Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Der Reformator.

                        Dem Affen kam es unbegreiflich vor,
Daß von dem ganzen Götterchor
Kein einziger so klug und so gerecht gewesen,
Ihn für den Pfau, den Adler oder Spatz,
Und wenigstens doch an der Eule Platz,
Zu einem Günstling auszulesen.
Er schüttelte den Kopf, ward erst ein Pirrhonist
Und endlich gar ein Atheist.
Ein langer Umgang macht auch mit Chimären
Den Geist vertraut. Er ordnet seine Lehren
In ein System und fasset mit der Zeit
Den edlen Vorsatz, aus Barmherzigkeit
Das ganze Thierreich zu bekehren.
Schon kam der neue Philosoph
Mit ernstem Schritt an des Monarchen Hof.
Er wußte wohl, daß sich in Moden und in Pflichten
Die Völker nach den Fürsten Richten,
Und daß den goldnen Spruch: »Kein Ding ist unerlaubt«
Ein Potentat am ersten glaubt.
Der Löwe wollte gleich ein großes Bußfest halten,
Weil Gras und Korn mißrathen war;
Mit tiefgesenktem Haupt, umringt von Jung und Alten,
Bracht er dem Zevs ein Opfer dar.
Der Philosoph ergrimmt und will es muthig wagen,
Mit seinem großen Schwerdt den ersten Streich zu schlagen.
Er drängt mit stolzem Blick sich in die bunte Schaar
Und macht ein Dutzend freche Glossen
Auf diese frommen Kinderpossen.
Der Bär brummt in den Bart, der Tiger lacht ihn an;
Allein der Elephant, ein alter Feind der Affen,
Erhascht den aufgeblasnen Laffen
Und schlept ihn als Vezier zum Grossultan.
Itzt höret man den kecken Pavian,
Gleich einem Cicero vor dem Monarchen sprechen;
Er wünschet als ein Philosoph
Dem König und dem ganzen Hof
Den Staar des Vorurtheils zu stechen.
Noch mehr: der Held verspricht dem dummsten Rind
Flugs darzuthun, daß keine Götter sind.
Nun redet er in abgezognen Schlüssen
Vom ersten mystischen Atomenmeer,
Aus dessen schwangern Finsternissen
Uns blos ein blindes Ungefehr
Und kein erträumter Zevs gerissen;
Ein Meer, auf welchem uns ein Wirbel oben hält,
Bis wir nach kurzer Frist, wie Seiffenschaum zerrinnen,
Um fern von Tartarus und Elisäerfeld,
Den Todesschlaf von neuem zu beginnen.
Er schweigt. Monarch und Volk, bis auf die Clerisey,
Die stets die freye Wahrheit tadelt,
Stimmt ganz entzückt, mit gräslichem Geschrey,
Dem so bequemen Glauben bey.
Kurz, Meister Affe wird geadelt
Und des Monarchen milde Hand
Schwingt schon dem trauten Gast ein blaues Ordensband,
Beschwert mit einem goldnen Schlüssel,
Um seinen Hals. Doch schnell ergreift der Elephant
Den neuen Kammerherrn mit seinem Rüssel
Und eh er noch um Hülfe ruft,
So schwebt er schon ein Haus hoch in der Luft
Reif ins Atomenmeer zurück zu fliessen,
Stürzt er zerfetzt zu seines Feindes Füssen.
Hilf Jupiter, wie raßt des Löwen Majestät,
Wie sträubt sich seine falbe Mähne!
Sein Auge flammt als ein Comet,
Er blöcket die geschärften Zähne
Und brüllt dem Staatsminister zu:
Was, Bösewicht, so frech bist du
Dich an dem Freund, auf den wir unsre Gnade häufen,
Vor unsern Augen zu vergreifen?
Itzt fällt er knirschend auf ihn her;
Allein der Großvezier setzt lachend sich zur Wehr
Und ruft aus vollem Hals, daß es die Völker hören:
Du glaubest keinen Zevs, ich keinen König mehr.
Der Sultan schäumt und winkt dem Tiger, Wolf und Bären
Den Erzrebellen zu verzehren.
Doch jeder merkte sich des Elephanten Spruch
Und lacht den König aus und schwört bey seiner Ehre,
Daß er so gut als dieser Löwe wäre.
Der Wolf erfrechet sich mit einem schweren Fluch,
Der Majestät zum Trotz, den Widder zu zerreißen
Und sein Gevatter Fuchs die Henne todt zu beissen.
Kurz, dieser Tag gebahr die Anarchie,
Das Faustrecht und den Krieg, der noch im Staate wüthet:
Und so hat die Philosophie,
So gut als die Theologie,
Schon manches Unheil ausgebrütet.

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