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Sechstes Kapitel.

O'Brien versichert seiner Mannschaft, daß auf dem Salzwasser ein einziger Engländer drei Franzosen aufwiege. – Sie liefern den Beweis. – Wir treffen mit einem alten Bekannten zusammen, der gleichfalls nicht als Freund betrachtet werden kann.

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Unsere nächste Fahrt ging nach der Küste von Guinea und dem Golf von Mexiko, zwischen denen wir drei Monate hin- und herkreuzten, ohne daß wir auf etwas anderes trafen, als auf nach Demerara, Berbice und Surinam segelnde Westindienfahrer; hin und wieder jagten wir wohl auch einen Kaper, aber in den leichten Winden waren sie uns zu schnell. Dessenungeachtet machten wir uns durch Beschützung des Handelsverkehrs nützlich, und als O'Brien die Station verließ, erhielt er von den Kaufleuten ein Danksagungsschreiben, nebst einem schönen Geschenke an Silberzeug. Wir waren zwei Tage auf dem Wege nach Barbadoes, und hatten bereits die Insel Trinidad im Auge, als wir sechs Segel auf unserem Leebug bemerkten. Es waren drei große Schiffe und drei Schoner, die wir, was sich auch nachher als richtig herausstellte, für drei Kaper mit eben so viel genommenen Westindienfahrern hielten. Wir setzten alle Segel bei, und anfangs thaten die drei Kaper das Gleiche; als sie jedoch später unsere Streitkraft entdeckten, und ihre Prisen nicht aufgeben mochten, so entschlossen sie sich zum Kampfe. Die Westindienfahrer holten auf dem anderen Gange nach dem Winde um, während die drei Kaper ihre Segel kürzten und unsere Ankunft erwarteten. Wir ließen auf die Posten trommeln. Sobald alles bereit war, und wir noch eine Meile von dem Feinde, der jetzt die dreifarbige Fahne aufgezogen hatte, entfernt lagen, berief O'Brien die gesamte Mannschaft nach dem Halbdecke und redete sie folgendermaßen an:

»Ihr seht, meine Leute, daß da drei Kaper sind, und bemerkt auch, daß sie drei genommene Westindienfahrer mit sich führen. Was die Kaper betrifft, so seid ihr denselben völlig gewachsen, denn ein Engländer nimmt es stets mit drei Franzosen auf. Die Kaper müssen wir schlagen um der Ehre und des Ruhmes willen, und die Schiffe müssen wir haben wegen des Gewinnes, denn wenn ihr wieder ans Land geht, könnt ihr wohl einiges Geld brauchen. Ihr werdet daher jetzt gerade mit einem halben Dutzend Dingen zu thun haben, und dann wollen wir zum Essen pfeifen.«

Diese Anrede gefiel den Matrosen sehr wohl, und sie kehrten zu ihren Geschäften zurück.

»Nun, Peter«, sagte O'Brien, »ruf' jetzt die Segelsetzer von den Kanonen ab, denn ich gedenke, mit diesen Burschen unter Segel zu fechten und sie auszumanövrieren, wenn ich kann. Sage Herrn Webster, ich wünsche ihn zu sprechen.«

Herr Webster war der zweite Leutnant, ein fester, ruhiger junger Mann und guter Offizier. »Herr Webster«, sagte O'Brien, »merken Sie wohl, daß alle Vorderkanonen sehr tief gerichtet werden müssen. Es ist mir lieber, daß die Kugeln das Wasser streifen, ehe sie treffen, als daß sie über den Feind hinfliegen. Sorgen Sie dafür, daß Ihre Winden alle zugleich angetrieben werden, und ich will darauf Bedacht nehmen, daß keine volle Lage vergeblich gelöst wird. Steuerbord, Swinburne!«

»Steuerbord ist's, Sir.«

»Fest drauf; so – das ist recht, hin auf den Stern des Schiffes im Lee.«

Wir waren noch zwei Kabellängen von den Kapern entfernt, die in kurzen Entfernungen von einander beilagen. Es waren sehr große Schooner, voll Menschen, mit Enternetzen umsteckt, und zeigten uns eine hübsche Reihe von Zähnen. Wie sich später herausstellte, führte der eine sechzehn, die beiden anderen vierzehn Kanonen.

