Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Das Götzenbild.

        In einem Tempel der Mogolen
Ward sonst mit großem Pomp ein Götzenbild verehrt;
Von Delhis prächtigen Idolen
Das prächtigste. Sein Schmuck war Millionen werth.
Er saß auf einem hohen Throne,
Von Perlen starrte sein Gewand;
Um seinen Scheitel schlang sich eine Demantkrone,
Ein Zepter wuchs aus seiner Hand
Und unter seinen Füßen stand
Als Schemmel eine goldne Sphäre.
Einst fuhr der Geist der Reformation
(Ein seltnes Phänomen) in der Braminen Chöre.
Sie glaubten, trotz der Protestation
Des warnenden Dekans, daß es weit edler wäre,
Statt des geschmückten Gotts, ein nacktes Bild von Thon
Zum Dienst des Volkes anzusetzen
Und mit den unfruchtbaren Schätzen
Den ärmern Theil der Nation
Durch milde Gaben zu beglücken.
Der Pflastertreter Zunft und der Poeten Schwarm,
Zwo Casten oft gleich faul und öfter noch gleich arm,
Beklatschten den Entschluß mit brausendem Entzücken.
Nun ward das goldne Bild mit seinem Schmuck zerlegt
Und zu Dukaten umgeprägt.
An seine Stelle kam auf einem niedern Heerde
Von lockerm Tuf ein Gott von Pfeifenerde.
Vortreflich! rief der Philosophen Schaar
Und gieng mit steifem Knie vorüber,
Doch gar kein Bild wär uns noch lieber.
Bey Gott! die Herren reden wahr,
Rief hier ein Stutzer aus und dort ein Eselstreiber.
Indessen lockte noch der flache Rauchaltar
Die Pilger und die Bettelweiber,
Bis nichts mehr auszuspenden war.
Nun sah man schnell der Andacht Flamme schwinden.
Das Volk empfand der Einfalt Reiz nicht mehr;
Es freute sich sogar aus hundert schönen Gründen
Den Thongott lächerlich, den Tempel kahl zu finden,
Und nach drei Monden stand er leer.
Nun hielt man ein Concil: der Nestor der Braminen
Rief: Brüder! meine Furcht trift ein;
Traun! um die Huldigung der Menge zu verdienen
Muß ein Idol geschmückt und hoch erhaben seyn.

Gilt nicht der Satz, den der Dekan empfohlen,
Auch von politischen Idolen?


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