Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Der Morgen

An Doris.

                Aurora steht mit Rosenflügeln
Auf Tempes dunkelgrauen Hügeln
Und sät die Flur mit Perlen an.
Apollo, der sich satt getrunken,
Schlägt nun des Lichtes erste Funken
Und öfnet seine Zirkelbahn.

Ihm folgen aus den trägen Tiefen
Die Rosse, die vom Meerschaum triefen;
Ihr Wiehern schreckt der Nymphen Ohr.
Er führet streichelnd sie zusammen
Und füttert sie mit Feuerflammen
Und spannt sie seinem Wagen vor.

Schon messen sie die Himmelsstraße
Und schnauben aus der weiten Nase
Der Welt das Tageslicht herab.
Die Nacht mit der Gespenster Schwarme,
Fleucht in des todten Chaos Arme,
Das ihr das finstre Daseyn gab.

Der Mond erblaßt vor Phöbus Blicke,
Die Sterne weichen schnell zurücke
Und schon vermißt man ihre Spur.
Des lichten Äthers blaue Meere
Ersäufen ihre stolzen Heere
Und nun erwachet die Natur.

Ich höre schon, wie Philomele
Dem Schöpfer mit entzückter Seele
Ihr feyerliches Loblied singt.
Ich höre schon die muntre Biene,
Die vom bethauten Rosmarine
Den ersten Raub nach Hause bringt.

Der Löwe schüttelt seine Mähne,
Er blöckt die blutgefärbten Zähne,
Er brüllt und Echo brüllt ihm nach.
Itzt hebt er sich aus seinem Neste
Und frißt des Hirschkalbs warme Reste,
Dem er im Schlaf den Nacken brach.

Ein dumpfer Lerm vertreibt die Stille.
Der Uhu flieht; es schweigt die Grille,
Der Schäfer und der Weise wacht:
Sie schreiten mit verneuten Kräften
Zu ihren täglichen Geschäften
Und nur in Städten ists noch Nacht.

Die Schafe hören voller Freude
Den Ruf des Hornes auf die Weide,
Sie drängen sich zum Stall heraus.
Der Hahn mit einer Purpurkrone
Lockt, als ein Sultan auf dem Throne,
Die Hennen aus dem Gitterhaus.

Schon wird der Stier mit strengen Hieben
Dem schwarzen Acker zugetrieben,
Den er in krause Furchen theilt;
Indem die Kuh mit hohlem Brüllen
Ihr schlaffes Euter anzufüllen
Auf den beblümten Anger eilt.

Im ganzen Dorf ist alles rege;
Ein jeder gehet seine Wege;
Der Reisende besteigt sein Pferd:
Die Ruhe flieht aus den Gemächern,
Ein süßer Rauch steigt von den Dächern,
Nur feyrt des Junkers magrer Heerd.

Der schwarze Schmidt und sein Geselle
Stehn aufgeschürzt vor ihrer Hölle,
Der Blasbalg facht die Flammen an;
Das Eisen schimmert an der Zange,
Der Hammer fällt mit wildem Klange
Und macht den Ambos zum Vulkan.

Es hört die schlummernde Laurette
Den Ruf der Mutter in dem Bette
Und richtet gähnend sich empor;
Die Alte legt die Silberlocken
Des Flachses um den nackten Rocken
Und mißt ihr schon ihr Tagwerk vor.

Sylvander greift nach Chloens Bilde,
Die er im dunkeln Lustgefilde
An sein entflammtes Herz gedrückt;
Er seufzt, daß diese süßen Stunden
So plötzlich mit dem Traum verschwunden,
Der seinen frohen Geist berückt.

Sieh, Doris! jene Lampe sterben,
Sie scheint vor Neid sich zu entfärben,
Daß Phöbus Antlitz heller gläntzt.
Sieh', seine holden Strahlen blitzen,
Sie dringen durch des Vorhangs Ritzen,
Der unser Bette grün bekränzt.

Sein Gruß ermahnt uns aufzustehen;
Komm, laß uns zu den Blumen gehen,
Die deine sanften Hände ziehn.
Doch wird wohl Flora schöner prangen
Als du, Geliebte! deren Wangen
Trotz Lilien und Rosen blühn?


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