Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Diogen.

              Als mit der Leuchte Diogen,
Um einen Menschen auszuspüren,
Durch alle Gassen von Athen
Umherzog, stieß ihm an den Thüren
Des Tempels der Barmherzigkeit
Ein Priester auf: Herr, eine Gabe,
Rief Diogen; nur einen Deut,
Daß ich mein schwaches Alter labe!
Mein Seegen gnüge dir mein Sohn,
Versetzt der Pfaff und schleicht davon.
Der Pilger trat vor einen Laden
Voll Spangen, Fächern und Pommaden
Und sprach zu einem schönen Weib:
Ihr kauft so viel zum Zeitvertreib,
Madam, wollt ihr nicht auch des Armen,
Der bald verhungert, euch erbarmen?
Mich jammert, sprach sie, deine Noth,
Da kaufe dir ein Gerstenbrod.
Sie sprachs und gab im Augenblicke
Dem Krämer zwanzig Silberstücke,
Für ihres Möpschens Halsband hin.
Der Weise kratzt sich in den Haaren
Und geht. Der Prinz von Salamin
Kam eben in die Stadt gefahren.
Diogenes lief zu ihm hin;
Er hieng sich an den goldnen Wagen.
»Halt, Sohn der Götter, höre mich!«
Fort, Schlingel, hieß es, packe dich;
Sonst laß ich dich zu todte schlagen,
Ein Sklave, der von ferne stand,
Sprang auf und riß mit edler Hitze
Den Alten weg und seine Hand
Warf ihm zween Heller in die Mütze.
Ihr Götter! rief der weise Mann,
Mehr als ein König geben kann,
Gab dieser mir, nun sterb ich gerne:
Er weint, und löschte die Laterne.

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