Vielleicht vermehrt es das Interesse an dieser Vorderdeckgeschichte, wenn ich verrate, daß ich kastanienbraunes Haar, graue Augen und eine Gesichtsfarbe besaß, die von der tropischen Sonne das gelbliche Braun eines gebratenen Truthahns angenommen hatte. Im übrigen kann ein Seemann, wenn er nur eine gute Figur hat, kaum vermeiden, erträglich gut auszusehen; denn die beständige Bewegung seines Schiffes ist eine ununterbrochene Tanzstunde und lehrt ihn einen lebhafteren und leichteren Gang, als der beste Tanzlehrer, in einer ganzen Lebenszeit, imstande wäre, seinem Schüler beizubringen.

Miß Franklin war auf Deck, als ich das Steuer übernahm. Sie saß auf dem Oberlicht, ihrem Lieblingsplatz, hatte eine Decke über ihren Füßen und ein Buch in der Hand, in welchem sie aber nicht las.

Sie blickte mich scharf an, als ich vorüber ging, und ich will gestehen, daß ich auch schon bei andern Gelegenheiten bemerkt hatte, daß sie mich ansah, wenn meine Pflichten mich in ihre Nähe führten. Ich kannte jedoch meine Stellung und richtete meine Augen fest nach vorn, als ich bei ihr vorüber ging. Wenn ihr Gesicht mir gefiel und ich in ihre Schönheit verliebt war, so war das meine Sache und ein Geheimnis. Ich wollte ihr nicht das Recht geben, sich bei ihrem Bruder zu beschweren, daß einer von der Mannschaft sie ungebührlich anstarre, jener Mensch, den sie in Bayport getroffen habe; er schiene unverschämt genug, sich den Bewohnern eines Hinterdecks gleich zu halten, dieser Bursche, der mit nackten Armen arbeite und die Decks scheuere in Hosen, die bis über die Kniee aufgekrempelt wären.

Der alte Windwärts kam auf Deck und schickte Mr. Banyard nach vorn. Armer Pendel Banyard! Er that mir immer leid. Er war weder Offizier noch Vorderdeck-Mann, wurde infolgedessen an beiden Enden der Brigg nicht gern gesehen und vielen Demütigungen unterworfen. Später werde ich von ihm noch mehr zu erzählen haben.

Es war sehr drollig, des alten Windwärts ungeschickte Bemühungen zu beobachten, in Gegenwart von Miß Franklin ungeniert und fein zu erscheinen.

Es konnte kein Zweifel darüber herrschen, daß es ihm herzlich verhaßt war, sie auf Deck zu sehen, da sie nicht nur seinem unzeremoniösen Gefluche und Geschimpfe Schranken auflegte, sondern ihn auch oft in die Verlegenheit brachte, sich mit ihr unterhalten zu müssen. Als er sie auf dem Oberlicht erblickte, machte er ihr unter einem verbindlich aussehen sollenden Grinsen eine sehr linkische Verbeugung, hob aber darauf sofort die Augen mit finsterer Miene in die Höhe nach dem Stell der Segel, um vielleicht irgend etwas dort nicht in Ordnung zu finden. Zu seinem Aerger waren aber alle Segel vollgerundet und steif; wir steuerten richtigen Kurs, keine Brasse bedurfte einer Berührung und nirgends war ein Müssiggänger anzuschreien.

»Was macht mein Bruder, Mr. Sloe?« fragte Miß Franklin.

»Ich denke, er hat sich hingelegt, Ma'am,« antwortete der Maat mit einer Stimme, welche bei einem Befehl in Wind und Wetter wohl angebracht gewesen sein würde, hier aber neben der des Mädchens wie das Knarren einer Thür klang. Sie sah in ihr Buch und der alte Windwärts schlich sich fort, sie rief ihm aber nach:

»Wann werden wir denn mal einen Sturm haben, Mr. Sloe?«

»Das läßt sich nicht sagen.«

»Ich möchte so gern sehen, wie die Wogenberge hochgehen. Werden Wogen wirklich so hoch wie Berge?«

»Na, in Büchern hab' ich solch' Zeug wohl gelesen, mit meinen eigenen Augen hab' ich aber noch nie solche Wogen gesehen,« antwortete er mit schlecht verhehlter Ungeduld über solche Fragen.

