Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Susette.

                  Ein junges Weib aus Tivoli
IN Algier Sclavin ward.
Ein rascher Aga kaufte sie
Und strich sich froh den Bart.

»Kind, sprach er, trotz den Houris schön,
Hemm deiner Thränen Lauf!
Du sollst heut mit mir schlafen gehn;
Nimm diesen Kuß darauf.«

Susette war der Heilgen gleich
Die ihr den Namen gab:
Sie zieht ihm einen Backenstreich
Und wischt den Kuß sich ab.

»Das leid ich nicht, beym Mahomet!«
Rief ihr der Türke zu.
»Ha schluchzt die Schöne, dein Prophet
War just ein Bock wie du!«

Ein wilder Derwisch stand dabey
Und hört die Blasphemie:
Er schleppt sie schäumend vor den Dey
Und klaget wider sie.

Der Dey war leider nicht mehr jung,
Er sprach mit frommem Graus:
»Man schneide für die Lästerung
Die frevle Zung ihr aus.«

Gesagt, gethan! Susette war
Nun ein Märtyrin,
Und oben drein verdammt, ein Jahr
Den Schellenkarrn zu ziehn.

Sie bog gedultig sich ins Joch,
Trug wie ein Lamm ihr Kreutz,
Und wer sie sah, den rührte noch
Im Zwilchgewand ihr Reitz.

Das Jahr verstrich. Durch Quaal und Spott
Gieng seine träge Bahn:
Und nun flog ein Maschinengott
Zu ihrem Trost heran.

Ihr Mann, der auch die Kette trug,
Schriebs an den Pabst nach Rom.
Der heilge Vater ohn Verzug
Berief den Mönch Pachom.

Er zählte tausend Kronen baar
Dem Pater in den Schooß
»Geh, sprach er, mach das fromme Paar
Vom Joch der Türken los.«

Dreymal bückt sich der Pater tief,
Und schnell wie Habakuk
Eilt er auf ein Anconerschiff,
Genannt Sanct Nepomuk.

Pachom lief ohne Fährlichkeit
Im Port von Algier ein,
Und fand den Weg in kurzer Zeit,
Das Ehpaar zu befreyn.

Von Hut und Haube bis zum Strumpf
Neumodisch ausstaffiert,
Der Pater sie nun im Triumph
Zum guten Urban führt.

Sie küssen weinend ihm die Schuh
Voll heisser Dankbegier.
Gerührt sieht er dem Weiblein zu
Und gibt den Segen ihr.

»Geht holt von einem Märtyrer,
Aus dem Duplettenschrein,
Geschwind mir eine Zunge her
Und passet ihr sie ein.«

So sprach der Pabst. Man bringt zur Stund
Das Heiligthum ihm dar:
Und kaum lagt man's ihr in den Mund,
So schwatzt sie wie ein Stahr.

Nun gieng erst recht der Jubel an:
Ganz Rom hallt Urbans Ruhm.
Doch nach drey Tagen rief der Mann:
»O wär mein Weib noch stumm!«


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