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Zwanzigstes Kapitel.

O'Brien duelliert sich mit einem französischen Offizier und beweist, daß die Kunst des Fechtens darin liegt, daß man nichts davon versteht. Wir langen in unserem Quartier an, das wir sehr sicher finden.

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Nachts kamen wir in einer kleinen Stadt, deren Namen ich vergessen habe, an. Wir wurden alle nach einer alten Kirche geführt, wo wir eine recht schlechte Nacht verbrachten. Man gab uns nicht einmal ein wenig Stroh, um uns darauf zu legen; das Dach der Kirche war teilweise eingefallen, und der Mond schien ganz hell durch. Dies war nun einiger Trost; denn so fünfundfünfzig Mann an der Zahl im Finstern zusammengesperrt zu sein, das wäre denn doch zu elend gewesen. Wir scheuten uns, uns niederzulegen, weil der Boden, wie in allen Gebäuden Frankreichs, mit Unrat bedeckt und der Geruch ein ganz übler war.

O'Brien war äußerst nachdenkend und gab keine Antwort auf alle Fragen, die ich an ihn stellte; es war augenscheinlich, daß er über die Beschimpfung, die er von dem französischen Offizier erlitten hatte, nachbrütete. Mit Tagesanbruch wurde das Thor der Kirche von den französischen Soldaten geöffnet, und wir wurden nach dem Marktplatze der Stadt gebracht, wo wir die Truppen aufgestellt fanden, die mit ihren Offizieren aufgezogen waren, um uns von dem Detachement, das uns von Toulon aus eskortiert hatte, in Empfang zu nehmen. Wir waren sehr erfreut darüber, als wir hörten, daß wir einem andern Detachement übergeben werden und so von dem ungeschliffenen Offizier befreit werden sollten, der bisher die Beaufsichtigung der Gefangenen hatte. Aber wir wurden seiner noch auf eine andere Weise los. Als die französischen Offiziere unsere Reihen entlang gingen, um nach uns zu sehen, bemerkte ich unter ihnen einen Kapitän, den wir während unseres Aufenthaltes zu Cette bei Oberst O'Brien recht vertraulich kennen gelernt hatten. Ich rief ihn sogleich bei Namen; er drehte sich um und kam, als er O'Brien und mich sah, auf uns zu, drückte uns die Hand und sprach sein Erstaunen darüber aus, uns in solcher Lage zu finden. O'Brien erzählte ihm nun ausführlich, wie wir behandelt worden, worüber er sowohl, als die andern Offiziere, die sich um uns gesammelt hatten, ihre Entrüstung ausdrückten. Der Oberst, der die Truppen in der Stadt befehligte, wandte sich an den französischen Offizier (er war bloß ein Leutnant), der uns von Toulon hergebracht hatte, und fragte ihn, warum er uns auf eine so unwürdige Weise behandelt habe. Er leugnete, uns schlecht behandelt zu haben, und sagte, man habe ihm gesagt, wir hätten die Offizierskleider, die uns nicht gehörten, gestohlen. Auf dies hin erklärte O'Brien, daß er ein Lügner und ein feiger Schuft sei, da er ihn mit der flachen Klinge geschlagen habe, was er sich gewiß nicht unterstanden haben würde, wenn er (O'Brien) nicht ein Gefangener gewesen wäre; er setzte ferner hinzu, daß er jedenfalls Satisfaktion für den Schimpf, der ihm angethan worden, verlange, wobei er es den Offizieren anheimstellte, ob nicht dem Leutnant, wenn er diese zu geben sich weigere, die Epauletten von den Schultern gerissen werden müßten. Der kommandierende Major und die Offiziere zogen sich zu einen Beratung zurück, und nach wenigen Minuten kamen sie dahin überein, daß der Leutnant verbunden sei, die verlangte Satisfaktion zu geben. Dieser sagte, er sei bereit; doch schien er keine besondere Lust dazu zu haben.

