Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Der Eremit, Daphnis und
Chloe.

                        In einem stillen Veilchenthal
Hielt Daphnis in der Myrthenlaube
Mit seiner Chloe Mittagsmahl
Und sang beym goldnen Saft der Traube
Mit ihr der Liebe Seligkeit.
Da kam der alte Bruder Veit,
Ein Eremit, den Steg herüber
Und bat das Paar um einen Stüber.
Sie luden ihn zum Nachtisch ein.
Der Siedler sprach: ich faste heute.
Sie boten ihm ein Glas mit Wein;
Er schob es ernsthaft auf die Seite;
Sie preisen küßend ihm ihr Glück,
Der Alte senket seinen Blick
Und statt der Freunde Ruf zu hören,
Verscheucht er sie durch Sittenlehren.

Der Eremit.
Das Leben, Kinder, ist ein Traum,
Der unsern sichern Geist betrüget.
Es gleicht dem bunten Seifenschaum
Der plötzlich in sein Nichts verflieget.
Was ist die Welt? . . Ein Jammerthal,
Voll falscher Lust und wahrer Qual,
Wo wir in schwarzen Finsternissen
Mit Ungeheuern kämpfen müssen.

Daphnis.
Ganz recht, das Leben ist ein Traum,
Jedoch ein Traum, den man genießet:
Es gleichet dem Champagner-Schaum,
Der kitzelt, ob er gleich zerfließet
Und mir versüßt im Jammerthal
Die falsche Lust, die wahre Qual.
Ich habe zwar schon kämpfen müssen,
Allein mit Chloen bey dem Küssen.

Chloe.
Ich wende nichts darwider ein,
Der Mensch tappt stets in Finsternissen,
Darum blieb ich nicht gern allein,
Mein Daphnis hat mich leiten müssen;
Der kleine holde Cypripor
Geht uns mit seiner Fackel vor
Und dieser wird nicht von uns weichen,
Bis wir des Traumes Ziel erreichen.

Der Eremit.
O Kinder, Kinder, glaubet mir,
Ihr lieget in der Thorheit Stricken;
Sie zeiget euch ein Lustrevier,
Wo Weise nur ein Grab erblicken.
Belehret euch, es ist noch Zeit,
Verlaßt das Meer der Sinnlichkeit
Mit seinen ungestümmen Wellen
Und flieht in heilsam strenge Zellen.

Daphnis.
Mein Freund, wer nur bey Thieren lebt,
Am Fuß des Weinbergs Wasser trinket
Und als ein Maulwurf sich begräbt,
Ist nicht so weis als er sich dünket.
Wir leben um vergnügt zu seyn;
Komm, Alter, koste meinen Wein:
Sein froher Geist soll dich bekehren
Und dich ein neues Leben lehren.

Chloe.
Wir beyde folgen der Natur;
Sieh dort in jenen dichten Schatten
O, lieber Alter, sieh doch nur
Wie sich die frommen Vögel gatten.
Wir lieben auch die Einsamkeit,
Nur ihr ist dieses Dach geweiht,
Wo wir dem Lärm der Stadt entrißen
Des Jahres schönsten Theil verküßen.

Der Eremit.
Wohlan, so schmeckt das falsche Glück
Das euern blöden Sinn bethöret!
Doch wißt, es kömmt ein Augenblick,
Der eure Lust in Graus verkehret.
Schon gräbt der Tod an eurer Gruft,
Schon rauscht sein Mordschwerdt durch die Luft,
Um mit dem Staub euch zu vereinen,
Wie gräßlich wird sein Bild euch scheinen!

Daphnis.
Ha, guter Alter, sage nur,
Ob dir der Tod noch schön geschienen?
Er ist ein Scheusal der Natur
Und das bejahen deine Minen.
Doch wenn man mich noch heut begräbt,
Wohlan, so hab ich doch gelebt.
Und du, wenn gleich der Tod dich schrecket,
Hast nur des Lebens Pein geschmecket.

Chloe.
Ich denke selten an den Tod,
Weil ich mein Leben nicht bereue
Und wenn er unsrer Freude droht,
So droht er doch nicht unsrer Treue.
Einst krönt mein Daphnis meine Gruft
Mit Rosen, deren Balsamduft
Der West ihm weit entgegen hauchet . .
Doch, Alter, sieh! Dein Glas verrauchet.

Der Eremit.
Wie? sollten sie wohl weise seyn?
Ich staune! Doch ich muß mich fassen,
So gieb mir deinen Kelch mit Wein,
Ich darf ihn nicht verderben lassen.
O, Kinder, dieser Göttersaft
Beseelet mich mit neuer Kraft.
Nun möcht ich nur noch etwas wissen:
Komm, Mädchen, komm, ich muß dich küssen.

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