»Nun, meine Jungen, hinüber zu den Leekanonen und gebt Feuer, während wir umlegen. Leute an die Leehauptbrassen und ans Klüver! Streckt die Wetterbrassen. Quartiermeister, hinten das Bramsegel angezogen! Hart Steuer an Backbord, Swinburne!«

»Backbord ist's, Sir«, versetzte Swinburne.

Die Brigg legte im Winde um, schoß unter die Sterne der zwei am meisten luvwärts gelegenen Schooner, und gab eine volle Lage, sobald das Geschütz im passenden Striche lag.

»Hurtig, meine Jungen! Frisch geladen und bei denselben Kanonen geblieben. Holt die Luvhauptbrassen ein! Peter, ich will nicht umdrehen lassen. Halte Dich bereit, das Bramsegel überzuholen, wenn wir vom Winde abkommen. Swinburne, das Ruder auf Schiffsmitte.«

Jetzt wurde den Schoonern eine zweite Lage zugeschickt. Sie hatten unser Feuer noch nicht erwidert, was sie auch nicht thun konnten, da sie unklugerweise im Winde beiliegen blieben. Die Brigg deinste jetzt, und O'Brien führte ein sehr geschicktes Manöver aus; er drehte das Steuer, trieb so weit ab, daß die Brigg hinter den beiden Luvschoonern und dem im Lee die Mitte hielt, und brasste zu gleicher Zeit auf den anderen Gang um.

»Beide Seiten bemannt, ihr Jungen, und gebt ihnen im Vorbeifahren unsere Lagen.«

Die Matrosen flogen zu dem Steuerbordgeschütze hinüber. Da die Kanonen der anderen Seite bereits geladen waren, so gaben wir abwechselnd den lee- und windwärts gelegenen Schoonern volle Lagen; dabei deinste die Brigg fortwährend, bis wir an ihren Schnäbeln vorbei waren. Mittlerweile hatten wir wieder geladen. Die Brigg fuhr wieder vorwärts, und abermals kamen wir zwischen denselben beiden Schoonern an den Sternen vorbei, zugleich unsere Kugelgrüße abgebend.

»Bravo, meine Jungen, trefflich!« rief O'Brien; »das nenne ich mir ein gutes Gefecht.«

Und so war es, denn O'Brien hatte zwei gut gezielte Lagen und vier andere gegeben, welche nur durch zwei erwidert wurden, denn die Schooner waren noch nicht für uns fertig, als wir das letzte Mal durchfuhren.

Der Rauch wälzte sich nun leewärts, und wir konnten die Wirkung unserer Salven sehen. Der mittlere Schooner hatte seine Hauptspiere verloren und schien auch im Rumpfe sehr beschädigt zu sein. Der Schooner im Lee hatte nicht viel gelitten; indes bemerkten die Feinde jetzt ihren Irrtum und setzten Segel aus. Sie hatten erwartet, wir würden zwischen ihnen durchlaufen und Breitseite gegen Breitseite spielen lassen; dadurch hätte der am meisten im Luv gelegene Schooner eine für uns sehr gefährliche Stellung gewonnen, während uns die anderen wind- und leewärts zu schaffen gemacht hätten. Unsere eigenen Beschädigungen waren unbedeutend – zwei Matrosen leicht verwundet und eine der großen Wände abgeschossen. Wir liefen eine halbe Meile sternwärts, luden unsere Geschütze, lavierten und fanden, wie wir erwartet hatten, daß wir ihnen den Wind abgewinnen konnten. Sobald dies geschehen war, brachte O'Brien die Brigg dem Luvschooner einen Steinwurf weit nahe und griff ihn, Breitseite gegen Breitseite, an, wobei er den Vorteil hatte, daß die anderen keinen Schuß lösen konnten, ohne befürchten zu müssen, ihre eigenen Gefährten zu treffen. Setzte er mehr Segel bei, so thaten wir das Gleiche, kürzte er sie, so folgten wir seinem Beispiele, was uns in die Lage setzte, mit wenig Veränderung unsere Stellung beizubehalten. Der Schooner focht gut, aber sein Metall stand in keinem Vergleich mit unseren Zweiunddreißigpfündern, welche in der Entfernung die Seiten des feindlichen Schiffes so zerwetterten, daß je zwei Stückpforten in eine verwandelt wurden. Endlich ging sein Fockmast über Bord und er blieb zurück. In der Zwischenzeit hatten die anderen Schooner laviert und kamen nun unter unseren Stern, um uns zu bestreichen. Aber der Unfall, welcher dem ersten begegnet war, gab uns freie Hände. Wir wußten, daß er nicht mehr entkommen konnte, weshalb wir gleichfalls lavierten und die beiden anderen angriffen, indem wir so dicht als möglich auf sie zuschossen. Es sprang jetzt eine Brise auf; O'Brien ließ das Steuer stellen und fuhr mitten durch, beiden eine tüchtige Kartätschenladung gebend, so daß der Mannschaft die Splitter um die Ohren flogen. Dies behagte ihnen nicht, und der kleinste Schooner, der beim Beginne des Gefechts am meisten leewärts gelegen hatte, setzte jetzt alle Segel bei, um den Wind zu gewinnen. Wir setzten die Oberbramsegel aus, um ihm zu folgen, bemerkten aber jetzt, daß der andere Schooner, dem wir die Hauptspiere abgeschossen, das Steuer aufgehoben und alle Segel vor dem Winde ausgesetzt hatte. O'Brien sagte daher:

»Wir müssen nicht zu viel wollen, damit wir nicht alles verlieren. Lege um, Peter, wir müssen uns mit dem einen, das uns geblieben ist, begnügen.«

Wir wendeten und fuhren nach dem Schooner hin, der den Fockmast verloren hatte; da jedoch dieser sich von seinen Kameraden verlassen sah, holte er seine Flagge herunter, als wir eben eine Lage geben wollten. Unsere Leute riefen ein dreifaches Hurrah, und es war eine Lust anzusehen, wie sie sich gegenseitig die Hände drückten und lachend über den glücklichen Erfolg unserer Unternehmung beglückwünschten.

»Nun, meine Jungen, seid hurtig! Wir haben genug für die Ehre gethan und müssen jetzt auch ein bischen für den Gewinn thätig sein. Peter, bemanne die zwei Kutter und gehe an Bord des Schooners, während ich die drei Westindienfahrer fassen will. Richte dann eine Art Notmast auf und folge mir.«

In einer Minute waren die Kutter niedergelassen und bemannt. Ich nahm den Schooner in Besitz, während die Brigg abermals lavierte und mit allen Segeln nach den gekaperten Schiffen hinsteuerte. Der Schooner, der größte von den dreien, hieß Johanna d'Arc, war mit sechzehn Kanonen ausgerüstet und hatte dreiundfünfzig Mann an Bord; die übrigen fanden sich auf den Prisen. Der Kapitän war schwer verwundet, und einer der Offiziere getötet. Unter der Mannschaft fanden sich nur acht Gefallene und fünf Verwundete. Ich erfuhr, daß der Schooner vor drei Monaten von Saint Pierre auf Martinique ausgesegelt war; er hatte die beiden anderen Kaper getroffen, in Gesellschaft mit denselben gekreuzt, und während dieser Zeit neun Westindienfahrer zu Prisen gemacht.

»Bitte«, sagte ich zu dem Offizier, der mir diese Auskunft erteilte, »wurden Sie nie von Booten angegriffen, als Sie im Hafen von Saint Pierre lagen?«

Er antwortete bejahend und fügte bei, daß sie dieselben abgeschlagen hätten.

»Haben Sie diese Masten von einem Amerikaner gekauft?«

Er bejahte dies gleichfalls. Wir hatten also dasselbe Schiff genommen, das wir früher aus dem Hafen zu holen versuchten, und bei welcher Gelegenheit wir so viele Leute verloren hatten.

Wir waren alle sehr erfreut darüber, und Swinburne sagte:

»Ich will mich hängen lassen, Sir, wenn es mich nicht dünkte, als habe ich diese Geschützpforte schon früher gesehen. Ich riß einem der Spitzbuben, der mich niederstechen wollte, eine Pike aus der Hand, und jagte wenigstens ein Dutzend Musketenkugeln durch das nämliche Loch. Nun, ich bin verteufelt froh, daß wir den erbärmlichen Kerl am Ende doch noch gefaßt haben.«