Er war wieder im Begriff, sich zurückzuziehen, aber sie hielt ihn noch einmal auf:

»Ach, Mr. Sloe, ich habe Sie schon oft fragen wollen, ob Sie verheiratet sind?«

Bei dieser Frage leuchtete ein so lustiges Blitzen in den braunen Augen der kleinen Hexe auf, daß mir der Gedanke kam, es sei ihr besonders amüsant, den alten Windwärts mit Fragen zu quälen.

Er sah mich an. Der Ausdruck, welchen das starke Schielen seinem Gesicht gab, und die Vorstellung, diese Mißgestalt mit irgend einem Gefühl in Verbindung bringen zu sollen, welches auch nur annähernd dem glich, was man Liebe nennt, brachte mich zum Lachen. Ich erstickte beinahe unter der Anstrengung, die Explosion zu verhindern; aber es war zu spät, und als Miß Franklin sich umdrehte und in mein rotes Gesicht blickte, brach auch sie in ein heiteres Lachen aus.

»Worüber lachst du, – du da?« schrie er mich an. »Du thätest besser, dich um das zu kümmern, was du zu thun hast. Wie ist die Fahrt?«

Ich meldete. Er warf mir einen bösen Blick zu und war im Begriff wegzugehen, als die unverbesserliche Luise ihn noch einmal anrief.

»Mr. Sloe, Sie haben ja meine Frage noch nicht beantwortet.«

»Was wünschen Sie, daß ich Ihnen sage, Ma'am?« knurrte er, kaum im stande, ihr höflich zu antworten, und ohne Zweifel von Herzen wünschend, sie wäre ein Mann, um ihr seine Meinung sagen zu können.

»Ich fragte, ob Sie verheiratet wären?« sagte sie mit bezauberndem Lächeln. »Ich denke, es muß ein wonniges Gefühl sein, wenn ein Seemann nach langer Fahrt sich der Heimat nähert und den Moment vergegenwärtigt, wo er Frau und Kinder wiedersehen und umarmen wird.«

Der alte Windwärts starrte sie an und antwortete langsam:

»Ich bin verheiratet, aber, soviel ich weiß, ist es gerade kein so absonderliches Vergnügen, nach Hause zu kommen, wenn nicht etwa, weil man dann die ganze Nacht ungestört im Bett liegen und jederzeit das Fallen des Barometers ruhig mit ansehen kann.«

»Ach, thun Sie doch nicht so. Sie sind doch sicherlich immer glückselig, zu Ihrer Frau heimzukehren?« rief sie mit gut gespielter Ueberraschung, aber mit solcher Schalkhaftigkeit im Gesicht, daß ich auf die Vermutung kam, sie müsse mehr von dem alten Windwärts wissen, als dieser ahnte; ihr Bruder war mit ihm schon früher Schiffsmaat gewesen.

Der alte Windwärts glotzte sie wieder groß an, und ich machte noch einen Erstickungsanfall durch, um meine Heiterkeit zu unterdrücken. Er bewegte seine Kinnladen, als ob er ein geheimes Primchen, welches ihm an eine unrechte Stelle gerutscht war, wieder zurecht rücken wolle, stieß ein verlegenes, polterndes Lachen aus und sagte:

»Ich könnte nicht gerade behaupten, daß mein Weib sehr glücklich aussieht, wenn ich nach Hause komme, und schätze deshalb, daß sie wohl kaum vor Freude deckenhoch springt, wenn sie den Brief erhält, in dem ich mich anmelde. Es giebt Frauen, die begleiten ihre Männer bei der Abreise bis zum Schiff; andere kommen ihnen entgegen. Meine Frau thut das letztere nie, ist dagegen stets sehr bereit, mich fortzubringen. Ich bin an die zwanzig Jahre verheiratet, Ma'am. Wieviel Stiefel habe ich in der Zeit wohl vertragen? Wenn eine Ehe besser aushält als Stiefel – Leder, dann muß sie doch wohl eine gute sein.«

Mit diesem sehr unklaren Gleichnis schritt er nach vorn und fiel wütend über einen Schiffsjungen her, weil dieser mit einem Matrosen gesprochen hatte.

Miß Franklin sah ihm lächelnd nach, als er wegging, dann kam sie an das Kompaßhäuschen, auf welches sie einige Minuten schweigend blickte.

»Jetzt,« dachte ich, »komme ich dran.«

»Ist das Steuern schwer?« fragte sie.

