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Siebzehntes Kapitel.

Herrn Chucks Ansicht von den Eigennamen. – Er vollendet seine spanische Geschichte. – Fortschritte der Bildung unter den Unteroffizieren.

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Wir waren alle vergnügt, als das Signal gegeben wurde uns von dem Convoy zu trennen, da wir Prisengelder in Fülle unter einem so unternehmenden Kapitän vorausahnten. Wir steuerten nach der französischen Küste, da, wo sie nahe an die spanische grenzt, weil der Kapitän Befehl hatte, einige Convoys aufzufangen, welche der französischen Armee Lebensmittel und Schießbedarf zuführen sollten. Den Tag, nachdem wir uns von der Flotte trennten, vollendete Chucks seine Geschichte.

»Wo bin ich stehen geblieben, Herr Simpel, als ich gestört wurde?« sagte er, während wir auf einem langen Achtzehner Platz nahmen.

»Sie verließen das Haus, nachdem Sie ihnen gesagt, Sie seien ein Corregidor, und küßten die Hand der Dame.«

»Ganz richtig, Herr Simpel, ich machte zwei oder drei Tage nachher keinen Besuch, denn ich wollte sobald nicht wieder kommen, zumal da ich die junge Dame jeden Tag auf der Plazza sah. Sie sprach nicht mit mir, aber, um ihren Ausdruck zu brauchen, sie gab mir ihre Augen und bisweilen ein süßes Lächeln. Ich erinnere mich, eines Tages so sehr in ihren Anblick vertieft gewesen zu sein, daß ich über meinen Degen stolperte und beinahe auf die Nase fiel, worüber sie in ein Gelächter ausbrach.«

»Ihren Degen, Herr Chucks? Ich dachte, Bootsmänner trügen nie Degen.«

»Herr Simpel, ein Bootsmann ist ein Offizier und somit berechtigt, einen Degen zu tragen, so gut als der Kapitän, obschon wir deshalb von einem Haufen Affen von Seekadetten ausgelacht worden sind. Ich trug damals immer meinen Degen, aber heutzutage wird ein Bootsmann für nichts geachtet, außer wenn es eine schwere Arbeit giebt, da heißt es: Herr Chucks hier und Herr Chucks dort. Doch ich will Ihnen erklären, wie es kommt, Herr Simpel, daß wir Bootsleute so viel von unserm Ansehen und unsrer Würde verloren haben. Die ersten Leutnants müssen heutzutage den Dienst der Bootsmänner versehen, und wenn sie nur die Bootsmannspfeife handhaben könnten, so dürften sie den Namen Bootsmann aus der Hälfte der Schiffsbücher in Seiner Majestät Diensten streichen. Aber ich will in meiner Geschichte fortfahren. Am vierten Tage machte ich, mit meinem Taschentuche voll Cigarren für den Vater, einen Besuch, aber er hielt seine Siesta, wie sie es heißen. Die alte Dienerin wollte mich zuerst nicht einlassen, allein ich schob ihr einen Dollar zwischen ihre knöchernen, alten Finger und dies stimmte ihren Ton um. Sie steckte ihren alten Kopf heraus, blickte rings umher, um zu sehen, ob niemand in der Straße uns beobachten könne, dann ließ sie mich ein und schloß die Thür. Ich trat in das Zimmer und fand mich mit Seraphina allein.«

»Seraphina! – welch ein schöner Name!« –

»Kein Name kann für ein hübsches Mädchen oder für eine gute Fregatte zu schön sein, Herr Simpel. Ich für meinen Teil habe diese schweren Namen sehr gern. Beß und Poll und Sue passen wohl für einen Hafen oder für Lumpenherbergen, aber nach meiner Ansicht würdigen sie eine Dame herab. Bemerken Sie nicht, Herr Simpel, daß alle unsre Kanonenbriggen, eine Art Schiffe, welche gewiß ihren Erfinder in Ewigkeit verdammen, nur niedrige, gemeine Namen haben, als Pincher, Drescher, Boxer, Dachs und dergleichen, welche gut genug für sie sind, während alle unsre schmucken und kühnen Fregatten so lange Namen haben, als die Haupttop-Boleine, und schwer genug sind, uns im Schlunde stecken zu bleiben – zum Beispiel Melpomene, Terpsichore, Arethuse, Bacchantin – herrliche Ziernamen, so lang als ihre Wimpel, welche bei einer Windstille herabhängen.«

