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Dank vom Hause Hindenburg

Die republikanischen Wähler Hindenburgs haben ihren Lohn weg. Kaum eine Woche nach der Wiederwahl des Herrn Reichspräsidenten wird der Öffentlichkeit ein Brief von ihm an den Reichsinnenminister übergeben, in dem anknüpfend an das Verbot der SA. verlangt wird, daß auch die von andern Parteien unterhaltenen ähnlichen Organisationen der gleichen Behandlung verfallen sollen. Das ist für die gesamte Rechte und ihre Anhängsel das Stichwort, das Verbot des Reichsbanners Schwarzrotgold zu fordern. Der Reichspräsident beruft sich dabei auf ihm übergebenes Belegmaterial, das, wie sich bald herausstellt, vornehmlich aus Zitaten der deutschnationalen ›Berliner Börsenzeitung‹ stammt. Der Reichspräsident wünscht Prüfung unter Berufung auf seine Pflicht, sein Amt unparteilich auszuüben und die gleichmäßige Anwendung der Gesetze zu überwachen.

Wir leben in einem wohlgeordneten Staate. Das Gesetz, das, nach Anatole France, in seiner majestätischen Gleichheit, den Armen wie den Reichen verbietet, um Brot zu betteln und nachts unter den Brücken zu schlafen, dieses Gesetz gebietet auch die gleichmäßige Behandlung der Loyalen wie der Aufsässigen, die Entwaffnung aller, die für wie gegen die Regierung die Hand erheben. Wie der Prinz von Homburg vor ein Kriegsgericht kommt, weil er in einer den Vorschriften widersprechenden Weise gesiegt hat, so wird das Reichsbanner mit der Auflösung bedroht, weil es sich, ohne befugt zu sein, die Verteidigung des Staates und seiner Verfassung angemaßt hat. Wenn der Staat seine Feinde unterwerfen oder vor ihnen kapitulieren will, so geht das nur seine zur Wahrung der Autorität beamteten Hüter an. Die Untertanen haben da nicht dreinzureden.

Die Bekanntgabe des Hindenburgbriefes hat einen Konflikt geschaffen, dessen Maße und Ausgang sich noch nicht übersehen lassen. Zweifellos handelt es sich um eine neue Verschwörung zum Sturze der gegenwärtigen Regierung und zur Herbeiführung eines Rechtskabinetts. Vielleicht gelingt es Brüning auch, das Ärgste abzubiegen und eine allgemeine Krise zu verhindern. Unabhängig von dem Abschluß dieser Episode aber steht die nicht fortdiskutierbare Feststellung, daß die erste merkbare Handlung des wiedergewählten Reichspräsidenten eine Abschüttelung seiner republikanischen Wähler bedeutet. Das ist der Dank des neubestätigten Reichsoberhauptes an diejenigen, die zum großen Teil mehr der Parteidisziplin als der innern Überzeugung folgend, seinen Triumph vom 10. April ermöglicht haben. Ohne die Eiserne Front wäre die Kandidatur Hindenburg von Hitlers SA. einfach in die Masurischen Sümpfe gefegt worden.

Die Quittung, die die gutgläubigen Republikaner erhalten, ist streng aber nicht ungerecht. Gegen soviel Dummheit gibt es nur Stockprügel. Sie haben, ohne zu fragen, ohne zu fordern, für einen Mann gekämpft, der gefühlsmäßig zur andern Seite gehört und nach seiner ganzen Vergangenheit nichts andres sein kann als ein konservativer Militär. Sie haben den Wahlkampf so geführt, als ginge es nicht um einen Menschen, der Politik, also Menschenwerk, zu verrichten hat, sondern um eine Gestalt aus der heroischen Legende. Sie haben nicht den Präsidenten einer demokratischen Republik gewählt, sondern einen unumschränkten Monarchen. Alle Vollmachten, die sie ihm jubelnd und kritiklos mitgegeben haben, kehren sich nun in ihrer ganzen Schwere gegen sie selbst.

Die republikanischen Blätter, denen der Schreck in die Knochen gefahren ist, suchen die Veröffentlichung des Briefes auf eine Intrige unkontrollierbarer Elemente zurückzuführen. Uns scheint die Frage, was mit dem Briefe gemacht wurde, weniger wichtig zu sein als die andre, wie er überhaupt geschrieben werden konnte. Herr von Hindenburg mag der richtige Präsident für Deutschland sein, das soll nicht bestritten werden, jedenfalls hat er nicht die richtigen Wähler gefunden, das dürfte wohl selbst der sozialdemokratischen Parteizentrale heute einleuchten.

Die Republik setzt die absolutistischen Traditionen der wilhelminischen Zeit fort. Die Kaiserreden, die Daily-Telegraph-Affäre fanden immerhin noch stürmischen Widerspruch. Der Monarch von Gottes Gnaden stand nicht so unangefochten da wie der Präsident der Republik, den ein neues Byzantinertum auf Goldgrund setzt und dem es ein Szepter in die Hand drückt. Dauer und Festigkeit sollten durch die Wiederwahl Hindenburgs verbürgt werden. Heute, zwei Wochen nach dem 10. April, weht schon wieder Krisenluft, und der Wiedergewählte selbst gefährdet das Regime, zu dessen Erhaltung er gewählt wurde. Wir wissen von dem Vorhandensein einer Kamarilla, aber wenig von ihrer Zusammensetzung. Unsichtbare Hände greifen in das Geflecht der offiziellen Politik ein und versuchen Hitler, den vorn Hinausgeworfenen, über die Hintertreppe zurückzuführen.

Ein hoher frankfurter Richter hat dieser Tage mit der gewinnenden Offenheit, die diesen unabhängigsten aller Stände auszeichnet, den Herrn Reichspräsidenten als zu bejahrt für sein schweres Amt bezeichnet. Von einem Manne in diesem Lebensalter sei kein selbständiges Urteil mehr zu erwarten, das sei gegen die Natur. Wir haben wiederholt der gleichen Meinung, wenn auch etwas dezenter, Ausdruck gegeben, da wir nicht so gut gegen den Zugriff des Gesetzes gesichert sind wie ein richterlicher Beamter. In der Tat wird damit aber nur eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen. Hindenburg, der ohnehin Politikfremde, ist von einer Clique blockiert, die Förderung des Fascismus meint, wenn sie ihm »gleichmäßige Anwendung der Gesetze« anrät.

Selten ist ein Siegesrausch so unvermittelt in den Kater übergegangen wie der nach dem 10. April. Wer aber soll jetzt die traurige Wahrheit sagen? Die ganze Linke ist mitschuldig. Die Führer sind die Gefangenen der eignen Propagandaphrasen, sie können den Massen nicht eröffnen, daß diese Hindenburgwahl ein Fehler war, dessen erste Folgen schon eine Woche später sichtbar werden.

Die Weltbühne, 26. April 1932


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