Die Gefangenen wurden nun den Soldaten, unter der Aufsicht eines jüngeren Offiziers, übergeben, während die andern, gefolgt von O'Brien, mir und dem Leutnant, ein wenig vor die Stadt hinaus gingen. Auf dem Wege dahin fragte ich O'Brien, mit was für Waffen er kämpfen wolle.

»Ich nehme an«, erwiderte er, »daß wir uns auf Degen schlagen.«

»Aber«, sagte ich, »verstehst Du denn auch etwas vom Fechten?«

»Teufelswenig. Peter! Aber das kommt mir gerade zu gut.«

»Wie kann das sein?« fragte ich.

»Ich will Dir's sagen, Peter. Wenn der eine Mann gut ficht und der andere den Degen nur mittelmäßig handhabt, so ist es klar, daß der erstere dem letzteren den Leib durchrennen wird. Wenn aber der andere gar nichts davon versteht, dann freilich, Peter! ist die Sache nicht so ganz ausgemacht; denn der gute Fechter wird durch Deine Unkenntnis fast ebenso verwirrt, als Du durch seine Geschicklichkeit, und so kommt man in ein gleicheres Verhältnis. Jetzt, Peter! habe ich mir einmal in den Kopf gesetzt, den Burschen zu durchbohren und ich will es auch, so wahr ich ein O'Brien bin.«

»Gut, ich hoffe, Du wirst es thun; aber ich bitte Dich, der Sache nicht gar zu gewiß zu sein.«

»Es ist das Gefühl der Gewißheit, das mich instandsetzen wird, dies zu vollbringen, Peter. Bei dem Blute der O'Brien's! Hat er mich nicht mit seinem Degen geschlagen, als ob ich ein Hanswurst in der Pantomime wäre – Peter, ich will den Schurken Harlekin töten, und mein Wort ist so gut als meine Handschrift.«

Mittlerweile waren wir auf dem Platze angelangt. Der französische Leutnant entkleidete sich bis aufs Hemd und Beinkleider; O'Brien that das Gleiche, zog auch die Stiefeln aus und stand mit den Socken in dem feuchten Gras. Die Degen wurden gemessen und ihnen eingehändigt; sie stellten sich auf die Mensur und der Kampf begann. Ich muß sagen, vor Bangigkeit konnte ich nicht atmen; der Gedanke, O'Brien zu verlieren, ergriff mich mit Angst und Schrecken. Da fühlte ich den wahren Wert seiner Güte für mich, und ich hätte lieber seine Stelle einnehmen, lieber mich selbst durchbohren lassen mögen, als daß er verwundet werden sollte. Zuerst stellte sich O'Brien in den richtigen Verteidigungszustand, indem er den Leutnant nachahmte, aber das dauerte nur ein paar Sekunden; plötzlich machte er einen Sprung, stürzte auf seinen Gegner los und stieß nach ihm mit einer ganz erstaunenswerten Schnelligkeit; der Leutnant konnte nur zu seiner Verteidigung fechten, bis er zuletzt Gelegenheit fand, gegen O'Brien auszufallen. O'Brien, der seinen linken Arm nicht länger zum Gleichgewicht aufgehoben hielt, faßte den Degen des Leutnants sechs Zoll von der Spitze an, leitete ihn unter seinen linken Arm und stieß seinen eignen Degen dem Leutnant in den Leib. In weniger als einer Minute war alles vorbei – eine halbe Stunde später lebte der Leutnant nicht mehr. Die französischen Offiziere waren sehr erstaunt über diesen Ausgang, zumal sie auf den ersten Blick gesehen hatten, daß O'Brien nicht fechten konnte. Dieser nahm ein Büschel Gras, wischte den Degen ab, überreichte ihn dann dem Offizier, dem er gehörte, dankte dem Major, sowie allen für ihr unparteiisches und edelmütiges Verhalten; hierauf ging er nach dem Marktplatze, wo er seinen Standort in der Reihe der Gefangenen wieder einnahm.

