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Neunzehntes Kapitel.

Ein Verstorbener wohnt der Versteigerung seiner Effekten bei und läßt mit dem Verkaufe einhalten. – Ein Mann mehr als nötig war. – Peter steckt wieder in seinen eigenen Schuhen. – Kapitän Hawkins legt eine freundliche Teilnahme für Peters Papiere an den Tag. – Rigabalsam wird durchaus nicht zugelassen.

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Sobald die Segel aufgezogen waren, dankte ich dem Schiffsmeister für seine Güte, und bat ihn um sein Boot; er ließ es bemannen und sagte: »Wie erfreut wird Ihr Kapitän sein Sie wieder zu sehen!« Dies nun bezweifelte ich. Wir drückten uns die Hände, und ich ruderte der Klapperschlange zu, die etwa zwei Kabellängen hinter uns lag. Als ich die Brigg im Dienste verließ, hatte ich eine Jacke angezogen, und da ich jetzt in einem Kauffahrerboote herankam, so schenkte man mir gar keine Aufmerksamkeit; auch stand in der That aus Veranlassung dessen, was gegenwärtig auf dem Schiffe vorging, nicht ein einziger Mann auf der Warte, und ich stieg ganz unbemerkt an der Seite hinauf.

Offiziere und Mannschaft befanden sich auf dem Hinterdeck, wo vor dem Maste die Effekten eines Toten versteigert wurden, und aller Augen waren auf sechs Paar Nankingbeinkleider gerichtet, welche des Zahlmeisters Steward aussetzte, und die ich für mein Eigentum erkannte.

»Neun Schillinge für sechs Paar Nankingbeinkleider«, rief des Zahlmeisters Steward.

»Kommt, Leute, sie sind mehr wert als das«, bemerkte der Kapitän, der sehr gut gelaunt schien, »'s ist besser in seinen Hosen als in seinen Schuhen stecken.« Dieser rohe Ausfall erregte augenblickliches Stillschweigen. »Nun ja, Steward, so schlagt sie doch zu. Man sollte glauben, das Anziehen seiner Beinkleider würde Euch so furchtsam machen als er war«, fuhr er lachend fort.

»O der Schande!« riefen einige der Offiziere, unter denen ich Swinburnes Stimme erkannte.

»Eher wahrscheinlich, wenn sie die Ihrigen anzögen«, rief ich im lauten Tone der Entrüstung.

Alle schraken auf und drehten sich um; Kapitän Hawkins schwankte einer Karronade zu: »Ich bitte, mich als wieder eingetroffen auf meinem Schiffe melden zu dürfen, Sir«, fuhr ich fort.

»Hurrah, Burschen, drei Lebehoch für Herrn Simpel«, sagte Swinburne.

Die Leute ließen solche mit Begeisterung ertönen. Der Kapitän blickte mich an und zog sich, ohne ein Wort zu sagen, schleunigst in seine Kajütte zurück. Als er hinabging, sah ich, daß er seinen Arm in einer Schlinge trug. Ich dankte den Leuten für ihre freundlichen Gesinnungen gegen mich, drückte den Offizieren Thompson und Webster, die mir herzlich Glück wünschten, die Hand, dann dem alten Swinburne (der mir beinahe den Arm herausriß, und mir solche Schmerzen an der Schulter verursachte, daß ich laut aufschreien mußte), und endlich allen andern, die mir die ihrige entgegenstreckten. Den Verkauf meiner Effekten ließ ich einstellen; glücklicherweise hatte er eben erst begonnen, und sämtliche Gegenstände wurden mir zurückgegeben. Thompson hatte dem Kapitän gesagt, daß er meines Vaters Adresse kenne und meine Kleider aufbewahren wolle, um sie nach Hause zu schicken; aber der Kapitän ging durchaus nicht darauf ein.

Nach einigen Minuten erhielt ich ein Schreiben von dem Letztern, worin er mich aufforderte, ihm behufs der Meldung an den vorgesetzten Offizier schriftlich mitzuteilen, auf welche Weise ich entkommen sei. Als ich hinabging, stieß ich auf ein sehr trauriges Gesicht, auf das des ersten Seekadetten der Akaste, der schon an meine Stelle ernannt worden war. Als ich an mein Pult ging, fand ich, daß mir zwei wichtige Artikel fehlten; erstens mein Privatbriefbuch, und zweitens das Tagebuch, das ich über alle Vorfälle führte, und welchem diese Erzählung entnommen ist. Auf Befragen sagten mir meine Kameraden, es habe niemand außer dem Kapitän mein Pult geöffnet, und es mußte sich somit dieser in den Besitz dieser wichtigen Dokumente gesetzt haben.

Ich schrieb einen kurzen Bericht über das, was mir im letzten Gefechte begegnet war, und zu gleicher Zeit ein Dienstschreiben an den Kapitän, worin ich ihn bat, mir mein Eigentum, die in seinem Besitze befindlichen Papiere, zuzustellen. Sobald er meine Briefe erhalten hatte, schickte er Befehl herauf, sein Boot zu bemannen. Nachdem dies geschehen war, machte ich Meldung und fragte ihn hierauf, ob er meinem Gesuch entsprechen wolle. Er verweigerte dies, ging aufs Verdeck, und verließ die Brigg, um zum kommandierenden Offizier zu fahren. Ich beschloß demnach unverzüglich, dem Kapitän der Akaste zu schreiben, ihn von dem Benehmen des Kapitän Hawkins in Kenntnis zu setzen und um seine Verwendung zu bitten. Dies that ich sofort, und da das Boot, das mich auf die Brigg zurückgebracht hatte, noch nicht wieder fortgefahren war, so schickte ich durch dieses den Brief ab, mit dem Auftrag, denselben nur in die Hände eines der Offiziere abzugeben. Er wurde auch richtig überliefert, noch ehe Kapitän Hawkins' Besuch zu Ende war; der Kapitän der Akaste legte ihn unserem Kapitän vor und fragte, ob diese Angaben richtig seien. Dieser erwiderte, er habe allerdings diese Papiere zurückbehalten, und auch nicht im Sinne, sie wieder zurückzugeben, da sie so viele Äußerungen von Meuterei und Unzufriedenheit enthielten.

