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Ein Mädchen fliegt nach Afrika

Ein Mädchen ist nach Afrika geflogen und nach vielen Strapazen und Gefahren und einigen Tagen atembeklemmenden Schweigens, die sich bei allen von der Presse veranstalteten schwierigen Expeditionen mit pedantischer Pünktlichkeit wiederholen, durch die Luft wieder zurückgekehrt. Eine wunderbare sportliche und technische Leistung. Three Cheers for Elli Beinhorn!

Aber einigen unsrer geschätzten Kollegen von der Presse hat der Erfolg der blonden Elli im kleinen Klemm erheblich den Kopf verdreht; sie sehen darin nämlich einen rauschenden Triumph der weiblichen Gleichberechtigung: »Vor Ihnen sind andre Mädchen in die Welt geflogen ... Alle haben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, jede von ihnen war eine Kämpferin gegen den Hochmut der männlichen Welt, die auch die Luft in ihr Privileg einbezogen hatte.« Hier waltet ein Mißverständnis. Elli Beinhorn ist ja nicht in die Luft geschickt worden, um dort die privilegierten Männer zu verjagen, sondern um über ihre Fahrt in einer Artikelserie zu berichten. Man begnügte sich nicht mit Telegrammen wie: 17.40 Uhr ab Timbuktu, sondern man verlangte ausgewachsene Feuilletons von ihr. Sie muß danach also als Journalistin betrachtet werden. Und sie hat ihre Reise in weniger komfortablen Formen und unter schwierigeren Bedingungen durchführen müssen als irgend einer ihrer männlichen Kollegen.

Die Presse sendet jährlich unendlich viele Herren auf schöne und weite Reisen, und diese Herren haben durchweg nicht viel Belangvolles zu vermelden. Wenn aber einmal eine Frau auf die Fahrt geschickt wird, um nichts Klügeres oder Dümmeres zu schreiben als die meisten der Herren auch, so verlangt man von ihr sofort etwas besonders Halsbrecherisches, einen Rekord in sportlicher Tüchtigkeit, Körpertraining und physischem Mut, während von ihren Kollegen, die sich auf dem Liegestuhl des Passagiers erster Kajüte aalen, nichts verlangt wird als ein Rekord in der Beharrlichkeit, tausendmal Geschriebenes zu wiederholen. »Ihr Vaterland konnte Ihnen nichts mitgeben als seine guten Wünsche«, ruft unser oben zitierter Freund von der ›B.Z.‹ pathetisch aus. Hoffentlich hat sich der Verlag spendabler gezeigt. Jeder männliche Journalist würde es als verrückte Zumutung ablehnen, sich an den Platz, wo schriftstellerische Impressionen wachsen, in einem fragilen kleinen Klemm zu begeben oder in einem alten Fordwagen übers Himalaja zu rasseln oder im Paddelboot nach Amerika zu gondeln. Nur für die Frau, die in dieser gesegneten Branche siedeln will, wird ein kleiner Ozeanflug allmählich zum normalen Befähigungsnachweis. Um ein paar durchschnittliche Zeitungsartikel anzubringen, muß sie zunächst ihre heilen Knochen riskiert haben. Sonst ist sie überhaupt nicht diskutabel. Und damit nicht genug! »Immer wenn Ihr Flugzeug gelandet war«, so singt Ellis Rhapsode weiter, »haben Sie sich in einen Winkel zurückgezogen und das Kleidchen geplättet oder die Strümpfe gestopft.« Dott, wie süsch! Lieber Kollege, ich weiß nicht, ob Sie es als naturnotwendige Begleiterscheinung Ihres Berufes betrachten würden, wenn sie nach einem »furiosen Marsch durch die Wüste« und »Flucht vor der Lepra« irgendwo im Schatten einer Negerhütte ihre Socken stopfen oder sich die Falten aus dem Hosenboden bügeln sollten.

Und das ist der Humor von der Gleichberechtigung der Frau: Nach einem wahnwitzigen Zwanzigstundenflug, der mit Ölrohrbruch im Dschungel endet, muß sie sich hinsetzen und sich wieder hübsch weiblich betätigen. In summa: Ein Mädchen fliegt allein nach Afrika, aber die Herren fahren unten im Pullman-Car.

Die Weltbühne, 5. Mai 1931


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