Kurz nachher kam der kommandierende Major auf uns zu und fragte, ob wir Gefangenschaft auf Ehrenwort eingehen wollten, in welchem Falle wir nach Belieben reisen könnten. Wir sprachen mit vielem Danke für seine Güte und Artigkeit unsere Zustimmung aus; der Gedanke jedoch drängte sich mir auf, daß sich die französischen Offiziere durch den Erfolg O'Briens etwas gedemütigt fühlten, obgleich sie zu ehrenhaft wären, dies auszusprechen. O'Brien sagte mir, nachdem wir die Stadt verlassen hatten, daß er, – wäre es nicht um des artigen Benehmens der Offiziere willen geschehen – kein Ehrenwort gegeben haben würde, weil er sich überzeugt fühle, daß wir leicht hätten entweichen können. Wir sprachen lange über den Gegenstand und kamen zuletzt dahin überein, daß sich uns, wenn wir uns in strengerer Bewachung befänden, eine für den Erfolg günstigere Gelegenheit darbieten dürfte, als die gegenwärtige in Anbetracht aller Umstände sei, zumal da auch vorher die Maßregeln besprochen sein müßten, außer Landes zu kommen.

Fast hätte ich vergessen zu sagen, daß bei unserer Rückkehr von dem Duell der Seekadett vom Kutter O'Brien anredete und ihn bat, dem Kommandanten zu sagen, daß auch er ein Offizier sei; aber O'Brien antwortete ihm, daß er hierfür keinen andern Beweis habe als sein bloßes Wort. Wenn er ein Offizier sei, so solle er es selbst beweisen, denn sein ganzes Äußere widerspreche seiner Behauptung.

»Es ist sehr schmerzlich«, erwiderte der Seekadett, »daß ich, weil meine Jacke ein bischen teericht oder so etwas ist, meinen Rang verlieren soll.«

»Mein teurer Junge«, sagte hierauf O'Brien, »es geschieht nicht darum, weil Ihre Jacke ein bischen mit Teer beschmiert ist, sondern weil Ihr tout ensemble, wie die Franzosen es nennen, für einen Offizier durchaus unanständig ist. Besehen Sie Ihr Gesicht in der ersten besten Pfütze, und Sie werden finden, daß das Wasser von Ihrem Hineinschauen schmutzig wird. Sehen Sie über Ihren Ohren nach Ihren Schultern und nach Ihrem Rücken, der gebogen ist wie eine Klinke am Schiffstau. Durch Ihre Beinkleider, Sir! haben Sie Ihre Füße zu weit durchgesteckt und lassen da anderthalb Fuß wollene Strümpfe sehen. Kurz, betrachten Sie nur Ihr ganzes Ich, und sagen Sie mir, vorausgesetzt, daß Sie Offizier sind, ob nicht Achtung vor dem Dienste mir die Pflicht auferlegt, dem zu widersprechen. Es geht gegen mein Gewissen, mein lieber Kamerad, aber bedenken Sie, daß, wenn wir im Depot ankommen, Sie imstande sein werden, Ihre Angabe zu beweisen, und somit haben Sie ja nur noch eine kleine Weile zu warten, bis die Kapitäne für Sie gut sprechen, was mehr ist, als ich thun will.«

»Aber, das ist doch höchst traurig«, entgegnete der Seekadett, »daß ich dies schwarze Roggenbrot essen soll, und von Ihnen recht unfreundlich.«

»'s ist ganz freundlich von mir, Sie Schlucker vom Schnapper. Das Gefängnis wird ein Paradies für Sie sein, wenn Sie auf gute Weiden kommen. Wie wird Ihnen Ihr Futter hernach schmecken! Jetzt aber, schließen Sie Ihre Pfanne, oder bei dem Schwanz von Jonas Walfisch! ich schwöre, daß Sie ein Spanier sind!«

Ich konnte nicht umhin, zu denken, daß O'Brien zu streng gegen den armen Jungen war, und stellte ihn nachher darüber zu Rede. Er antwortete:

»Peter, wenn er als Seekadett vom Kutter auch ein Stück von einem Offizier ist, so ist er, beim Teufel, kein Stück von einem Gentleman, weder geboren noch erzogen, und ich bin nicht verpflichtet, für jeden Lumpenhund, den ich treffe, gut zu sprechen. Bei St. Peters Haupte, ich würde erröten, mich in seiner Gesellschaft zu befinden, und wenn es auch im wildesten Moorgrunde von Irland wäre, wo uns niemand sähe als eine alte Krähe.«

