Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

Siebentes Kapitel

Kapitän und Mrs. To. – Schweinefleisch. – Wir gehen nach Plymouth und treffen mit unserem alten Kapitän zusammen.

—————

 

Unverzüglich nahm ich Abschied von meinen Angehörigen, machte mich nach Portsmouth auf und traf in zwei Tagen in der Fontaine ein, wo O'Brien schon meiner wartete.

»Peter, mein Junge, ich fühle mich Dir so verpflichtet, daß ich, wenn Dein Onkel nicht gutwillig aus der Welt geht, Streit mit ihm anfange und ihn niederschießen will, damit Du Lord wirst; denn ich bin fest entschlossen, daß Du es werden sollst. Jetzt komm' in mein Zimmer, wo wir ganz allein sind; ich will Dir ausführlich über unser Schiff und den neuen Kapitän berichten. Zuerst will ich beim Schiff beginnen, denn es ist die wichtigste von den beiden Personen: es ist eine Schönheit. Ich weiß nicht mehr, wie es hieß, ehe es genommen wurde; aber die Franzosen verstehen besser Schiffe zu bauen als sie zu behalten. Jetzt führt es den Namen Sanglier, was so viel heißt, als ›wildes Schwein‹, und bei Gott! ein Schweineschiff ist es, wie Du sogleich hören wirst. Des Kapitäns Name ist ganz kurz und würde Herrn Chucks gar nicht gefallen, denn er besteht bloß aus zwei Buchstaben, T und O, To; sein vollständiger Titel ist Kapitän John To. Es sollte fast scheinen, als ob ihm jemand die bessere Hälfte seines Namens abgebrochen und ihm nur den Anfang davon gelassen hätte; übrigens ist er recht bequem zu unterzeichnen. Und jetzt will ich Dir auch sagen, was für einer Art von Fahrzeug er gleichsieht. Er ist gebaut wie 'ne holländische Schuhte, ziemlich breit im Gebälk und sehr platt im Spiegel. Auf den letzten zwei Schiffen, die er befehligte, verlangte er, daß die Seitengalerien breiter gemacht werden sollten. Sein Gewicht beträgt etwa achtzehn Steine, eher mehr als weniger. Er ist so 'ne Art gutmütiger Kamerad, erstaunlich unhöflich, weder als Offizier noch als Seemann besonders geschickt, aber ein teufelmäßig guter Vorschneider. Doch, er ist nur ein Teil des Ganzen, denn auch seine Frau befindet sich an Bord, eine Dame, die so gewissermaßen einem geräucherten Hering gleicht und überdies höchst lästige Umstände macht. Noch widerwärtiger aber wird sie dadurch, daß sie ein verstimmtes Piano, das sie ohne allen Takt spielt, an Bord hat. Das Abscheuern des Verdeckes ist wahre Musik gegen ihr Spiel: selbst des Kapitäns Wachtelhund heult, wenn sie in die hohen Noten hineinkommt; übrigens spielt sie die feine Dame und traktiert die Offiziere, wenn sie in des Kapitäns Kajütte speisen, immer mit Musik, so daß diese allemal gern wieder gehen.«

»Aber, O'Brien, ich dachte, es sei nicht gestattet, Frauen an Bord zu führen?«

»Ganz richtig, aber das ist eben der schlimmste Teil in des Mannes Charakter; er weiß, daß es nicht erlaubt ist, sein Weib auf die See mitzunehmen, und deshalb sagt er nie, daß sie seine Frau ist, und stellt sie niemand am Lande vor. Wenn einer der anderen Kapitäne fragt: ›wie befindet sich Madame To heute?‹ so antwortet er: ›Ah, sehr gut, ich danke Ihnen‹, aber er schmunzelt zugleich auf eine Art, als ob er sagen wollte: ›Sie ist nicht meine Frau‹; und obgleich jedermann weiß, daß sie es ist, so will er doch lieber, daß man das Gegenteil glaubt, als daß er die Kosten für eine Wohnung am Lande bestreitet, denn Du weißt, Peter, daß, obgleich Bestimmungen hinsichtlich der Aufnahme der Ehefrauen vorhanden sind, doch keine in betreff anderer Frauenzimmer existieren.«

»Aber weiß seine Frau dies?« fragte ich.

