Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Die Reichsgeschichte
der Thiere.

            Die Tiere lebten viele Jahre
In friedlicher Demokratie;
Doch endlich kamen sie einander in die Haare,
Und ihre Republik versank in Anarchie.
Der Löwe machte sich den innern Streit zu Nutze
Und bot sich ohne Sold dem kleinen Vieh,
Als dem gedrückten Theil, zum Schutze,
Zum Retter seiner Freyheit an.
Er wollte blos des Volkes Diener heißen,
Und brauchte weislich seinen Zahn
Im Anfang nur die Räuber zu zerreißen.
Als dies die frohen Bürger sahn,
Ernannten sie zum wohlverdienten Lohne
Den Diener feyerlich zum Chan,
Versicherten die Würde seinem Sohne,
Und gaben ihm die Macht die Ämter zu verleihn,
Um kräftiger beschützt zu seyn.
Nun sprach der neue Fürst aus einem andern Tone:
Er gürtete sein Haupt mit einer Eichenkrone,
Enthob Tribut, und wer ihm widerstand,
Fiel als Rebell in seine Pranke.
Der Tieger und der Fuchs, der Wolf, der Elephant
Ergaben sich aus List, und jeder ward zum Danke
Zum königlichen Rath ernannt.
Itzt halten sie dem Chan die schwächern Thiere hetzen,
Bekamen ihren Theil an den erpreßten Schätzen,
Und raubten endlich trotz dem Chan.
Ha, rief das arme Volk mit tiefgesenkten Ohren
Und mit geschundner Haut, was haben wir gethan! –
Allein der Freiheit Kranz war nun einmal verloren,
Der Löwe war und blieb Tyrann;
Er ließ von jedem Thier sich stolz die Pfote lecken,
Und wer nicht kroch, der mußte sich verstecken.

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