Wir waren jetzt wieder frei gegen Ehrenwort, und empfingen Beweise großer Aufmerksamkeit und Güte von den verschiedenen Offizieren, die die Detachements, welche einander die Gefangenen übergaben, befehligten. Nach einigen Tagen kamen wir in Montpellier an, wo wir so lange bleiben sollten, bis Bestimmungen vom Gouvernement eingelaufen wären, nach welchem Gefangenen-Depot wir zu bringen seien.

In dieser angenehmen Stadt hatten wir unbeschränkte Freiheit, da uns nicht einmal ein Gendarm begleitete. Wir speisten an der Table d'hote, durften gehen, wohin wir wollten, und unterhielten uns jeden Abend mit dem Besuch des Theaters. Während unseres Aufenthaltes schrieben wir dem Oberst O'Brien in Cette, dankten ihm für seine Güte und berichteten ihm, was seit unserer Abreise vorgefallen war. Ich schrieb auch an Celesten und schloß meinen Brief dem an den Oberst unversiegelt bei. Ich erzählte ihr die Geschichte von O'Briens Duell und alles, was ich nur dachte, daß sie ansprechen würde; wie betrübt ich über die Abreise von ihr sei, daß ich sie nie vergessen wolle, und daß ich hoffe, da sie doch nur eine halbe Französin sei, sie einmal wieder zu sehen. Ehe wir aus Montpellier abgingen, hatten wir das Vergnügen, Antwort auf unsere Schreiben zu erhalten; die Briefe des Oberst waren äußerst freundschaftlich, besonders der an mich, worin er mich »seinen lieben Jungen« nannte und die Hoffnung aussprach, daß ich bald wieder zu meinen Verwandten kommen und mich als eine Zierde meines Landes erweisen möge. In dem Schreiben an O'Brien forderte er diesen auf, mich nicht in unnütze Gefahr zu bringen – zu bedenken, daß ich nicht so gut imstande sei, außerordentliche Anstrengungen und Beschwerden auszuhalten. Ich zweifle nicht, daß sich diese Warnung auf den Plan O'Briens, aus dem Gefängnisse zu entweichen, den er dem Oberst nicht verhehlt hatte, sowie auf die Wahrscheinlichkeit bezog, daß ich bei diesem Versuche Mitteilnehmer sein würde. Die Antwort von Celesten war in englischer Sprache geschrieben; aber sie muß den Beistand ihres Vaters gehabt haben, denn sonst hätte es ihr nicht so gut geraten können. Der Brief war, wie sie selbst, ganz zärtlich und liebevoll, und schloß auch mit dem Wunsche, daß ich bald zu den Meinigen zurückkehren möchte, die, wie sie sagte, mich so lieb haben müßten, daß sie daran zweifle, mich je wieder zu sehen; sie wolle sich übrigens, so gut sie könne, mit der Zuversicht trösten, daß ich glücklich sein werde. Ich vergaß zu sagen, daß Oberst O'Brien in dem Brief an mich bemerkte, er erwarte unverzüglich den Befehl, Cette zu verlassen, und einen militärischen Posten im Innern oder bei der Armee zu übernehmen, aber was für einen, könne er nicht sagen: es sei bei ihm alles eingepackt und er besorge, daß unser Briefwechsel aufhören müsse, weil er nicht den Ort angeben könne, wohin wir unsere Briefe richten sollten. Dabei mußte ich denken, er wolle uns auf eine zarte Weise andeuten, daß es nicht recht sei, wenn er mit uns in unsern gegenwärtigen Verhältnissen einen Briefwechsel unterhalte; aber dennoch war ich überzeugt, daß er im Begriffe stand, Cette zu verlassen, denn von einem bloßen Vorwand würde er nie Gebrauch gemacht haben.