»Ich glaube, aufrichtig gesprochen, daß sie in die ganze Geschichte mit eingeweiht ist, denn man sagt sogar, sie würde einen Kieselstein abschälen, wenn sie könnte. Sie sucht immer Geschenke von den Offizieren zu bekommen, und führt in der That den Oberbefehl auf dem Schiffe.«

»Fürwahr, O'Brien, das ist keine sehr erfreuliche Aussicht.«

»Still, wart' noch 'n bißchen; jetzt komm' ich erst zur Hauptsache. Dieser Kapitän To ist ganz besonders auf Schweinepassagiere versessen, und wir haben deshalb so viele lebende Schweine an Bord, als wir Zentner Ballast führen; der erste Leutnant ist ganz rasend darüber. Zugleich duldet der Kapitän, damit keine Verwechslung vorgehen kann, keine anderen Schweine an Bord als seine eigenen. Das Proviantmagazin ist voll von Schweinen: zwischen den Kanonen auf dem Hauptverdeck sind zwei Kuhställe angebracht, die wir aus dem Seemagazin mitgenommen haben, und die nun in Schweineställe umgewandelt wurden. Die beiden Schafställe in der Mitte des Schiffes sind mit Schweinen vollgepropft, und selbst die Räume für das Federvieh sind in vier Gemächer abgeteilt für vier Betzen, die demnächst Junge werfen sollen. Nun, siehst Du, Peter, kostet es wenig oder gar nichts, an Bord einer großen Fregatte Schweine zu halten, wo es so viele Erbssuppen und ganze Erbsen für sie zu fressen giebt, und dies ist auch der Grund, warum er sie hält; denn er duldet sonst kein Stückchen Vieh an Bord. Wie ich vermute, hat er die Absicht, eine der alten Betzen zum Frühstück zu melken, wenn das Schiff unter Segel geht. Sein erstes Geschäft des Morgens ist, daß er mit dem Metzger bei allen Schweinen herumläuft, sie antastet, sie hinter den schmutzigen Ohren kratzt und dann klassifiziert – in seine Speck-, Fleisch- und Zuchtschweine und so fort. Der alte Eber befindet sich noch hier in dem Stalle des Gasthofes, aber wie ich höre, wird er an Bord gebracht werden, sobald der Befehl zum Absegeln eintrifft; er ist ganz wild und wird deshalb bis zum letzten Augenblick am Land gelassen. Also schau, Peter, das Grunzen der Schweine und seiner Frau Piano macht uns fast toll, und ich weiß nicht, welches von beiden schlimmer ist; gehst Du nach hinten, hörst Du das Eine, kommst Du vor, so hörst Du das Andere, zur Veränderung, die, wie man sagt, Plaisir machen soll. Aber ist es nicht ärgerlich, wenn eine so schöne Fregatte in einen Schweinestall umgewandelt wird, und ihr Hauptverdeck noch mehr stinken soll als ein Misthaufen?«

»Aber wie gefällt seiner Frau der Gedanke, nur von Schweinefleisch zu leben?«

»Ihr? – Gott segne Dich, Peter! sie sieht so mager aus, wie 'n Haifisch, und hat auch gerade den gleichen Appetit; 'n Stück Schweinefleisch von vier Pfund verschlingt sie, ehe es noch recht auf die Platte gelegt ist.«