»Sehr wahr«, versetzte ich, »aber glauben Sie denn, es verhalte sich mit Familiennamen ebenso?«

»Ganz gewiß, Herr Simpel. So lange ich in guter Gesellschaft lebte, traf ich selten auf Namen wie Potts, oder Bell, oder Smith, oder Hodges; es hieß immer: Herr Fortescue, oder Herr Fitzgerald, oder Herr Fitzherbert – selten machte ich vor so einem Ding unter drei Silben meine Verbeugung.«

»Dann, vermute ich, Herr Chucks, lieben Sie Ihren eigenen Namen nicht sonderlich?«

»Da haben Sie's getroffen, Herr Simpel, aber er ist gut genug für einen Bootsmann,« versetzte Herr Chucks mit einem Seufzer. »Ich handelte allerdings sehr schlecht, daß ich die Leute täuschte, aber ich wurde sehr empfindlich dafür gestraft: es machte mich seitdem immer unzufrieden und unglücklich. Ich habe meinen Hochmut teuer bezahlt. Es giebt nichts so Erbärmliches, Herr Simpel, als Gedanken zu haben, die über unsern Stand hinausgehen. Aber ich muß wieder weiter segeln. Ich blieb drei Stunden bei Seraphina, ehe ihr Vater nach Hause kam, und diese ganze Zeit über hatte ich nicht eine Minute ruhig vor Anker gelegen. Ich lag auf meinen Knieen, that Schwüre und Gelübde, küßte ihre Hände und Füße, bis ich zuletzt zu ihren Lippen gelangte, wobei ich meinen Weg so regelmäßig ging, wie einer, der durchs Ankerkabelloch hereinkommt und zu den Kajüttenfenstern hinaufkriecht. Sie war sehr freundlich, lächelte und seufzte, stieß mich von sich, drückte meine Hand, wurde zornig, schmollte, bis ich in Verzweiflung geriet; dann beglückte sie mich wieder mit ihrem schmachtenden, schwarzen Auge, welches so zärtlich strahlte; bis sie endlich sagte, sie wolle versuchen, mich zu lieben, und mich fragte, ob ich sie heiraten und mit ihr in Spanien leben wollte. Ich erwiderte Ja, und fühlte wirklich so etwas, als ob ich es vermöchte, nur fiel mir zugleich ein, woher das Geld kommen sollte, denn ich konnte nicht, wie ihr Vater, von einer papiernen Cigarre und einem Stück Melone täglich leben. Jedenfalls war es eine ausgemachte Sache – mit Worten. Als ihr Vater nach Hause kam, sagte ihm die alte Dienerin, ich sei gerade erst gekommen, und seine Tochter befinde sich auf ihrem Zimmer, was wirklich der Fall war; denn sobald sie ihren Vater hatte klopfen hören, hatte sie sich davon gemacht. Ich machte dem alten Herrn meine Verbeugung und gab ihm die Cigarren. Er war anfangs ernst, aber der Anblick derselben versetzte ihn in guten Humor, und ein paar Minuten darauf trat Donna Seraphina (in Spanien heißen sie eine Dame Donna) herein, mich steif begrüßend, als ob wir nicht eine Stunde mit einander geküßt hätten. Ich blieb nicht lange, weil es spät wurde; daher nahm ich ein Glas von dem sauern Wein des alten Herrn und entfernte mich mit einer Einladung von ihm, wieder vorzusprechen, während die junge Dame mir, so lange ich verweilte und bei meinem Abschiede, wenig oder gar keine Aufmerksamkeit schenkte.«

»Herr Chucks«, bemerkte ich, »sie scheint mir eine listige junge Person gewesen zu sein.«