»Das kann ich nicht zugeben«, erwiderte der Kapitän der Akaste, der den Charakter des Kapitäns Hawkins kannte; »wenn Sie aus Versehen von irgend einem Geheimnisse des Herrn Simpel Kenntnis bekommen, so sind Sie durch die Ehre verpflichtet, keinen Gebrauch davon zu machen; eben so wenig können Sie etwas, das nicht Ihnen gehört, zurückbehalten.«

Aber Kapitän Hawkins verweigerte die Herausgabe der Papiere mit Entschiedenheit.

»Nun, gut also, Kapitän Hawkins«, erwiderte der Kapitän der Akaste. »Sie werden mich verpflichten, wenn Sie auf meinem Halbdecke bleiben, bis ich aus der Kajütte wieder da bin.«

Nun schrieb er einen Befehl, worin er dem Kapitän Hawkins auftrug, meine in seinem Besitze befindlichen Papiere unverzüglich ihm auszuliefern; und als er aus der Kajütte heraufkam, händigte er denselben dem Kapitän Hawkins ein mit den Worten: »Nun, Sir, hier ist ein geschriebener Befehl von Ihrem vorgesetzten Offizier. Verweigern Sie den Gehorsam, wenn Sie es wagen mögen; aber dann werde ich Sie unter Arrest stellen und vor ein Kriegsgericht bringen. Ich kann nur bedauern, daß es einen Kapitän in Seiner Majestät Dienst giebt, der auf diese Weise gezwungen werden muß, seine Pflicht als Gentleman und Ehrenmann zu thun.«

Kapitän Hawkins verbiß seinen Ärger über diesen Befehl und die scharfen Bemerkungen, mit denen er begleitet war.

»Ihr Boot ist bemannt, Sir«, sagte der Kapitän der Akaste in ernstem Tone.

Sobald Kapitän Hawkins an unserm Bord eintraf, versiegelte er die Papiere und sandte sie dem Kapitän der Akaste, der sie unter Seiner Majestät Dienstsiegel an mich adressierte und mir umgehend überschickte. Die Leserwelt verdankt also dem Kapitän der Akaste die vorliegende Erzählung.

Von meinen Kameraden erfuhr ich folgendes in betreff dessen, was nach meinem Abgange auf der Brigg vorgefallen war. Das Feuer des dänischen Prahms hatte ihr stark zugesetzt, und Kapitän Hawkins wurde durch ein Stück von dem Hängematten-Gitter, bald nachdem ich das Schiff verlassen hatte, an den Arm getroffen. Obgleich die Haut nur etwas aufgeritzt war, so fand er doch für gut, sich als schwer verwundet zu betrachten, übergab den Befehl dem zweiten Leutnant, Herrn Webster, und zog sich in seine Kajütte zurück, wo er auch blieb, bis das Gefecht vorbei war. Als ihm Herr Webster die Rückkehr der Boote, die Wegnahme des Kanonenbootes und meinen vermeintlichen Tod meldete, war er so vergnügt, daß er seine Wunde vergaß, auf das Verdeck sprang, und da, seine Hände reibend, auf und ab lief. Zuletzt besann er sich aber doch, ging in seine Kajütte hinab und kam dann wieder herauf mit dem Arm in der Schlinge.

Am nächsten Morgen ging er an Bord der Akaste, machte dem vorgesetzten Offizier seinen Bericht und brachte den nun so enttäuschten Seekadetten als meinen Nachfolger mit. Er hatte auch auf dem Hinterdeck geäußert, wenn ich nicht getötet worden wäre, so würde er mich vor ein Kriegsgericht gebracht und meine Ausstoßung aus dem Dienste bewerkstelligt haben; er sei hinlänglich mit Klagepunkten versehen, um mich zu verderben, denn er habe von dem Augenblicke an, da ich unter seinen Befehl gekommen sei, gesammelt und wolle jetzt den alten Schurken von Feuerwerker seine Anhänglichkeit an mich bereuen machen. Alles dies wurde dem Wundarzt anvertraut, der, wie ich schon früher bemerkte, ein außerordentlicher Höfling war; aber dieser erzählte es Herrn Thompson, dem Schiffsmeister, welcher es mir mitteilte. Einen Vorteil übrigens hatte die ganze Sache, daß ich nämlich den Boden genau kannte, auf dem ich stand, und wußte, was ich zu erwarten hatte.

Während der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes im Hafen gab ich genau acht, daß kein Rigabalsam an Bord kam, und die Leute blieben alle nüchtern. Von dem Kapitän der »Akaste« wurden wir beordert, zum Admiral, der sich auf der Höhe von Texel befand, zu stoßen; er hatte nämlich von der Admiralität die Weisung erhalten, eines der Schiffe des Geschwaders dorthin abzusenden, und wählte das unsrige, weil er den Kapitän Hawkins nicht leiden mochte.

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