»Hast Du noch mehr solche erfreuliche Nachrichten mitzuteilen, O'Brien?«

»Nein, Peter, das Schlimmste weißt Du jetzt. Die Leutnants sind gute Offiziere und angenehm im Umgang: der Doktor ist 'n bißchen 'n Sonderling, der Zahlmeister hält sich für einen Spaßvogel und der Schiffsmeister ist 'n alter Nord-Engländer, der seinen Dienst kennt und sein Glas Grog nimmt; die Seekadetten sind ganz anständige junge Leute, voll Scherz und Heiterkeit. Ich möchte darauf wetten, daß sie baldigst irgend einen lustigen Streich gegen die Schweineställe ausführen werden, denn sie sind reif zur Schelmerei. Nun, Peter, ich habe wohl kaum nötig, zu sagen, daß meine Kajütte und alles, was ich besitze, zu Deinen Diensten steht; und ich denke, wenn wir nur einen teufelsmäßigen Sturm bekämen, oder ein hartnäckiges Gefecht hätten, um die Schweine über Bord zu schmeißen und das Piano zu zertrümmern, so würden wir uns recht wohl befinden.«

Des anderen Tages begab ich mich an Bord und wurde in die Kajütte hinabgeführt, um mich zu melden. Madame To, eine lange, hagere Frau, saß an ihrem Piano; sie erhob sich, als ich eintrat, und richtete mehrere Fragen an mich: wer meine Verwandten seien, wie viel sie mir jährlich Zuschuß geben, und noch einiges andere, was ich für unverschämt hielt – übrigens der Frau eines Kapitäns ist gestattet, sich Freiheiten herauszunehmen. Sie fragte mich auch, ob ich ein Freund von Musik sei? Dies war nun eine schwer zu beantwortende Frage – denn sagte ich Ja, so mußte ich aller Wahrscheinlichkeit nach ihrem Spiel zuhören, sagte ich aber Nein, so konnte ich sie mir leicht abgeneigt machen. Deshalb erwiderte ich ihr, ich sei ein großer Freund der Musik am Lande, wenn man durch kein anderes Geräusch gestört sei.

»Ah, daran erkenne ich, daß Sie ein wirklicher Liebhaber sind«, entgegnete die Lady.

Jetzt kam Kapitän To, halb angekleidet, aus der hinteren Kajütte heraus.

»Nun, mein junger Mann, sind Sie endlich eingetroffen? Speisen Sie heute mit uns, und da Sie jetzt doch in Ihre Schlafstätte hinabgehen, sagen Sie der Schildwache, sie solle mir den Schlächter herschicken, denn ich will ihn sprechen.«

Ich verbeugte mich und ging fort. Von den Offizieren, so wie von meinen Kameraden, den Seekadetten, wurde ich aufs freundlichste empfangen; sie alle waren schon vor meiner Ankunft durch O'Brien günstig für mich gestimmt. In unserem Dienste trifft man immer die jungen Leute aus den besten Familien an Bord großer Fregatten, da diese für die zweckmäßigste Art von Fahrzeugen gehalten werden. Meine Tischgenossen waren, mit einer oder zwei Ausnahmen, anständige Bursche, aber nie sah ich so viele wilde junge Leute beisammen. Ich setzte mich nieder und aß etwas mit ihnen, obgleich ich in der Kajütte speisen sollte; denn die Seeluft hatte mich hungrig gemacht.

»Speisen Sie nicht in der Kajütte, Simpel?« fragte der Proviantmeister.

»Doch«, antwortete ich.

