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Um Hindenburg

Die Auseinandersetzung über die Verlängerung von Hindenburgs Amtszeit führt zu Erscheinungen, wie sie sonst kaum in der hohen Politik wohl aber in den innern Kämpfen provinzieller Sparvereine zuhause sind. Diese Tricks, mit denen die Gegner sich gegenseitig mattzusetzen suchen, sind bemitleidenswert, ihre Intrigen stammen aus der unbegabtesten Schmiere. Die Ränkeschmiede tuscheln durch Lautsprecher, sie schleichen auf dreifachen Holzsohlen polternd durch die Kulissen, und die Tränke, die sie sich kredenzen, tragen die sichtbare Aufschrift »Gift«. Selten haben sich Kabalen vor so viel Öffentlichkeit abgespielt.

Brüning ließ also zunächst erklären, der Reichspräsident wünsche die Verlängerung seiner Amtszeit nur auf parlamentarischem Wege und nicht die Volkswahl. Damit sollte die Nationale Opposition überrumpelt und Hitler zugleich als der Mann der Loyalität, des Burgfriedens, als der Verteidiger der Hindenburglinie empfohlen werden. Der Coup mißlang mit Pauken und Trompeten. Der rauhbeinige Adolf denkt gar nicht daran, sich zum Vergnügen von Brünings linker Gefolgschaft demokratische Reizwäsche anzuziehen. Es stellte sich denn auch bald heraus, daß die N.S.D.A.P. nur aus taktischen Gründen in die von Groener vermittelten Verhandlungen gegangen war. Wenigstens behauptete das Blatt der Christlichen Gewerkschaften, die Nationalsozialisten hätten die Verhandlungen überhaupt nicht ernst genommen, sondern nur mitgespielt, um Brüning desto besser in die Zange nehmen zu können. Heute erklären die fascistischen Oberhäupter, sie würden wohl für Hindenburg votieren, aber Brüning müsse fort; nie wieder Brüning. Und Frick, eine der angenehmsten Figuren aus der nationalsozialistischen Mythologie, lehnt sogar Hindenburg ab und propagiert eine eigne Nazikandidatur. So ist alles wieder hübsch vernebelt, die Fascisten haben die bessern Trümpfe in der Hand, Brüning ist mit seinem Plan ganz unten durch, und ein Herr aus der Umgebung des Reichspräsidenten soll sogar als Sühneprinz bei Hitler erschienen sein.

Von republikanischer Seite wird dem Reichskanzler sein Versuch, den großen Adolf ins Geschäft zu ziehen, wenig verübelt, eher als staatsmännische Leistung angekreidet und sein Scheitern kaum vermerkt. Was für Unglück muß wohl noch geschehen, um das Axiom von Brünings Unfehlbarkeit zu erschüttern? Die guten Leute sollten sich deshalb nicht weiter entrüsten, wenn jetzt kolportiert wird, der Botschafter einer fremden Macht habe Brüning den Ratschlag gegeben, sich Hitlers Beihilfe zu versichern, um für die schwierige Zeit der Konferenzen im Rücken gedeckt zu sein. Seitdem offenkundig ist, daß die Reichsregierung sich nur in Hörigkeit von Hitler wohlbefindet, eine Einladung nach der andern an ihn richtet, einen Backenstreich nach dem andern mit Lächeln quittiert, seitdem kann es nicht wunder nehmen, daß ein wachsamer ausländischer Beobachter einen solchen Rat erteilt. Nach dem ›Vorwärts‹ soll es der Italiener gewesen sein, Orsini-Baroni, aber auch François-Poncet denkt und wirkt nicht anders.

So ergibt sich das groteske Bild, daß die Linke diesmal hinter dem alten Marschall aufmarschiert, den sie vor sieben Jahren als ein Petrefakt aus der Kaiserzeit verhöhnte. Dabei ist auf die Bonität der Kandidatur Hindenburg nicht viel zu geben, wenn etwa Hitler selbst als Gegenkandidat auftreten sollte. Denn die Hindenburgwähler von 1925 sind lange zum Fascismus übergelaufen. Die verwirrten Mittelschichten, die damals den »Retter« Hindenburg emportrugen, haben inzwischen nicht nur den Kopf verloren, sondern auch ihre Zechinen, und ihre Desperation ist entsprechend gewachsen.

Die Sozialdemokratie fügt sich still und gottergeben; sie fordert nur, daß Brüning sich auf keine »Bedingungen« Hitlers einläßt. Als ob es darauf ankäme! Als ob die Gefahr nicht darin läge, daß Hitler durch einen solchen Pakt offizieller Teilhaber wird! Was spielen hier Stipulationen eine Rolle, hinter dem Nationalfascismus steht eine organisierte Totschlägerarmee von 300 000 Mann! Es läßt sich noch nicht absehen, ob die sozialdemokratische Mitgliedschaft die mit nationalsozialistischem Öl gesalbte Kandidatur Hindenburg als »kleineres Übel« hinnimmt; schon vor sieben Jahren haben Kerntruppen der Partei gemeutert, als sie die fromme alte Rosenkranzjungfer Wilhelm Marx »als kleineres Übel« wählen sollten. Denn damals war Herr von Hindenburg noch das größere. Natürlich hat die kommunistische Zentrale sofort in der allerunmöglichsten Weise reagiert: sie hat ohne die Befragung irgend einer Parteiinstanz augenblicklich Thälmann nominiert und damit alle Diskussionen über gemeinsames Vorgehen kurzerhand abgeschnitten. Wird dieser törichte Entschluß nicht schnell rückgängig gemacht, so ist der Sieg des Fascismus oder die Wahl Hindenburgs mit fascistischer Hilfe, was ziemlich dasselbe ist, gesichert.

Die kommunistische Zentrale wird sich wahrscheinlich einbilden, ganz besonders schlagfertig gehandelt zu haben, in Wahrheit hat sie die Arbeiterklasse nur tiefer gespalten. Thälmann ist für Sozialdemokraten ebenso wenig tragbar wie etwa Severing für Kommunisten, um nur ein Beispiel zu nennen. Arbeiterkandidat kann kein Parteihaupt sein, keiner, der in den tausend Handgemengen des Bruderkrieges abgestempelt ist, sondern nur eine Persönlichkeit, die in beiden Lagern genügend geachtet wird. Die K.P.D. setzt ihre lärmende Untätigkeit fort und verhindert damit ernsthafte Aktionen ebenso wie die S.P.D. mit ihrem Opportunismus. Von sachkundiger Seite wird versichert, daß es heute in Deutschland nicht weniger als siebzehn kommunistische Gruppen gibt. Das ist der Humor davon.

Das ist eine ziemlich tragische, ja hoffnungslose Situation. Deutschland sucht nicht einen Staatspräsidenten, der doch nur ein oberster Beauftragter, ein Instrument des Gesetzes von beschränkter Vollmacht ist. Deutschland sucht einen Diktator, einen Unterdrücker; nicht einen Mann, sondern einen Kürassierstiefel. Fünfzig Millionen Lakaien suchen eine Peitsche.

Die Weltbühne, 19. Januar 1932


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