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Viertes Kapitel.

An einem kalten Morgen vor dem Frühstück werde ich belehrt, wie man im Feuer steht, und erprobe so meinen Mut. – Nach dem Frühstück erprobe ich auch meine Galanterie. – Meine Probe trifft Tadel. – Weiber sind im Grunde an allem Unheil Schuld. – Durch die eine verliere ich meine Freiheit, durch die andere mein Geld.

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Als ich am anderen Morgen erwachte, konnte ich mir nicht erklären, was ich wie einen Zentnerstein auf meiner Brust fühlte, aber als ich aufstand, und meine zerstreuten Gedanken sammelte, erinnerte ich mich, daß in einer oder zwei Stunden entschieden werden sollte, ob ich den nächsten Tag noch erleben würde. Ich betete inbrünstig, und faßte in meinem Herzen den Entschluß, daß ich das Blut eines Nebenmenschen nicht auf meinem Gewissen haben, und mein Pistol in die Luft feuern wolle. Nachdem ich diesen Vorsatz gefaßt hatte, fühlte ich die frühere Unruhe nicht mehr. Ehe ich angezogen war, kam der Seekadett, welcher sich freiwillig als mein Sekundant angeboten hatte, in mein Zimmer und benachrichtigte mich, daß die Sache in dem Garten hinter dem Wirtshause entschieden werden sollte; mein Gegner sei ein sehr guter Schütze, und ich müsse erwarten, entweder geflügelt oder gedrillt zu werden.

»Was ist das, geflügelt oder gedrillt?« fragte ich; »ich habe noch nie ein Duell gehabt, ja sogar in meinem Leben noch kein Pistol abgefeuert.«

Er erklärte mir, was er damit meine, nämlich unter »geflügelt« verstehe man durch den Arm oder das Bein geschossen werden, während »gedrillt« einen Schuß durch den Leib bedeute.

»Aber«, fuhr er fort, »ist es möglich, daß Sie noch kein Duell gehabt haben?«

»Nein«, erwiderte ich, »ich bin noch nicht fünfzehn Jahre alt.«

»Nicht fünfzehn? ich dachte, Sie wären wenigstens achtzehn.«

(Ich war nämlich sehr groß und stark für mein Alter, und man hielt mich allgemein für älter, als ich wirklich war.)

Ich zog mich an und folgte meinem Sekundanten in den Garten, wo ich alle Seekadetten und etliche Kellner des Wirtshauses fand. Sie schienen alle sehr lustig, als ob das Leben eines Mitgeschöpfes von keiner Bedeutung wäre. Die Sekundanten sprachen eine Weile insgeheim und maßen dann die Distanz ab, welche zwölf Schritte betrug. Wir nahmen unsere Posten ein. Ich glaube, ich wurde blaß, denn mein Sekundant kam zu mir heran und flüsterte mir zu, ich dürfe nicht erschrocken sein.

Ich versetzte, »ich sei nicht erschrocken, allein ich betrachte es als einen furchtbaren Augenblick.«

Der Sekundant meines Gegners kam dann herbei und fragte mich, ob ich meine Entschuldigung machen wolle, was ich wie vorher verweigerte. Sie händigten nun jedem von uns eine Pistole ein, und mein Sekundant zeigte mir, wie man abdrücken müsse. Es war ausgemacht, daß wir auf ein gegebenes Wort zugleich abfeuern sollten. Ich glaubte sicher, daß ich verwundet, wo nicht getötet werde, und schloß meine Augen, als ich mein Pistol in die Luft abfeuerte. Ich fühlte meinen Kopf schwindeln, und dachte, ich wäre getroffen, aber zum Glück war ich es nicht. Die Pistolen wurden wieder geladen, und wir feuerten zum zweiten Mal. Die Sekundanten legten sich dann ins Mittel, und es wurde vorgeschlagen, wir sollten uns die Hände geben, was ich sehr gern that, denn ich sah mein Leben nur durch ein Wunder gerettet an. Wir gingen alle in das Kaffeezimmer zurück, und setzten uns zum Frühstück nieder. Sie sagten mir dann, daß sie alle zu demselben Schiffe gehörten, wie ich; sie seien erfreut zu sehen, daß ich im Feuer stehen könne, denn der Kapitän sei ein furchtbarer Gesell im Kapern und Einlaufen unter feindlichen Batterien.

