Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Der Bär und der Löwe.

An den Erbprinzen von Isenburg.

      Mein Prinz, bey jedem Zug der Gnade,
Der dir entstrahlt, denk ich entzückt:
Er wallt auf seines Vaters Pfade,
Der wie ein Gott sein Volk beglückt.
Dein Herz ist gros: aus Hermanns Lenden
Stammt keins, dem es an Wärme weicht.
Nur werd es nie in deinen Händen
Zur Dose, die man jedem reicht.

Zur Zeit des alten Chronos blühte
Ein König auf der Thiere Thron,
So zahm, so mild, so voller Güte,
Als je des frömmsten Lammes Sohn.
Nichts, als belohnen und vergeben
War dieses Fürsten Leidenschaft;
Auch ward in seinem ganzen Leben
Kein Frevler mit dem Tod bestraft.

Auf einem Zug durch seine Reiche
Traf einst der thierische Trajan,
Im Schatten einer hohlen Eiche,
Den ältesten der Bären an.
Man rühmte diesen Eremiten;
Er war die Fackel seiner Zeit,
Von strengen, aber rauhen Sitten
Und gar kein Freund von Höflichkeit.

Der Großherr sprach zum finstern Greise:
Ich habe viel von dir gehört;
Man sagt du seyst der gröste Weise,
Und ich erkenne denen Werth;
Komm, folge mir nach meinem Schlosse;
Der Wechsel wird dich nicht gereun,
Du solst mein Freund, mein Tischgenosse
Und mein geheimer Staatsrath seyn.

Ich danke dir für deine Gnade,
Erwiedert ihm der Philosoph,
Denn die genießt in gleichem Grade,
Der arge Fuchs an deinem Hof.
Ein Schloß, das Buben in sich fasset,
Hat für den Weisen keinen Glanz,
Und wer nicht ganz das Laster hasset,
Der liebt die Tugend auch nicht ganz.


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