Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Der Schatz

                      Im fernen Königreich Leon
Liegt eine Wunderhöhle,
Von der man tausend Jahre schon
Erzählt was ich erzähle.
Es heißt: ein Zauberer verschloß
Einst einen Schatz in ihrem Schoos
Von einer Tonne Goldes.

Ihn hätte mancher gern geraubt;
Jedoch ein schwarzer Drache,
Ein Bastart Satans, wie man glaubt,
Hielt vor der Höhle Wache,
Und wollte sich ein Kämpfer nahn,
So ward er stracks an seinen Zahn
Wie ein Kapaun gespießet.

Dieß hörte Junker Theogan
Aus Rhätiens Gebirgen
Und warb zweyhundert Reuter an,
Das Unthier zu erwürgen.
Mit diesem Heere trabt der Held
Drey Monden lang durch Thal und Feld
Und wechselt manchen Gulden.

Der letzte war bereits verzehrt,
Als er den Ort erblickte
Und mit den Seinen, wohl bewehrt,
Sich froh zum Kampfe schickte.
Sie fielen mit vereintem Muth
Den Lindwurm an, der Höllenwuth
Aus seinen Augen sprühte.

Doch manches Schwerdt und mancher Spieß
Zerbrach auf seinem Rücken,
Und manchen tapfern Knappen riß
Der Cerberus in Stücken.
Schon war ein Schock des Todes Raub,
Und vierzig ächzten lahm im Staub,
Als Theogan ihn fällte.

Von Blute triefend hob der Held
Den Schatz von seinem Posten:
Er fand an schönem baarem Geld
Just seine Reisekosten,
Und überdieß in einem Schrein
Ein kleines Faß von Brandtewein,
Die Wunden zu verbinden.


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