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[Antworten] Reichswehrminister

Vor kurzem ist ein törichter, hetzerischer Roman erschienen, dessen Verfasser sich Hans Nitram nennt und der den etwas umständlichen Titel führt: »Achtung! Ostmarkenrundfunk. Polnische Truppen haben heute nacht die ostpreußische Grenze überschritten.« Der Roman, der zur Zeit auch in einer Reihe von deutschen und namentlich ostdeutschen Blättern in Fortsetzungen läuft, ist eines jener zahlreichen unbegabten Machwerke, die im Gefolge des sogenannten Neuen Nationalismus laufen und von dem Meister des Genres, Herrn Arnolt Bronnen, nur die Roheit übernommen haben und nicht den Schmiß. Ein nationalistischer Hetzroman wie viele, man brauchte dabei nicht weiter zu verweilen, wenn nicht der Verlag Gerhard Stalling in Oldenburg, der schon allerlei dubiose Militärliteratur verlegt hat, für dieses Produkt eine Reklame machte, die sich eines Mittels bedient, das auch Sie, Herr Reichswehrminister, lebhaft interessieren dürfte. Der Verlag Stalling versendet nämlich an Buchhändler und Sortimenter ein Reklameschreiben, das in die folgenden Sätze ausmündet: »Vertraulich möchten wir Ihnen mitteilen, daß das Werk von einem Angehörigen der Reichswehr geschrieben worden ist und daß die Veröffentlichung des Werkes von der zuständigen Instanz genehmigt wurde. Man ist sich bewußt, daß sich aus dem Buche unter Umständen diplomatische Schritte Polens ergeben, wird aber einen solchen diplomatischen Schritt voraussichtlich nicht ungern sehen, um der kommenden Abrüstungskonferenz in Genf mehr als man es sonst könnte, vorhalten zu können, wie wehrlos Deutschland und insbesondere wie wehrlos das ostpreußische Heimatgebiet, das man vom Mutterlande getrennt hat, jedem Angriff des mit allen modernen Kriegsmitteln bewaffneten Polen ausgeliefert ist.« Wir fragen Sie, Herr Minister, ob der Verlag die Wahrheit spricht oder ob er seine Reklame auf eigne Verantwortung weiter als zulässig treibt. Wir sind auch neugierig, Herr Minister, diejenige zuständige Instanz kennen zu lernen, die sich bewußt ist, daß sich aus dem Buch unter Umständen diplomatische Schritte Polens ergeben können, die aber einen solchen diplomatischen Schritt voraussichtlich nicht ungern sieht. Welche Instanz in Ihrem Ministerium ist es, die auf eigne Faust in die Außenpolitik hineinmurkst, die in die Genfer Abrüstungskonferenz ein Moment hineinträgt, das Herrn Nadolny und seine Vertreter in eine Debatte verwickeln kann, die von diesen voraussichtlich nicht gern gesehen wird. Welche Instanz in Ihrem Ministerium ist es, die den Herrn Tardieu und Paul-Boncour diesen heiß ersehnten Ball zuwirft? Denn ein Buch wie dieses, von einem Soldaten geschrieben, mit dem Segen des Kriegsministeriums in die Welt geschickt, setzt unsre diplomatische Vertretung in Genf, die bekanntlich ein Abrüstungsprogramm vorgelegt, dagegen keinen Versuch gemacht hat, einen deutsch-polnischen Konflikt zu provozieren, in den Verdacht der Zweideutigkeit. Der Roman des Herrn Nitram, dessen Verfasser nach Mitteilung des Verlags ein Angehöriger der Reichswehr ist, bedeutet nicht mehr als ein elendes, unbegabtes Elaborat, das von einem reißerischen Titel lebt. Wir sind nicht der Meinung, daß es einem Angehörigen der Reichswehr verwehrt sein soll, so gute oder so schlechte Romane zu veröffentlichen, wie er leisten kann, wir sind aber unbedingt der Meinung, daß es nicht die Aufgabe des Reichswehrministeriums ist, ein Buch deshalb zu genehmigen, weil es unter Umständen diplomatische Schritte einer auswärtigen Macht hervorrufen kann. Vor allem aber halten wir es für reichlich unklug, daß nunmehr auch der Verleger dieses Buches noch mit einem solchen Motiv krebsen geht. Wir fassen es nicht als unsre Aufgabe auf, Landsleute, die andrer politischer Anschauung sind als wir, bei jeder Gelegenheit des Landesverrats zu verdächtigen. Aber wenn die Behauptungen dieses Verlagsprospekts wirklich der Wahrheit entsprechen, so ist dem Verlag Stalling dafür gründlich auf die Finger zu klopfen, daß er die Tinte nicht lassen kann und eine schon aus leicht faßbaren Intelligenzgründen geheimzuhaltende Sache propagandistisch ausposaunt. Entspricht die Behauptung des Verlags aber nicht der Wahrheit, hat sich nur ein findiger Reklamemann die ganze Geschichte aus den Pfoten gesogen, auch dann ist es notwendig, daß Sie, Herr Minister, einschreiten, weil ein solcher Unfug Ihre eigne Politik vor aller Welt in ein häßliches Licht setzt und dadurch deutsche Reichsinteressen schwer schädigt. Sie, Herr Minister, sind der Autor des Wortes »Staatsverleumdung«. Wenn jemals die Merkmale einer solchen zu konstatieren sind, dann in diesem Falle. Schreiten Sie ein, Herr Minister, und beschränken Sie sich nicht auf ein so krüppliges Dementi wie in der Sache der »Geländeübungen« auf dem Döberitzer Übungsplatz. Dort hat man allsonntäglich das Feld einer Naziorganisation überlassen, die als »Verein für Volkssport« maskiert gewesen ist. Wir glauben gern, daß das Reichswehrministerium das akzeptiert hat, obgleich immerhin doch ein im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindlicher Ministerialbeamter die Frage hätte aufwerfen müssen, wozu man in drei Teufels Namen hier am Rande von Berlin Geländeübungen treibt. Wir erwarten also, daß nach diesem Unglücksfall Sie sich etwas intensiver um die propagandistischen Geländeübungen eines Verlags minderwertiger militärischer Schriften bekümmern, der sich erdreistet, für den flottern Absatz seiner Ware ein diplomatisches Geheimnis entweder preiszugeben oder wenigstens vorzutäuschen, in jedem Falle aber in unverschämtester Form gegen die gesamtdeutschen Interessen zu handeln. Sie werden der deutschen Öffentlichkeit die Antwort nicht schuldig bleiben können. Vor ein paar Tagen brachte die Zeitung ›Berlin am Morgen‹ die Geschichte von einem kleinen Mißgeschick, das Ihnen in diesen Tagen passiert sein soll, als Sie sich abends nach dem Theater nach einem Wagen umsahen: »Der Taxischofför sah den Pour le mérite, der Groener beim Halse heraushing, er fixierte den Minister genau, rief laut: ›Nee, den Herrn fahre ick nich‹ und gab Vollgas.« Ich weiß nicht, ob Ihnen, Herr Minister, noch etwas an der Wertschätzung der deutschen Republikaner, deren Favorit Sie früher waren, liegt. In letzter Zeit sind die Neigungen etwas erkaltet, und es kann sehr wohl der Augenblick kommen, wo Sie, ein oft erprobter Mann der Realität, wieder einmal den Boden republikanischer Tatsachen suchen müssen. Und dann, Herr Groener, wird die Antwort lauten: »Nee, den Herrn fahr ick nich!«

Die Weltbühne, 23. Februar 1932


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