»Dann essen Sie hier kein Schweinefleisch, mein lieber junger Mann, denn Sie werden solches dort in Hülle und Fülle bekommen. Kommt, Gentlemen, füllet Eure Gläser! wir wollen auf die Gesundheit unseres neuen Tischgenossen trinken, und indem wir auf sein Wohl Bescheid thun, verbürgen wir uns, zu seiner Beförderung alles beizutragen.«

»Diesem Trinkspruch will ich mich anschließen«, sagte O'Brien, in die Kajütte der Seekadetten hereintretend. »Was trinkt Ihr da?«

»Ein wenig von Collier's Portwein, Sir; Bursche, bring 'n Glas für Herrn O'Brien.«

»Dies auf Dein Wohl, Peter, mit dem Wunsche, daß Du auf dieser Fahrt nicht wieder in französische Gefangenschaft gerätst. Herr Montague, Sie als Proviantmeister bitte ich, ein anderes Licht herbeizuschaffen, damit ich auch sehen kann, was aufgetragen ist, und ob ich vielleicht nicht etwas finde, davon ich ein Stück nehmen möchte.«

»Hier ist der Rest von 'ner Hammelskeule, Herr O'Brien, und da ein Stück gesotten Schweinefleisch.«

»Dann möchte ich Sie doch um ein Stück von jener bitten. Peter, Du speist in der Kajütte, wie ich auch – der Doktor aber lehnte es ab.«

»Haben Sie nicht gehört, wann wir absegeln, Herr O'Brien?« fragte einer meiner Kameraden.

»Auf dem Admiralitätsamt ließ ich mir sagen, man glaube, wir werden Befehl bekommen, nach Plymouth zu segeln, um dort weitere Ordre, vermutlich zur Fahrt nach Ost- oder Westindien, zu erhalten, und in der That lassen die Vorräte, die wir eingenommen haben, darauf schließen, daß wir nach einem fremden Weltteile bestimmt sind; übrigens wird gerade des Kapitäns Signal gegeben – vermutlich hat der Admiral Nachrichten mitzuteilen.«

Etwa eine Stunde später kehrte der Kapitän, ziemlich rot und erhitzt aussehend, zurück. Er rief den ersten Leutnant von den übrigen Offizieren, die sich auf dem Verdeck zu des Kapitäns Empfang befanden, weg, nahm ihn beiseite und sagte ihm, daß wir am nächsten Morgen nach Plymouth segeln würden, und daß ihm der Admiral ferner im Vertrauen mitgeteilt habe, wir müßten mit einem Konvoy, das sich dort versammle, nach Westindien fahren. Er schien sehr beunruhigt durch den Gedanken, Futter für die Landkrebse geben zu sollen, denn seine starke Leibesbeschaffenheit machte ihn allerdings ganz unfähig für das dortige Klima.

Diese Neuigkeit verbreitete sich bald auch auf dem ganzen Schiffe, und veranlaßte ein nicht geringes Getreibe und Gewühl mit den Vorbereitungen zur Abfahrt. Der Doktor, der es unter dem Vorwand des Unwohlseins abgelehnt hatte, in des Kapitäns Kajütte zu speisen, ließ sagen, er befinde sich nun so bedeutend besser, daß er mit großem Vergnügen der Einladung nachkommen werde; und als O'Brien und ich zur Tafel gingen, schloß er sich uns an.

Wir setzten uns zu Tische, die Schüsseldeckel wurden abgenommen und, wie die Seekadetten vorausgesagt hatten, – Schweinefleisch war in Hülle und Fülle da; nach Art der Schildkrötensuppe aus Schweinskopf bereitete Suppe – eine gesottene Schweinskeule und Erbsenpudding – ein gebratenes Rippenstück mit der knackenden Haut daran – Würste und Kartoffeln nebst Schweinsfüßen. Ich kann nicht sagen, daß mir das Essen nicht behagt hätte, ich ließ es mir vielmehr tüchtig schmecken; daß übrigens als zweiter Gang noch ein gebratenes Spanferkel auf den Tisch kam, darüber wunderte ich mich sehr, noch mehr aber über das Quantum von Speisen, welches Madame To verschlang. Vom gesottenen Schweinefleisch ging sie zum gebratenen über, dann ließ sie sich etwas Schweinsfüße geben, versuchte hierauf die Würste und schloß erst mit einem ganzen Teller voll Spanferkel nebst Füllung. Zuletzt erschien noch eine Apfeltorte; weil wir aber schon Apfelsauce zu dem Schweinebraten gespeist hatten, so mochten wir nichts davon. Der Doktor, der sonst Schweinefleisch nicht ausstehen konnte, aß tüchtig darauf los und zeigte sich äußerst aufmerksam gegen Madame To.