Wir verwahrten die Gefangenen im Raume und begannen, den Schooner in Ordnung zu bringen. In einer halben Stunde waren wir mit dem Knöpfen und Splissen fertig, und hatten auch nach Verlauf einer weiteren Stunde, da ein paar Zimmerleute mit uns waren, vorn einen kleinen Notmast aufgepflanzt, der für den Augenblick zureichte. Wir ließen das große Segel nieder, setzten Versuchssegel bei und folgten der Brigg, die jetzt dicht vor den Prisen lag: sie kamen aber wieder auseinander, und erst gegen Abend gelang es uns, zwei davon in Besitz zu nehmen. Die dritte befand sich mit gesenktem Rumpfe auf dem anderen Gange, und die Brigg machte auf sie Jagd. Wir folgten ihr mit den zwei genommenen Schiffen, wie auch mit unserem Notmastschooner, denn wir fanden, daß dieser eben so schnell segelte. Am nächsten Morgen sahen wir die Brigg beilegen. Sie stand ungefähr drei Meilen vorn und hatte auch das dritte Schiff in Besitz genommen. Wir schlossen uns ihr an und ich begab mich an Bord. Webster erhielt das Kommando über den Kaper. Wir blieben denselbigen Tag liegen, um unsere Prisenmeister und Matrosen an Bord zu schicken und die Gefangenen unterzubringen: auch richteten wir einen besseren Notmast auf und segelten dann gemeinschaftlich nach Barbados. Als ich wieder an Bord der Brigg zurückkehrte, fand ich, daß wir nur einen Matrosen und einen Jungen verloren hatten. Die Zahl der Verwundeten belief sich auf sechs; doch waren die Beschädigungen nicht der Rede wert. Ich vergaß zu sagen, daß die beiden flüchtig gewordenen Kaper l'Etoile und la Madelaine waren.

Nach vierzehn Tagen langten wir mit unsern Prisen wohlbehalten in Carlisle-Bai an, wo wir auf den Admiral trafen, der nur zwei Tage vor uns angekommen war. Ich brauche kaum zu sagen, daß O'Brien eine sehr gute Aufnahme fand und viel Lob erntete. Ich fand mehrere Briefe von meiner Schwester, deren Inhalt mich schmerzlich berührte. Mein Vater war einige Monate in Irland gewesen und wieder zurückgekehrt, ohne etwas zu erfahren. Meine Schwester sagte, er fühle sich sehr unglücklich, widme seinem geistlichen Berufe keine Aufmerksamkeit, und sitze oft Tage lang da, ohne zu sprechen. Er habe sich in seinem Aussehen sehr verändert, und sei mager und abgehärmt. »Mit einem Worte, mein lieber Peter«, schrieb sie mir, »ich fürchte, daß er sich zu Tode grämt. Natürlich bin dann auch ich sehr einsam und schwermütig. Ich kann mich der Gedanken nicht erwehren, was aus mir werden wird, wenn dem Vater etwas zustoßen sollte. Von dem Onkel will ich keinen Schutz, und doch, wie soll ich mein Leben fristen, da der Vater nichts erspart hat? Ich bin in der letzten Zeit sehr fleißig gewesen und suche mich zu einer Erzieherin auszubilden; auch übe ich mich mehrere Stunden des Tages auf der Harfe und dem Piano. Es wird mich sehr, sehr freuen, wenn Du bald wieder nach Hause kommst.«

Ich zeigte O'Brien die Briefe, der sie mit viel Aufmerksamkeit las. Ich bemerkte, daß eine Glut seine Wangen überflog, als er auf die Stellen kam, in denen sein Name genannt und Ellen's Dankbarkeit für die Güte ausgedrückt war, die er gegen mich bewies.

»Sei ohne Sorge, Peter«, sagte O'Brien, als er mir die Briefe zurückgab. »Wem anders verdanke ich meine Beförderung und diese Brigg als Dir? Dazu kommt auch noch all das Prisengeld, das ich errungen habe und das, beim Haupte des heiligen Patrik, eine recht anständige Summe ausmacht. Wegen Deines lieben Schwesterleins darfst Du ganz ruhig sein. Wir werfen Dein und mein Prisengeld zusammen, und sie kann dann einen Herzog heiraten, wenn's in England einen giebt, der sie verdient. Die Franzosen sollen ihre Mitgift liefern, so gewiß als die Klapperschlange einen Schwanz hat.«

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