Gottlieb Conrad Pfeffel
Poetische Versuche
Gottlieb Conrad Pfeffel

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Zweytes Buch

Theone

An Serena.

                  Erast, den stiller Mangel drückte,
Saß einst beym blaßen Mondenschein
Von Gram entnervt im Lindenhayn,
Der seines Fürsten Garten schmückte,
Und fühlte schlummernd noch die Pein
Der schwärzern Zukunft, die ihn schreckte;
Als ihn im nächsten Bogengang
Das Ächzen eines Mädchens weckte.
Ach! rief sie schluchzend, Gott wie lang
Verbirgst du dich! Du hast gehöret
Was dieser Reiche für das Brod,
Wodurch er meines Vaters Noth
Erleichtern will, von mir begehret.
Erasten schwoll das Herz, er zog
Sein letztes Geld heraus und flog
Damit zur göttlichen Theone.
Nimm, sprach er weinend, ich bin arm
Und fodre nichts, als deinen Harm
Zu theilen. »Ha, mein Vater! lohne
Gott seiner Tugend!« Wie? mein Kind! –
Sie wars. Er küsset jede Thräne,
Die von der schönen Wange rinnt
Entzückt hinweg. O feyrt die Scene,
Ihr Engel, sie ist euer werth!
Doch plötzlich wurden sie gestört.
Der edelste der Erdensöhne,
Philint, der alles angehört,
Sprang aus dem Busch: Erhabne Seele,
Rief er ihr zu, die treuste Hand, –
Wo nicht – mein halbes Gut zum Pfand
Der ehrfurchtsvollsten Freundschaft – wähle!

Du, die Theonens Geist beseelt,
Serena, reich an edeln Thaten,
Dein Herz wird ohne mich errathen,
Was sie gefühlte und gewählt?


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