»Mögen Sie nicht 'n Stück gebraten Schweinefleisch nehmen?« fragte der Kapitän.

»Gewiß, Kapitän To; da wir ja, nach allem zu schließen, auf eine Station bestimmt sind, wo man sich nicht ans Schweinefleisch wagen darf, so hab' ich nicht im Sinn, ein Stück abzuschlagen, denn ich bin ein großer Liebhaber davon.«

»Wie meinen Sie das?« fragten der Kapitän und seine Dame, beide in einem Atem.

»Vielleicht bin ich falsch unterrichtet«, antwortete der Doktor; »aber ich habe gehört, wir würden nach Westindien beordert. Nun, wenn das richtig ist, so weiß jeder, daß, obgleich nichts gefährliches darin liegt, dort bisweilen gesalzenes Schweinefleisch zu essen, dagegen ein zwei- oder dreitägiger Genuß dieser Speisen in allen tropischen Klimaten, und namentlich in Westindien, sofort die Ruhr herbeiführt, die unter einem solchen Himmelsstriche leicht tödlich wird.«

»Ist's möglich?« rief der Kapitän aus.

»Sagen Sie das im Ernste?« fügte die Lady bei.

»Allerdings; ich habe auch gerade aus diesem Grunde stets Westindien gemieden – denn ich bin ein Liebhaber von Schweinefleisch.«

Der Doktor erzählte nun eine Menge von Fällen, wie Kameraden von ihm und Schiffsleute von der Ruhr befallen worden seien, nur weil sie frisches Schweinefleisch in Westindien gegessen hätten; und O'Brien, der des Doktors Spiel durchschaute, schloß sich ihm an und erzählte gleichfalls einige sehr auffallende Beispiele von den fürchterlichen Wirkungen des Schweinefleisches in heißen Ländern. Ich glaube, er sagte, als die Franzosen vor der Übergabe von Martinique blockiert worden seien, und nichts anderes als Schweinefleisch zu essen gehabt hätten, seien von siebenzehnhundert Soldaten und Offizieren im Verlaufe von drei Wochen dreizehnhundert gestorben und die übrigen so krank geworden, daß sie dies zur Kapitulation genötigt habe. Dann ging der Doktor zu einem andern Gegenstand über und sprach vom gelben Fieber und andern Krankheiten jenes Klimas, so daß nach seiner Angabe Westindien nichts anderes war als ein Hospital, um darin zu sterben. Starke und kräftige Leute, sagte er, würden am ehesten krank, während für magere das Verhältnis günstiger sei.

Dieses Gespräch wurde fortgeführt, bis es Zeit war, vom Tische aufzustehen; – Madame To ward zuletzt ganz stille und der Kapitän schluckte seinen Wein mit einem Seufzer hinunter. Als wir aufstanden, lud uns Madame To nicht, wie gewöhnlich, ein, da zu bleiben und ein wenig Musik anzuhören; sie war, wie ihr Piano, ganz verstimmt.

»Bei dem Allmächtigen, Doktor, das haben Sie gut gemacht«, sagte O'Brien, als wir aus der Kajütte fort waren.

»O'Brien«, erwiderte der Doktor, »thun Sie mir den Gefallen, und auch Sie, Herr Simpel, und erzählen Sie auf dem Schiff kein Wort von dem, was ich gesagt habe; denn wenn das mindeste davon bekannt würde, so hätte ich nichts Gutes gemacht; wenn Sie aber eine kurze Zeit schweigen, so glaube ich Ihnen versprechen zu dürfen, daß wir Kapitän To, sein Weib und seine Schweine vom Halse bekommen.«

Wir sahen das Richtige seiner Bemerkung ein und versprachen ihm Stillschweigen.

