Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Freundschaft und Liebe.Eine Anekdote vom Jahr 1480. Man sehe das Leben Ludwigs II de la Tremouille, in der Collection universelle des Mémoires particuliers relatifs à l'Histoire de France, Tom. XIV. p. 121.

              Noch zog kein Bart sich schwarz und rauch
Um Clodwichs Rosenwangen,
So war er schon nach Ahnenbrauch
Auf Ritterschaft gegangen.

Er hatte zweymal im Turnier
Den stärkern Feind besieget,
Und zweymal gegen das Panier
Des Leopards gekrieget.

Auch scholl sein Lob durchs Vaterland
Vom Throne der Valesen
Bis zu Bajonas Muschelstrand
Und jenseits der Vogesen.

Sein Amors-Angesicht gewann
Ihm selbst die Gunst der Feinde;
Den brävsten und den besten Mann
Gab ihm sein Herz zum Freunde.

Der Freund war Albert. Eine That
Hat höher ihn geschwungen,
Als wär sein Ruhm auf Rolands Pfad
Zum Sternenreich gedrungen.

Der traute Wonnemond erschien
Gekrönet mit Narcissen,
Und Clodwich ritt zum Freunde hin,
Bey ihm ihn zu geniessen.

Mit Albert küsset ihn sein Weib
Die junge Gabriele:
Ein Eden Gottes war ihr Leib,
Sein Cherub ihre Seele.

Erst achtzehn Sommer zählet sie,
Und kaum vor einem Jahre
Bot Albert mit gebognem Knie
Den Ring ihr am Altare.

Sein Clodwich kannte sie noch nicht.
Er bebt, als sie ihn küsset,
Und fühlt, daß über sein Gesicht
Ein Blutstrom sich ergiesset.

Ihn schmolz noch nie der Schönheit Strahl,
Nun schlug sein Herz das Zeichen.
Es soll den Kelch der Lust und Qual
Des Freundes Weib ihm reichen.

Er trinkt ihn, doch nicht er allein,
Er gab, halb ausgeleeret,
Auch ihr den Kelch mit Taumelwein,
Der Mark und Geist verzehret.

Nun spricht bald ein verstohlner Blick,
Ein Seufzer bald zur Schönen;
Sie giebt erröthend sie zurück
Und weint dann Reuethränen.

Eh würden sie dem Tod sich weihn
Als Alberts Bett beflecken,
Und lassen doch den Dorn der Pein
Im weichen Herzen stecken.

Der Gatte sieht das Paar und schweigt,
Ihn jammern ihre Ketten,
Und heitrer Glaub an Tugend zeigt
Den Weg ihm, sie zu retten.

Mein Kind, sprach er, in Hymens Arm
Zur stummen Gabriele:
Mein Clodwich leidet; stiller Harm
Zernagt ihm Herz und Seele.

Gewiß liebt er; Ließ er dich nicht,
Für wen er brennet, wissen?
Sie schluchst, ich bins, und ihr Gesicht
Verbarg sich in das Kissen.

Er herzt sie. Liebchen, schlaf in Ruh,
Ihr macht mir keine Sorgen.
So sprach er, dreht der Wand sich zu,
Und schlägt bis an den Morgen.

Sie ruht nicht, weint die ganze Nacht,
Sucht sich zum Kampf zu stärken.
Doch Albert scheint, als er erwacht,
Ihr Leiden nicht zu merken.

Bey Tisch blickt er sie freundlich an,
Und reicht ihr eine Rolle,
Und ruft, daß man den Rabican
Sofort ihm satteln solle.

Wohin, sprach Clodwich, darf ich mit
Bleib hier; zur Abendstunde
Komm ich zurück vom kleinen Ritt
Zur Muhme Fredegunde.

Schon trabt er fort; die Schöne stand
Im Fenster mit dem Lieben;
Nun öfnet sie den Brief, und fand
An Clodwich ihn geschrieben:

»Du liebst mein Weib; laß mich dein Loos,
O Freund! mit dir beklagen:
Gros wärs, vor Gott und Menschen gros,
Dem irren Hang entsagen.«

»Doch, kannst du's nicht – ihr seyd allein,
Sey glücklich! Aber wisse,
Dein Glück gebiehrt mir Todespein,
Und Euch Gewissensbisse.«

So las er. Gabriele weint;
Er bebt; in beyder Blicken
Glänzt das Gelübd, den wilden Feind
Im Busen zu ersticken.

Er jagt, gespornt von edelm Schmerz,
Dem Freund nach: springt vom Rosse:
Umarmt sein Knie; weint auf sein Herz,
Und bringt ihn nach dem Schlosse.

Die Freyin fliegt herab ans Thor;
Die Kraft, die sie erfüllet,
Strahlt durch Aurorens Rosenflor,
Der ihre Stirn umhüllet.

Mein Held, mein Freund, mein Bräutigam!
So ruft sie aus, und drücket
Ihn an die Brust; indeß die Schaam
Ihr Aug mit Thränen schmücket.

Er küßt sie weg: das seelge Paar,
Vom Freund gesegnet, feyert
Das schönste Fest, und jedes Jahr
Ward dieses Fest erneuert.

O feyert es auch, ihr Name sey
Euch heilig, junge Gatten
Der Nachwelt! Weihet jeden May
Drey Rosen ihren Schatten!


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