»O, nicht sehr,« antwortete ich. Mein Herz schlug doch ein wenig rascher, nachdem sie mich angeredet hatte.

»Ich möchte es gern lernen,« sagte sie.

»Ich würde glücklich sein, es Sie zu lehren, wenn der Kapitän es erlaubte.«

Sie wandte sich um, um mich anzusehen, und ich war betroffen von ihrem Blick. Er war sicherlich kalt, hatte aber nichts Verletzendes oder Verächtliches an sich, nur ein gewisses Sinnen, etwas ernst Prüfendes lag darin. Ihre schönen Augen trieben mir das Blut ins Gesicht; habe ich nicht schon gesagt, daß Jack ein schüchterner Mensch ist? Ich zweifle nicht, daß ich wie ein rechter Esel aussah in dem Wunsch, ihren mich ganz verwirrenden Blicken ruhig zu begegnen.

»Ich wundere mich, daß ein Mann wie Sie zum Vorderdeck gehören kann,« sagte sie. (Hierbei betonte sie ›Vorderdeck‹ stark.) Mr. Sloe, als Offizier, ist schon schlimm genug, wie müssen da seine Untergebenen, die Matrosen sein!«

Der alte Windwärts sah zufällig in diesem Augenblick zu uns hin. Er runzelte zornig die Stirn, als er uns sprechen sah, konnte doch aber nichts sagen. Die Schwester des Kapitäns durfte sich unterhalten, mit wem sie Lust hatte, und es war nicht meine Schuld, daß sie mich angeredet hatte.

»Sind Matrosen weniger wert als er?« antwortete ich.

»Er hat diesen Morgen einen Mann geprügelt, höre ich.«

»Mit einem Tauende,« sagte ich, meinen Blick auf die Segel richtend.

»So erzählte mir mein Bruder. Wie können Männer es nur ertragen, geschlagen zu werden! Ich möchte um alle Schätze der Welt nicht Seemann sein; und wenn ich dafür nach fünf Jahren Königin von England werden könnte. Ich darf gar nicht daran denken, daß ich die schöne Sommerlandschaft, die Heuernte, die Felder und Blumen aufgebe für – für die Möglichkeit, zu ertrinken.«

Ich wagte nicht zu fragen, warum sie denn bei solchem Widerwillen gegen die See das Land verlassen hätte.

»Was soll ich nur anfangen, wenn ich nach Sydney komme?« sagte sie. »Sind lauter Verbrecher da?«

»Das glaube ich nicht,« antwortete ich ernsthaft.

»Gott gebe nur, daß ich glücklich wieder nach Hause komme. Ich würde niemals in einem Schiff wie dieses gesegelt sein, wenn mein Bruder nicht gesagt hätte, es würde mir gut thun. – Ah, da ist er ja. – Nun, Pfefferbüchse, ich hoffe, dein Schlaf hat dich erfrischt.«

Augenscheinlich mißfiel ihm diese Form der Anrede in meiner Gegenwart, aber er hatte Takt genug, zu lächeln; dann sagte er mit leiser Stimme:

»Du solltest nicht mit dem Mann am Steuer sprechen.«

»Das ist aber dumm. Es ist doch niemand da, mit dem ich sprechen könnte außer –« und sie machte eine Grimasse in der Richtung nach dem alten Windwärts.

Er nahm ihren Arm und führte sie weg. Es kam mir vor, als wenn er sie schalt, aber nicht unfreundlich. Jedenfalls glaubte ich zu erkennen, daß, aus welchem Stoff auch sein Herz bestand, es seiner Schwester gegenüber doch weich war.

Gleich nachdem sie ihre Strafpredigt entgegengenommen, ging sie nach unten, und ich hatte eine Stunde ungestörten Nachdenkens für mich, die ich ihr widmete.

Der Schluß, zu dem ich gelangte, war, daß sie ein frisches, ganz wunderbares Landkind wäre, wahrscheinlich eine Waise, die ihr Bruder wie ein Kettenhund bewachte, da er es plötzlich nicht länger verantworten zu können glaubte, sie unbeschützt und allein am Lande zu lassen. Vielleicht hatte er recht, wenn nämlich meine Vermutungen zutrafen; aber wollte er sie denn auf seinen Reisen mit sich umherschleppen, bis er selbst die See verließ?


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