Am andern Morgen ging das Schiff nach Plymouth unter Segel, und Madame To schickte nach dem Doktor, da sie sich nicht ganz Wohl befand. Dieser verschrieb ihr etwas, machte sie aber, wie ich auf mein Gewissen glaube, absichtlich kränker. Das Unwohlsein seiner Frau und seine eigene Furcht brachte Kapitän To mehr als gewöhnlich in Berührung mit dem Doktor, den er häufig um seine aufrichtige Meinung darüber befragte, welche Aussichten wohl ein heißes Klima für seinen Gesundheitszustand darbiete.

»Kapitän To«, sagte der Doktor, »nie würde ich Ihnen meine Ansicht preisgegeben haben, wenn Sie nicht danach gefragt hätten; denn ich weiß wohl, daß Sie, als Offizier, sich nie von Ihrer Pflicht zurückziehen mögen, nach welchem Teile des Erdballs Sie auch beordert würden. Da Sie nun aber einmal die Frage an mich gerichtet haben, so muß ich sagen, daß Sie nach meinem Dafürhalten bei Ihrer starken Leibesbeschaffenheit keine Aussicht haben, länger als zwei Monate dort zu leben. Übrigens mag ich mich irren, Sir; aber in jedem Fall muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Madame To sehr gallichter Konstitution ist, und ich glaube demgemäß, daß Sie gegen solch' eine liebenswürdige Frau nicht so unbillig sein werden, sich von ihr begleiten zu lassen.«

»Schönen Dank, Doktor, ich bin Ihnen sehr verbunden«, antwortete der Kapitän, drehte sich um und ging die Treppe hinab in seine Kajütte.

Wir steuerten nun den Kanal hinab; aber, obgleich wir mit günstigem Winde durch die Nadeln gekommen waren, so trat jetzt doch Windstille ein, und als wir uns Portland gegenüber befanden, schlug der Wind nach Westen um.

Den nächsten Tag gab der Kapitän Befehl, ein ganz schönes Schwein zu schlachten, denn seine Lebensmittel gingen zu Ende; da aber Madame To noch immer das Bette hütete und er somit keine Gesellschaft haben konnte, so bestimmte er, daß ein Teil des Schweines eingesalzen werden solle. Ich war gerade in der Kajütte der Seekadetten, als einige der jungen Leute den Vorschlag machten, wir wollten dieses Schwein in unsern Besitz zu bekommen suchen; der Plan, der sodann auch angenommen wurde, war folgender: des nachts nach dem Stalle zu gehen, mit einer in ein Stück Holz befestigten Nadel dem Schweine am ganzen Körper Stiche beizubringen. in die Wunden Stellen aber Schießpulver einzureiben. Dies geschah, und obgleich der Schlächter ein Dutzend Mal während der Nacht auf war, um nachzusehen, was denn das Tier so unruhig mache, so überlieferten doch die Seekadetten einander von Ablösung zu Ablösung die Nadel, bis es über und über tättowiert war. Während der Morgenwache wurde es getötet, und als es im Zuber abgebrüht und abgeborstet wurde, zeigte sich, daß es ganz mit blauen Flecken überdeckt war. Der Seekadett von der Morgenwache, der sich auf dem Hauptverdeck befand, war dafür besorgt, dem Schlächter bemerklich zu machen, das Schwein sei finnig; dies mußte dieser auch, wider seinen Willen, zugeben, er bemerkte aber zugleich, er könne nicht begreifen, wie dies möglich sei, denn noch nie habe er ein Messer in ein schöneres Tier gestochen. Der Vorfall wurde dem Kapitän berichtet, der hierüber sehr erstaunt war, und da der Doktor gerade hereinkam, um nach Madame To zu sehen, so forderte er diesen auf, das Schwein zu untersuchen und sein Gutachten abzugeben. Obgleich dies nun nicht des Doktors Sache war, so willigte er doch, da er jetzt gerade besondere Gründe hatte, mit dem Kapitän in gutem Verhältnisse zu bleiben, ohne Bedenken ein. Auf dem Weg zur Inspizierung traf er mich; ich erzählte ihm unser Geheimnis.

