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Die Einheitsfront der Arbeiterparteien

Wir haben an eine Anzahl Politiker folgende drei Fragen gerichtet:

Erstens: Glauben Sie daß die Übernahme der politischen Macht durch die Nationalsozialisten nahe bevorsteht, und daß die kommende Regierung der Nationalsozialisten sich über bestehende Verfassungsgesetze, von moralischen Hemmungen nicht zu sprechen, glatt hinwegsetzen wird?

Zweitens: Halten Sie es nicht für das dringende Gebot der Stunde, daß Sozialdemokraten und Kommunisten, unbeschadet prinzipieller Gegensätze, ungesäumt eine gemeinsame Kampforganisation zum Schutze der Arbeiterschaft im ganzen, sowie lebensbedrohter Einzelner ins Leben rufen?

Drittens: Wären Sie bereit, mit Ihrer Person und Ihrem Namen sich für eine solche überparteiliche, schlagfertige, sozialistische Dachorganisation zur Abwehr des nationalsozialistischen Bürgerkrieges einzusetzen?

Darauf haben wir bisher folgende Antworten erhalten:

Carl von Ossietzky

  1. In keinem anderen Lande als Deutschland wäre es eine schwer zu beantwortende Frage, ob die größte Partei an die Macht kommt oder nicht. Wahrscheinlich stehen jetzt monatelange Koalitionsverhandlungen zwischen Zentrum und N.S.D.A.P. bevor, deren negativer Ausgang die faschistische Gefahr nur vergrößern könnte. Ein nationalsozialistisches Regime im Reich oder in Preußen aber würde viel robustere Formen annehmen als das in Braunschweig. Ich bezweifle allerdings, ob Verfassungsverletzungen noch notwendig sein werden, nachdem die gegenwärtige Regierung von der Verfassung nur noch den Artikel 48 übrig gelassen hat. Warum sollen die Rechtsradikalen unter diesen Umständen das Odium der Illegalität auf sich nehmen? Der Mehrzahl der Beamten wird die Unterwerfung nicht schwer fallen, die Justiz wird nicht ungefällig sein.
  2. Es ist nicht eine Verschmelzung der sozialistischen Parteien anzustreben, sondern die operative Gemeinschaft, ein Kartellverhältnis. Zu diesem Zweck ist ein Kampfkomitee zu schaffen, das die Führer an den Verhandlungstisch bringt und die Aussprache von Partei zu Partei vorbereitet. In den Block der Arbeiterparteien gehören auch die verschiedenen Sezessionsgruppen, in denen sich wertvolle Kräfte unnütz verzehren. Was die beiden großen Parteien trennt, ist nicht zu unterschätzen. Aber der Opportunismus der einen hat sich heute ebenso festgerannt wie der Radikalismus der anderen. Beide Parteien sind in gleichem Maße zur Revision ihrer bisherigen Haltung genötigt.
  3. Ja, ja und nochmals ja!

Montag Morgen, 9. Mai 1932


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