Ich muß hier den Leser mit einem Umstande bekannt machen, dessen ich zu erwähnen vergaß, daß ich nämlich, als Kapitän Savage die Parlamentärs-Flagge mit Geld und Kleidungsstücken für uns ans Land schickte, es nur für gerecht gegen O'Brien hielt, daß an Bord der Fregatte sein tapferes Benehmen bekannt wurde. Ich wußte, daß er es nie selbst sagen werde, und darum ließ ich, krank, wie ich damals war, den Oberst O'Brien zu mir bitten und ersuchte ihn, meine Erzählung über den Hergang niederzuschreiben, worin ich anführte, daß O'Brien die letzte Kanone vernagelt habe und hierbei, sowie bei seinem Versuche, mich zu retten, in Gefangenschaft geraten sei. Nachdem der Oberst das alles so geschrieben hatte, bat ich, den Major kommen zu lassen, der zuerst mit den Truppen in die Schanze gedrungen war und ihm den Bericht ins Französische zu übersetzen. Dies that er in meinem Beisein, und der Major erklärte, jedes Wort sei wahr.

»Wollen Sie das bezeugen, Major, da es für O'Brien ein wesentlicher Dienst sein dürfte?«

Der Major war augenblicklich hierzu bereit. Oberst O'Brien schloß meinem Briefe an Kapitän Savage ein paar Zeilen von sich selbst bei, worin er ihm eine Höflichkeitsbezeugung machte, und ihn versicherte, daß seine wackern jungen Offiziere mit all der Aufmerksamkeit und Güte behandelt werden sollen, welche das Kriegsrecht zulasse. O'Brien erfuhr nichts davon, daß ich diesen Brief abgeschickt hatte, weil es der Oberst auf meine Bitte als ein Geheimnis bewahrte.

Am zehnten Tage erhielten wir Befehl, am folgenden Morgen abzumarschieren. Die Matrosen, unter denen sich unser armer Freund, der Seekadett vom Kutter, Snapper, befand, wurden nach Verdun beordert; O'Brien und ich, nebst acht Steuerleuten von Handelsschiffen, die in Montpellier zu uns gestoßen waren, sollten auf Befehl des Gouvernements nach Givet, einer befestigten Stadt im Departement der Ardennen gebracht werden. Es kamen aber auch gleichzeitig Befehle von der Regierung, die Gefangenen mit größter Strenge zu behandeln und durchaus keine Freiheit mehr gegen Ehrenwort zu bewilligen; der Grund hiervon war, wie man uns bedeutete, der, daß der Regierung über den Tod des französischen Offiziers im Duell mit O'Brien berichtet wurde, und daß diese ihre Unzufriedenheit darüber ausgesprochen, wie man solches habe gestatten mögen. Indessen muß ich auch in der That sehr bezweifeln, ob ein derartiger Schritt in unserem Lande genehmigt worden wäre, aber die französischen Offiziere sind fast romantisch-ritterlich in ihren Begriffen von Ehre; fürwahr, als Feinde habe ich sie immer als würdige Gegner der Engländer betrachtet, und sie schienen mir gerade in dieser Stellung achtungswerter und eher unsere gute Meinung zu verdienen, als dann, wenn wir als Freunde mit ihnen zusammentrafen, wo wir mit andern Seiten ihres Charakters bekannt wurden, die sie in unserer Achtung herabsetzten.

Ich will mich nicht bei Beschreibung unseres dreiwöchentlichen Marsches aufhalten, während dessen wir abwechslungsweise freundliche oder unfreundliche Behandlung, je nach der Neigung derjenigen, die uns in der Obhut hatten, erfuhren, aber ich muß bemerken, wie es sich beständig traf, daß die, welche Gentlemen von Geburt waren, uns mit Achtung behandelten, während hingegen solche, die zur Zeit der Revolution aus dem Nichts in die Höhe gestiegen waren, barsch und bisweilen sogar roh sich zeigten. Es waren nun gerade vier Monate seit der Zeit unserer Gefangennehmung, als wir in dem für uns bestimmten Gefängnisse in Givet anlangten.