»Das wird gute Dienste thun«, antwortete er; »alles das trägt zu unsern Wünschen bei.«

Als er zum Kapitän zurückkehrte, sagte er diesem: »Das Schwein sei ohne allen Zweifel finnig; dies sei eine Krankheit, die sehr häufig am Bord der Schiffe vorkomme, besonders in heißen Klimaten, wo alle Schweine finnig würden – ein Hauptgrund, warum sie dort der Gesundheit so schädlich seien.« Der Kapitän schickte hierauf nach dem ersten Leutnant und erteilte ihm die Weisung, das Schwein über Bord werfen zu lassen; aber dieser wußte schon von O'Brien, was geschehen war, und befahl demgemäß dem Schiffsmeistergehilfen, dasselbe ins Wasser zu werfen. Dieser nun lüftete seinen Hut mit den Worten: »Ganz gut, Sir«, und brachte es in die Seekadettenkajütte herab, wo es ausgeschnitten und zur Hälfte eingesalzen wurde; mit der andern Hälfte waren wir noch vor unserer Ankunft in Plymouth, die sechs Tage nach unserem Abgänge von Portsmouth erfolgte, fertig. Wir trafen schon einen Teil des Convoy daselbst vor Anker liegend, aber noch keine Befehle für uns. Zu meiner großen Freude lief am folgenden Tage die Diomede von einem Kreuzzuge nach den westlichen Inseln im Hafen ein; ich erhielt die Erlaubnis, mit O'Brien an Bord zu gehen, und so sahen wir unsere Kameraden wieder. Herr Falkon, der erste Leutnant, meldete Kapitän Savage, daß wir an Bord seien, worauf uns dieser einlud, in seine Kajütte hinab zu kommen. Er begrüßte uns herzlich und erteilte uns große Lobsprüche über die Art und Weise, wie wir unsere Flucht aus Frankreich bewerkstelligt hatten. Beim Fortgehen aus der Kajütte traf ich Herrn Chucks, den Bootsmann, der außen auf uns wartete.

»Mein lieber Herr Simpel, geben Sie Ihre Pfote her, denn ich bin sehr erfreut, Sie zu sehen, und wünschte nur, recht lange mit Ihnen plaudern zu können.«

»Auch ich wünschte das, Herr Chucks, aber ich fürchte, wir haben keine Zeit dazu; ich speise heute bei Kapitän Savage und bis dahin ist es nur noch eine Stunde.«

»Wohlan, Herr Simpel, ich habe da Ihre Fregatte betrachtet, sie ist 'ne Schönheit; viel größer als die Diomede.«

»Und sie bewährt sich auch auf der Fahrt sehr gut«, antwortete ich. »Sie ist, glaub' ich, zweihundert Tonnen größer. Sie haben keine Vorstellung von ihrem Umfange, bis Sie einmal auf die Verdecke kommen.«

»Ich möchte wohl Bootsmann auf ihr sein, Herr Simpel, das heißt, mit Kapitän Savage; denn den will ich nicht verlassen.«

Ich sprach noch einiges Weitere mit Herrn Chucks, aber nun mußte ich auch den andern, die uns unterbrachen, Gehör schenken. Nachdem wir recht vergnügt mit unserem früheren Kapitän, dem wir die Geschichte unserer Abenteuer erzählten, zu Mittag gespeist hatten, kehrten wir wieder an Bord unseres Schiffes zurück.

.


 << zurück weiter >>