»Allerdings, Herr Simpel, aber ein Verliebter kann nicht sehen, und ich will Ihnen sagen warum. Wenn er die Dame gewinnt, so ist er ebenso in sich selbst verliebt, als in sie, weil er auf ihre Eroberung stolz ist; dies war bei mir der Fall. Hätte ich meine Augen gehabt, so würde ich gesehen haben, daß diejenige, welche ihren alten Vater bloß um eines Fremden willen hintergehen konnte, diesen gewiß wiederum täuschen würde. Allein Liebe macht blind, und Eitelkeit, Herr Simpel, macht noch blinder. Kurz, ich war ein Esel.«

»Lassen Sie es gut sein, Herr Chucks; Sie waren ganz zu entschuldigen.«

»Nun, Herr Simpel, ich kam dann und wann mit ihr zusammen, bis ich rasend verliebt war; der Vater schien zu bemerken, was vorging, und nichts dagegen zu haben. Doch schickte er nach einem Priester, der mit mir sprechen sollte, und ich wiederholte, ich sei ein guter Katholik. Ich erzählte ihm, ich sei in die junge Dame verliebt und wolle sie heiraten. Der Vater machte keine Einwendung, da ich versprach, in Spanien zu bleiben; denn er wollte sich von seiner einzigen Tochter nicht trennen. Hier machte ich mich wieder eines Betruges schuldig, einmal dadurch, daß ich ein Versprechen gab, welches zu halten ich nicht beabsichtigte, und dann, weil ich mich für einen Katholiken ausgab. Ehrlichkeit ist am Ende die beste Politik, Herr Simpel, verlassen Sie sich darauf.«

»So sagte mir mein Vater immer, und ich habe ihm geglaubt«, erwiderte ich.