»Peter,« sagte O'Brien, nachdem er flüchtig die Festungswerke und den Fluß, der die zwei Städte teilt, betrachtet hatte, »ich sehe keinen Grund, weder 'n Englischen noch 'n Französischen, daß wir nicht unser Christtagsmahl in England einnehmen sollten. Ich habe eine Vogelperspektive von der Außenseite aufgenommen, und jetzt brauchen wir bloß noch herauszufinden, woherum wir im Innern sind.«

Ich muß gestehen, daß ich, wenn ich die Gräben und die hohen Wälle ansah, anderer Meinung war; so auch wohl der Gendarm, der uns zur Seite ging, O'Briens Forscherblicke bemerkt hatte und ihn gleichgiltig fragte: » Vous le croyez possible?«

»Dem Tapferen ist alles möglich – die französischen Herren haben dies bewiesen;« antwortete O'Brien.

»Sie haben recht,« erwiderte der Gendarm, erfreut über dieses Kompliment gegen seine Nation, »ich wünsche Ihnen Glück, Sie verdienen es; –« aber und dabei schüttelte er den Kopf.

»Wenn ich nur einen Plan der Festungswerke bekommen könnte,« sagte O'Brien, »ich wollte fünf Napoleonsdor für einen geben,« und sah dabei den Gendarmen an.

»Ich kann nicht einsehen, was dagegen einzuwenden sein sollte, wenn ein Offizier, selbst auch als ein Gefangener, die Fortifikationskunst studiert,« erwiderte hierauf der Gendarm. »In zwei Stunden werden Sie innerhalb der Mauern sein; und ich entsinne mich eben – in dem Plan der beiden Städte ist die Festung genau genug aufgezeichnet, um Ihnen einen Begriff davon zu geben. Doch wir haben zu lange mit einander gesprochen« – und mit diesen Worten trat der Gendarm zurück.

In einer Viertelstunde kamen wir auf dem Waffenplatze an, wo wir, wie gewöhnlich ein anderes Truppendetachement mit Trommlern fanden, die durch die Stadt mit uns Parade machten, bevor wir vor dem Hause des Gouverneurs aufgestellt wurden. Dies geschah, wie ich hätte bemerken sollen, auf Befehl der Regierung in jeder Stadt, durch die wir kamen; es war lächerlich, aber Gefangene waren so rar, daß sie uns, so viel sie nur konnten, zur Schau stellten. Als wir bei dem Hause des Gouverneurs hielten, gab der Gendarm, der uns auf dem Waffenplatze verlassen hatte, O'Brien ein Zeichen, wie um ihm zu sagen, ich hab's. O'Brien nahm fünf Napoleons heraus, wickelte sie in ein Papier und hielt dies in der Hand. In einer oder zwei Minuten kam der Gendarm auf uns zu und überreichte O'Brien ein altes seidenes Taschentuch mit den Worten:

» Votre mouchoir, Monsieur!«

» Merci,« antwortete O'Brien, indem er das Tuch, worin sich der Plan befand, in seine Tasche steckte, » voici à boire, mon ami!« und ließ daß Papier mit den fünf Napoleons in die Hand des Gendarmen, der sich hierauf augenblicklich zurückzog, gleiten.

Dies war ein rechtes Glück für uns; denn wie wir nun später erfuhren, war bei O'Briens und meinem Namen ein Zeichen gemacht worden, daß man uns weder Freiheit gegen Ehrenwort geben noch unter Bedeckung gestatten solle, die Festung zu verlassen. Übrigens, wenn das auch nicht gewesen wäre, würden wir den Plan doch nie erhalten haben, weil der von O'Brien getötete Leutnant ein naher Verwandter vom Kommandanten der Festung und dieser eben so sehr ein mauvais sujet war als sein Vetter. Nachdem wir die gewöhnliche Zeit vor des Gouverneurs Hause gestanden hatten, um auf die Verlesung zu antworten und angegafft zu werden, wurden wir entlassen, und in wenigen Minuten fanden wir uns in einer der stärksten Festungen Frankreichs eingeschlossen.

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