Den Tag darauf kam mein Koffer mit dem Wagen an; ich zog meine Flaschengrünen aus und legte meine Uniform an. Ich hatte weder aufgestülpten Hut noch Degen, da der von Herrn Handycock gebrauchte Warenhändler diese Artikel nicht lieferte, und ich sollte sie mir in Portsmouth anschaffen. Als ich nach dem Preise fragte, fand ich, daß sie mehr Geld kosteten, als ich in meiner Tasche hatte; daher brach ich den Brief, welchen ich vor dem Duell an meine Mutter geschrieben, auf, und schrieb einen anderen, worin ich um eine weitere Summe bat, um mir Degen und Hut kaufen zu können. Ich ging dann in meiner Uniform aus, ich muß gestehen, nicht wenig stolz. Ich war nun Offizier in Seiner Majestät Dienst, zwar nicht sehr hoch im Range, aber doch ein Offizier und Gentleman, und gelobte mir, meinen Charakter zu behaupten, obschon ich als der größte Dummkopf der Familie betrachtet wurde.

Ich war an einem gegenüberliegenden Platze angekommen, Sally Port genannt, als eine junge, hübsch gekleidete Dame mich sehr scharf ansah und sagte: »Nun, Reffer, sind Sie wohl mit Seife versehen?«

Ich staunte über die Frage noch mehr als über das Interesse, welches sie an meinen Angelegenheiten zu nehmen schien, und antwortete:

»Danke Ihnen, ich bin sehr gut versehen, ich habe vier Stück Windsor und zwei Stangen gelbe zum Waschen.«

Sie lachte über meine Erwiderung und fragte mich, »ob ich nicht mit ihr nach Hause gehen und ein kleines Diner einnehmen wolle.«

Ich wunderte mich über dieses artige Anerbieten, welches meine Bescheidenheit mehr meiner Uniform, als meinem eigenen Verdienste zuschrieb, und da ich keine Lust fühlte, abzuschlagen, so sagte ich, es sei mir sehr angenehm. Ich dachte, ich wollte es wagen, ihr meinen Arm anzubieten, welchen sie annahm, und wir wandelten mit einander High-Street hinauf, ihrer Wohnung zu.

Gerade gingen wir an des Admirals Hause vorüber, als ich meinen Kapitän mit zwei von des Admirals Töchtern daherkommen sah. Ich war nicht wenig stolz, ihm zu zeigen, daß ich weibliche Bekanntschaften habe, so gut als er, und als ich an ihm mit der jungen Dame unter meinem Schutze vorbeiging, nahm ich meinen Hut ab und machte ihm eine tiefe Verbeugung. Zu meinem Erstaunen erwiderte er den Gruß nicht nur nicht, sondern sah mich mit einem sehr finstern Gesicht an. Ich schloß daraus, er sei ein sehr stolzer Mann, und wollte des Admirals Töchtern nicht wissen lassen, daß er einen Seekadetten von Person kenne; allein ich hatte mir noch nicht recht meine Gedanken über den Gegenstand gemacht, als der Kapitän, welcher die Damen in des Admirals Haus begleitet hatte, mir einen Boten nachschickte und mir sagen ließ, ich solle sogleich zu ihm ins George-Hotel kommen, das gegenüber lag. Ich entschuldigte mich bei der jungen Dame und versprach, im Augenblick wieder zu kommen, wenn sie auf mich warten wolle; allein sie versetzte, wenn dies mein Kapitän wäre, so glaube sie, ich werde tüchtig von ihm gewaschen und an Bord geschickt werden. Sie wünschte mir wohl zu leben und setzte ihren Weg nach Hause fort. Ich konnte all dieses so wenig begreifen, als warum der Kapitän so finster blickte, da ich an ihm vorüberging, allein es wurde mir bald klar, wie ich zu ihm in das Besuchzimmer in George-Hotel kam.

»Es thut mir leid, Herr Simpel,« begann der Kapitän, als ich ins Zimmer trat, »daß ein junger Mensch schon so früh solche Zeichen von Schlechtigkeit blicken läßt; und noch mehr, daß er nicht einmal das Zartgefühl besitzt, welches selbst die Verhärtetsten nicht ganz ablegen – ich meine, die Unsittlichkeit im geheimen zu treiben und nicht sich selbst herabzuwürdigen oder seinen Kapitän dadurch zu beschimpfen, daß man seine Ausschweifungen ohne Scham gesteht, ja, ich möchte sagen, damit prunkt, indem man sie am hellen Tage in der besuchtesten Straße der Stadt zur Schau stellt.«

»Sir,« erwiderte ich voll Erstaunen, »mein Gott, was habe ich denn gethan?«

Der Kapitän richtete sein scharfes Auge auf mich, als wollte er mich damit durchbohren und an die Wand nageln.

»Wollen Sie damit sagen, Sir, daß Sie von dem Charakter der Person, mit welcher Sie soeben gingen, nichts wußten?«

»Nein, Sir,« versetzte ich, »ausgenommen, daß sie sehr artig und gutmütig war,« und dann erzählte ich ihm, wie sie mich angeredet habe und was darauf vorgefallen sei.