»Ich schäme mich, sagen zu müssen, Sir, daß ich noch Schlimmeres that; denn der Priester fragte mich, nachdem die Sache ausgemacht war, ob ich kürzlich gebeichtet hätte. Ich verstand, was er meinte, und verneinte es. Er hieß mich dann niederknieen, allein da ich zu diesem Zwecke nicht genug spanisch sprechen konnte, murmelte ich etwas her, halb spanisch, halb englisch, und endete damit, daß ich als Almosen vier Dollars in seine Hand drückte. Er war am Ende mit meiner Beichte zufrieden, was er auch immer beim Beginne derselben denken mochte, und erteilte mir Absolution, obschon er nicht verstanden haben konnte, worin mein Vergehen bestanden, aber vier Thaler können in diesem Lande viele Verbrechen sühnen. Und nun, Sir, kommt der Wendepunkt dieser Geschichte. Seraphine sagte mir, sie werde mit einigen ihrer Verwandten in die Oper gehen, und fragte mich, ob ich dabei sein würde; der Kapitän der Fregatte nebst andern Offizieren würden auch hingehen, und sie wünsche, daß ich sie begleite. Sie sehen, Herr Simpel, obschon Seraphinens Vater so arm war, daß eine Maus in seinem Hause Hungers gestorben wäre, so war er doch von guter Familie und mit Leuten verwandt, welche sich besser standen. Er war selbst ein Don und hatte vierzehn oder fünfzehn lange Namen, welche ich nun vergessen habe. Ich schlug es ab, mit ihr zu gehen, da ich wußte, daß der Dienst es einem Bootsmanne nicht erlauben würde, in einer Opernloge zu sitzen, während der Kapitän und der erste Leutnant anwesend waren. Ich sagte ihr, ich habe versprochen, an Bord zu gehen und nach der Mannschaft zu sehen, so lange der Kapitän am Land wäre; so machte ich mich selbst, wie Sie bemerken werden, Herr Simpel, zu einem Manne von Gewicht, nur um zuletzt noch empfindlicher gedemütigt zu werden. Als sie sich in die Oper begeben hatte, fühlte ich mich sehr unbehaglich; ich fürchtete, der Kapitän möchte sie sehen und Geschmack an ihr finden. Ich ging draußen auf und ab, bis ich von Liebe und Eifersucht so erfüllt war, daß ich beschloß, ins Parterre zu gehen und zu sehen, wie es mit ihr stehe. Ich bemerkte sie bald nebst anderen Damen in einer Loge, und unter ihnen meinen Kapitän und den ersten Leutnant. Der Kapitän, welcher sehr gut spanisch konnte, lehnte sich lachend und scherzend über sie hin; auch sie lächelte bei seinen Worten. Ich beschloß sogleich fortzugehen, aus Furcht, sie möchte mich sehen und entdecken, daß ich ihr eine Unwahrheit gesagt hatte, allein sie schienen so vertraut, daß ich vor Eifersucht das Theater nicht verlassen konnte. Endlich bemerkte sie mich und winkte mit ihrer Hand; ich warf ihr einen zornigen Blick zu und verließ das Theater, wie ein Wahnsinniger fluchend. Es schien, als habe sie mich dem Kapitän gezeigt und ihn gefragt, wer ich sei; er sagte ihr meinen wirklichen Stand an Bord und sprach verächtlich von mir. Sie fragte, ob ich nicht von guter Familie wäre; darüber brachen der Kapitän und der erste Leutnant in ein Gelächter aus und sie sagten, ich sei ein gemeiner Matrose, welcher durch sein gutes Betragen sich zu einem höhern Rang emporgeschwungen habe, – nicht gerade ein Offizier, und alles, nur kein Gentleman. Kurz, Herr Simpel, ich war in die Luft gesprengt, und obgleich der Kapitän mehr sagte als recht war, wie ich nachher durch die Offiziere erfuhr, so hatte ich es doch verdient. Entschlossen, das Schlimmste zu erfahren, wartete ich draußen, bis die Oper vorüber war. Da sah ich sie herauskommen, und der Kapitän und der erste Leutnant in ihrer Gesellschaft; deshalb konnte ich nicht mit ihr sprechen. Ich ging in eine Posada (ein Gasthaus) und trank sieben Bouteillen Rosolio, um mein Gemüt zu beruhigen; hierauf verfügte ich mich an Bord, wo der zweite Leutnant, welcher kommandierender Offizier war, mich wegen Trunkenheit in Arrest legte. Es stand eine Woche an, ehe ich frei gelassen wurde, und Sie können sich vorstellen, was ich litt, Herr Simpel. Endlich erhielt ich Urlaub, ans Land gehen zu dürfen, und trat meinen Weg nach dem Hause an, wo mein Schicksal entschieden werden sollte. Die Alte öffnete die Thür, schalt mich einen Dieb und schlug sie mir vor der Nase wieder zu; als ich mich zurückzog, kam Donna Seraphine ans Fenster, winkte verächtlich mit ihrer Hand und sagte: »Gehen Sie, und Gott sei mit Ihnen, Herr Gentleman.« Voll Wut kehrte ich an Bord zurück, und wenn ich den Feuerwerker hätte bewegen können, mir eine Patrone zu geben, so würde ich mich durch den Kopf geschossen haben. Was die Sache noch verschlimmerte, ich wurde von jedermann im Schiffe ausgelacht, denn der Kapitän und der Leutnant hatten die Geschichte veröffentlicht.«

»Herr Chucks«, versetzte ich, »ich kann nicht umhin, Sie zu bedauern, obschon Sie gewiß für Ihre Unehrlichkeit Strafe verdienten. War dies das Ende der Geschichte?«

»So weit es mich betraf, allerdings, aber nicht hinsichtlich anderer. Der Kapitän nahm meine Stelle ein, aber ohne Wissen des Vaters. Im Grunde hatte keiner von beiden große Ursache, sich des Tausches zu freuen.«

»Wieso, Herr Chucks, was meinen Sie damit?«

»Nun, Herr Simpel, der Kapitän machte keine ehrliche Frau aus ihr, wie ich gethan hätte, und als der Vater entdeckte, was vorging, brachte man ihn in einer Nacht mit durchbohrtem Leibe an Bord. Wir segelten sogleich nach Gibraltar, und es dauerte lange, bis er wieder hergestellt war; dann hatte er ein anderes Mißgeschick.«

»Was für eines?«

»Nun, er verlor seinen Bootsmann, Herr Simpel, denn ich konnte seinen Anblick nicht ertragen, und damit verlor er (wie Sie wissen müssen, nicht aus eigener Erfahrung, sondern von andern) einen Bootsmann, der seinen Dienst versteht.«

