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[Antworten] Freund der Weltbühne

Da in dem Prozeß, der zurzeit in Leipzig gegen unsern Mitarbeiter Kreiser und mich stattfindet, zur Stunde eine Entscheidung noch nicht gefallen ist und ich auch sonst aus einem bestimmten Grunde noch nicht in der Lage bin, Ihnen etwas Neues mitzuteilen, muß ich Sie einstweilen mit einem Artikel vertrösten, der am 17. November in den ›Bremer Nachrichten‹ erschienen ist und zu dem Fall in höchst patriotischer Eindringlichkeit Stellung nimmt. Leider bin ich nicht in der Lage alles abzudrucken, was der Verfasser, Herr René Kraus, sagt. Was ist die Weltbühne? »Außerhalb eines engen Literaturklüngels dürfte man diese Gazette, die sich nicht genieret, kaum dem Namen nach kennen.« Wenn das Reichswehrministerium dennoch gegen die ›Weltbühne‹ vorgeht, »so hat das seinen guten Grund: die Nichtigkeit ihrer Verhetzung und Verleumdung wird im gegnerischen Ausland maßlos aufgebauscht und als Material gegen Deutschland verwendet!« Wer bin ich? »Gentleman-Verbrecher? Ach, der kleine Herr von Ossietzky, Herausgeber der ›Weltbühne‹ – der sich übrigens um keinen revolutionären Preis der Welt von seinem Adelstitel trennen würde – hat so wenig Ähnlichkeit mit den unwiderstehlichen Filmhochstaplern, die einer an Kitsch und Fritsch geschulten Phantasie als Gentleman-Verbrecher erscheinen mögen! Von der Verräterromantik, mit der dieser Typ sich gar zu gern umgeben möchte, bleibt schließlich doch nur das entschleierte Bild des Denunzianten, von dem die alte Spruchweisheit sagt: Der größte Schuft im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant ...« Also was, in Dreiteufelsnamen, ist nun denunziert worden? »Diesmal haben sie die deutsche Luftfahrt denunziert, und das ist die ›kleine‹ Unachtsamkeit, die sie vor das Reichsgericht bringt.« Wer hat denunziert? »Heinz Jäger nannte sich der Schwächling. Daß ein ›wackerer‹ Mann, unerschrockener Vorkämpfer des Vaterlandsverrats, sich hinter einem Pseudonym verbirgt und erst durch das Ergebnis polizeilicher Haussuchungen zum Bekenntnis zu seinem eignen Werk gezwungen werden kann, ist – nebenbei bemerkt, selbstverständlich! Dieser angebliche Heinz Jäger ... heißt, wie die Vorermittlungen ergaben, Walter Kreiser. Er gilt in seinen Kreisen als Flugsachverständiger, nachdem er eine Zeitlang in Johannisthal gearbeitet hat. Er selbst, der Denunziant, nennt sich: Etatskritiker.« Was hat dieser Mensch nur getan: »Dieser Walter Kreiser also unternimmt es, die deutsche Luftfahrt zu verzinken, um bei der Ausdrucksweise der ›Gentleman-Verbrecher‹ zu bleiben. Seine Verleumdungen strotzen von Ignoranz und sachlichem Unwissen. Das nebenbei. Von keinerlei Kenntnissen der wirklichen Vorgänge und Verhältnisse belastet, wirft er der Deutschen Lufthansa eine Art Prestige-Wahn und Verkehrs-Imperialismus vor, Anwürfe, die zu grotesk sind, als daß sie überhaupt einer Entgegnung bedürften. Jeder Kundige weiß, selbst wenn er nicht grade Finanzsachverständiger und Etatskritiker von Berufung ist, daß die Lufthansa mit ihren viel zu knapp bemessenen Mitteln in Wahrheit äußerste Sparsamkeit zu pflegen gezwungen ist. Wenn sie trotzdem im engen Rahmen ihrer Möglichkeiten außerdeutschen Luftverkehr unterhält, so erfüllt sie damit nur ihre Pflicht, sich in den Dienst der deutschen Weltwirtschaft zu stellen. Der Pamphletist wirft ihr vor, sie verzettele ihre Subventionen (also deutsche Steuergelder) im Ausland, lediglich, um die deutsche Flagge in der Welt zeigen zu können. Abgesehen von der hundertfach erwiesenen Tatsache, daß die deutsche Flagge in der Welt – in der Luft wie auf dem Wasser – die wirksamste deutsche Industriepropaganda bedeutet, bleibt sachlich festzuhalten, daß die deutsche Luftflagge sich nur dort zeigt, wo sie den Bedürfnissen des deutschen Außenhandels praktisch dient.« Die wirksamste deutsche Industriepropaganda bleibt die Qualität, Tinneff mit der Handels-Gösch wird nicht begehrt; doch das nebenbei. »Solche Schmähungen, die sich der Pamphletist leistet, stellen aber nur eine Art Einleitung zu jenem literarischen Landesverrat dar, dessentwegen er und seine Spießgesellen von der ›Weltbühne‹ sich nun vor dem Reichsgericht zu verantworten haben. Sie behaupteten ein Zusammenwirken zwischen der Lufthansa und gewissen militärischen Stellen, das gegen das Diktat von Versailles verstieße. Man würde den ›Gentleman-Verbrechern‹ ruhig den Ruhm der Gralshüter von Versailles gönnen – um den sie mit Herrn Poincaré, wenn auch durchaus verschiedenen Charakters, konkurrieren –, wäre nicht die Gesamtheit ihrer angeblichen Enthüllungen pure Verleumdung im Dienste des Feindes. Über diesen Komplex soll aus begreiflichen Gründen öffentlich nicht gesprochen werden, bevor das Reichsgericht geurteilt hat.« Und da schließlich nicht Alldeutschland aus Lesern der ›Bremer Nachrichten‹ besteht, so muß vorbeugend bemerkt werden: »Eine Feststellung aber darf sich die Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang nicht versagen: die Landesverräter nehmen nicht allein ein vorgetäuschtes Recht auf Etatskritik, sondern auch ihr Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit in Anspruch ... Die Zumutung, uns mit den Subjekten von Versailles, mit unsauberen Spitzeln und ›Gentleman-Verbrechern‹ des Vaterlandsverrats zu solidarisieren, weisen wir mit Ekel und Entrüstung zurück. Wer es ernst meint mit der Presse- und Meinungsfreiheit, kann nur wünschen, daß den Gesellen, die diese hohen Kulturgüter kompromittieren, das schmutzige Handwerk endgültig gelegt werde ...« Ich meine, daß dieser lesenwerte Artikel eine außerbremensische Publizität verdient. Zugleich benutze ich die Gelegenheit, um dem Herrn Vertreter der Anklage zu diesem Sekundanten aufrichtig zu gratulieren.

Die Weltbühne, 24. November 1931


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