»Ist es möglich, Herr Simpel, daß Sie ein so großer Dummkopf sind?«

Ich erwiderte, »allerdings halte man mich für den größten Pinsel der Familie.«

»Ich denke, Sie sind es,« gab er trocken zur Antwort. Er setzte mir dann auseinander, wer die Person war, in deren Gesellschaft ich gewesen, und wie eine Verbindung mit ihr mich unvermeidlich in Schande und Verderben stürzen würde.

Ich weinte sehr, denn ich war erschrocken über die nahe Gefahr, in welcher ich geschwebt hatte, und betrübt, in seiner guten Meinung gesunken zu sein. Er fragte mich, wie ich seitdem meine Zeit in Portsmouth angewendet habe, und ich gestand ihm, daß ich betrunken war, erzählte alles, was die Seekadetten mir gesagt hatten, und daß ich diesen Morgen ein Duell gehabt habe. Er horchte sehr aufmerksam auf meine ganze Geschichte, und ich glaubte hier und da ein Lächeln auf seinem Gesichte zu bemerken, obschon er sich in die Lippen biß, um es zu unterdrücken. Als ich geendigt hatte, sagte er:

»Herr Simpel, ich kann Sie nicht länger am Lande lassen, ehe Sie mehr Erfahrung in der Welt gemacht haben. Ich werde meinem Beischiffsführer befehlen. Sie nicht aus dem Gesichte zu verlieren, bis Sie sicher an Bord der Fregatte sind. Wenn Sie einige Monate mit mir gefahren sind, werden Sie imstande sein, zu entscheiden, ob ich das Prädikat verdiene, das die jungen Gentlemen mir beigelegt haben, ich glaube, bloß in der Absicht, um sich über Ihre Unerfahrenheit lustig zu machen.«

Im ganzen that es mir nicht leid, daß es vorüber war. Ich sah, daß der Kapitän glaubte, was ich erzählt hatte, und freundlich gegen mich gesinnt war, obschon er mich für sehr einfältig hielt. Der Beischiffsführer begleitete mich, seinem Befehle gehorsam, in den Blauen Pfosten. Ich packte meine Kleider zusammen, bezahlte meine Rechnung, und der Packträger brachte meinen Koffer nach Sally Port hinab, wo das Boot wartete.

»Kommt, meine Jungen, vorwärts, den Anker aufgetrieben, lustig! Der Kapitän sagt, wir sollen den jungen Gentleman sogleich an Bord nehmen; seine Freiheit ist ihm genommen, weil er betrunken gewesen und der Dolly Mops nachgelaufen ist.«

»Sie sollten, denke ich, in Ihren Bemerkungen mehr Respekt zeigen, Herr Coxswain,« sagte ich voll Unwillen.

»Herr Coxswain? danke, Sir, daß Sie meinem Namen eine Handhabe geben«, versetzte er, »kommt Jungens, hurtig mit den Rudern.«

»Ach, Bill Freeman«, sprach ein junges Frauenzimmer am Strande, »was für einen hübschen, jungen Gentleman haben Sie da. Er sieht aus wie ein Nelson an der Mutterbrust. Ei, mein schöner, junger Offizier, können Sie mir nicht einen Schilling leihen?«

Es gefiel mir so sehr, mich von dem jungen Frauenzimmer einen jungen Nelson nennen zu hören, daß ich augenblicklich ihr Gesuch erfüllte.

»Ich habe keinen Schilling in meiner Tasche,« sagte ich, »aber hier ist eine halbe Krone; »ich werde sogleich wieder da sein, mein Lieber.«

Die Leute im Boot lachten und der Beischiffsführer befahl ihnen, abzufahren.

»Nein,« bemerkte ich, »wir müssen auf meine achtzehn Pence warten.«

»Dann dürften wir verflucht lange warten, glaube ich. Ich kenne die Dirne, sie hat ein sehr schlechtes Gedächtnis.«

»Sie kann nicht so unehrlich oder undankbar sein,« erwiderte ich; »Coxswain, ich befehle Ihnen, zu halten, ich bin Offizier.«

»Ich weiß, Sie sind es, Sir, ungefähr seit sechs Stunden; wohl dem, ich muß hinauf und dem Kapitän sagen, daß Sie ein anderes Mädchen im Schlepptau haben und nicht mit an Bord wollen.«

»O nein, Herr Coxswain, thun Sie das nicht, stoßen Sie ab, sobald es Ihnen beliebt, wir wollen nicht mehr an die achtzehn Pence denken.«

Das Boot fuhr nun ab und ruderte auf das Schiff zu. welches bei Spithead lag.

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