»Jedermann sagt so, Herr Chucks; gewiß würde unser Kapitän Sie sehr ungern verlieren.«

»Ich bin überzeugt, daß es jedem Kapitän, mit dem ich segelte, ebenso ging. Aber dies war nicht alles, was er verlor, Herr Simpel; denn bei den nächsten Kriegen verlor er seine Masten und der Verlust derselben verursachte den Verlust seines Schiffes, und seitdem ist ihm nie wieder ein anderes anvertraut worden, sondern er wurde auf den Sand gesetzt. So lange ich bei ihm war, verlor er nie einen Balken von Bedeutung. Ein Mast an sich ist nichts, Herr Simpel, – nur ein Stück Holz – aber ordnen Sie Ihr Takelwerk richtig, dann ist ein Mast so stark, wie ein Fels. Fragen Sie nur Herrn Falkon, er wird Ihnen dasselbe sagen; ich traf nie einen Offizier, der es besser verstand, einen Mast zu befestigen.«

»Hörten Sie nichts mehr von der jungen Dame?«

»Ja, ungefähr ein Jahr nachher kehrte ich auf einem andern Schiffe zurück; sie war in ein Kloster gesperrt und gezwungen worden, den Schleier zu nehmen. Ach, Herr Simpel, wenn Sie wüßten, wie ich das Mädchen liebte. Seitdem bin ich gegen Frauenzimmer nie mehr als höflich gewesen und will als Junggeselle sterben. Sie können sich nicht vorstellen, wie ergriffen ich letzthin war, als ich das Haus erblickte. Ich konnte kaum ein Stück Rind- oder Schweinefleisch anrühren, und bin zwei Quart Rum über meine Ration schuldig. Aber, Herr Simpel, ich habe Ihnen dieses im Vertrauen erzählt, und ich hoffe, Sie sind zu sehr ein Gentleman, um es zu wiederholen, denn ich kann das Foppen von jungen Seekadetten nicht leiden.«

Ich versprach, nichts davon zu erwähnen, und hielt mein Wort; aber Umstände, welche der Leser in der Folge kennen lernen wird, haben mich von diesem Versprechen befreit … Nun kann ihn niemand mehr necken.

Wir erreichten unsere Station an der Küste von Perpignan, und sobald wir uns dem Lande näherten, wurden wir auf eine höchst ärgerliche Weise durch einen Windstoß abgetrieben. Ich will über den Sturm keine Bemerkungen machen, denn einer gleicht dem andern, aber ich muß den Umstand wegen einer stattgehabten Unterredung anführen, an der ich mich sehr ergötzte.

Ich stand in der Nähe des Kapitäns, als er nach Herrn Muddle, dem Zimmermann, schickte, welcher hinaufgestiegen war, um die Haupttopsegelraa zu untersuchen, die einen Sprung bekommen haben sollte.

»Nun, Herr Muddle!« sagte der Kapitän.

»Sie ist gesprungen, Sir, ganz gewiß, aber ich denke, wir können sie lindern.«

»Können Sie dieselbe für den Augenblick befestigen, Herr Muddle?« versetzte der Kapitän etwas scharf.

»Wir wollen sie in einer halben Stunde lindern, Sir!«

»Ich wünschte, daß Sie gewöhnliche Ausdrücke gebrauchten, wenn Sie mit mir sprechen, Herr Muddle. Ich glaube, Sie wollen mit dem Lindern sagen, daß Sie dieselbe fest machen können. Meinen Sie so, Sir, oder nicht?«

»Ja, Sir, das ist meine Meinung, ganz gewiß. Hoffentlich habe ich Sie nicht beleidigt, Kapitän Savage, denn ich beabsichtigte nicht, Ihnen durch meine Sprache zu mißfallen.«

»Sehr gut, Herr Muddle«, versetzte der Kapitän. »Es ist das erste Mal, daß ich mit Ihnen über diesen Gegenstand gesprochen habe – vergessen Sie nicht, daß es das letzte Mal sein soll.«

»Das erste Mal!« erwiderte der Zimmermann, welcher seine Philosophie nicht vergessen konnte. »Ich bitte um Verzeihung, Kapitän Savage. Vor siebenundzwanzigtausend sechshundert zweiundsiebenzig Jahren fanden Sie auf diesem Hinterdecke gerade denselben Fehler an mir auszusetzen, und –«

»Wenn ich es that, Herr Muddle«, unterbrach ihn der Kapitän sehr ärgerlich, »so verlassen Sie sich darauf, daß ich Ihnen zu derselben Zeit befahl, hinauf zu steigen und auf Ihren Dienst zu achten, statt auf dem Hinterdecke Unsinn zu schwatzen; und obgleich, wie Sie sagen, Sie und ich uns nicht daran erinnern können, so steckte ich Sie doch, wenn Sie dem Befehl nicht sogleich gehorchten, in Arrest und Sie mußten das Schiff, sobald es in den Hafen zurückkehrte, verlassen. Verstehen Sie mich, Sir?«

»Ich glaube vielmehr, Sir«, versetzte der Zimmermann, indem er demütig an seinen Hut langte und die Haupttakelung hinanstieg, »daß so etwas nicht stattfand, denn ich ging augenblicklich hinauf, wie eben jetzt und –« fuhr der unverbesserliche Zimmermann fort, als er das Takelwerk hinaufstieg – »wie ich in siebenundzwanzigtausend sechshundert zweiundsiebenzig Jahren wieder thun werde.«

»Dieser Mann ist unheilbar mit seinem verdammten Unsinn,« bemerkte der Kapitän zum ersten Leutnant. »Jeder Mast auf dem Schiffe könnte über die Seite gehen, wenn er nur einen Menschen bekommen kann, der seine lächerliche Theorie anhört.«

»Es ist kein übler Zimmermann, Sir«, erwiderte der erste Leutnant.

»Das nicht«, antwortete der Kapitän, »aber alles hat seine Zeit.«

Gerade in diesem Augenblick kam der Bootsmann das Takelwerk herunter.

»Nun, Herr Chucks, was halten Sie von der Raa? Müssen wir sie wechseln?« fragte der Kapitän.

»Im Augenblicke, Kapitän Savage,« erwiderte der Bootsmann, »ist sie, wie ich glaube, in einem Zustande, welchen man prekär und durchaus nicht dauernd heißen kann, aber mit ein wenig menschlicher Anstrengung und vier Faden dreizölliger und einem halben Dutzend Zehnpfennig-Nägel, mag sie, so viel ich verstehe, halten, bis es wieder Zeit ist, daß sie springt.«

»Ich verstehe Sie nicht, Herr Chucks; ich weiß keine Zeit, wann eine Raa springen muß.«

»Ich meinte nicht unsere Zeit, Sir,« versetzte der Bootsmann, »sondern die siebenundzwanzigtausend sechshundert zweiundsiebenzig Jahre des Herrn Muddle, wann –«

»Vorwärts, sogleich, Sir, und auf Ihren Dienst aufgepaßt,« schrie der Kapitän mit zorniger Stimme; dann sagte er zu dem ersten Leutnant: »ich glaube, die Unteroffiziere werden verrückt. Wer hörte je von einem Bootsmann eine solche Sprache – prekär und durchaus nicht dauernd? Sein Aufenthalt im Schiffe wird so werden, wenn er nicht dessen eingedenk ist, was er zu thun hat.«

»Es ist ein höchst sonderbarer Charakter, Sir,« erwiderte der erste Leutnant, »aber ich trage kein Bedenken, zu behaupten, daß es der beste Bootsmann in Seiner Majestät Diensten ist.«

»Ich glaube es auch«, erwiderte der Kapitän, »aber nun – ein jeder hat seine Fehler. – Herr Simpel, was machen Sie da?«

»Ich hörte zu, was Sie sagten«, antwortete ich, und langte an meinen Hut.

»Ich bewundere Ihre Offenheit, Sir,« entgegnete er, »aber ich rate Ihnen, diese Gewohnheit nicht fortzusetzen. Gehen Sie auf die Leeseite, Sir, und passen Sie auf Ihren Dienst auf.«

Als ich mich auf der andern Seite des Verdeckes befand, schämte ich mich und sah den Kapitän und den ersten Leutnant lachen.

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