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Neuntes Kapitel.

Eine lange Unterhaltung mit Herrn Chucks. – Der Vorteil, ein Gebetbuch in der Tasche zu haben. – Wir fahren unter Passatwind. – Swinburne, der Quartiermeister und seine Garne. – Der Kapitän erkrankt.

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Am nächsten Tage kam der Kapitän mit versiegelten Ordres über unsere Bestimmung an Bord, die jedoch erst aus der Höhe von Ushant geöffnet werden sollten. Am Abend lichteten wir die Anker und fuhren ab. Es ging ein frischer Nordwind und die Bucht von Biscaya war ruhig. Wir fuhren durch, setzten alle Leesegel bei und legten in der Stunde elf Meilen zurück.

Da ich nicht auf dem Hinterdeck erscheinen konnte, so ward ich auf die Krankenliste gesetzt. Kapitän Savage, der sich nach allem genau erkundigte, fragte, was mir denn fehle, und der Doktor sagte ihm »eine Augenentzündung.« Er forschte nun nicht weiter nach, und ich hütete mich wohl, ihm unter das Gesicht zu kommen. Des Abends ging ich auf dem Vorderkastell herum, wo ich auch meine alte, trauliche Bekanntschaft mit dem Bootsmann, Herrn Chucks, erneuerte, und ihm einen genauen Bericht über alle meine Abenteuer in Frankreich gab.

»Ich habe darüber nachgedacht, Herr Simpel«, sagte er, »wie so 'n Backfisch wie Sie so viele Beschwerden ertragen konnte, und jetzt weiß ich, woher das kommt. Das ist Blut, Herr Simpel – lauter Blut – Sie stammen von gutem Blut, und zwischen dem Adel und den unteren Klassen herrscht 'n eben so großer Unterschied, als zwischen einem Rennpferde und einem Karrengaul.«

»Da kann ich Ihnen nicht beistimmen, Herr Chucks, gemeine Leute sind ebenso tapfer als vornehm geborene. Es fällt Ihnen doch gewiß nicht ein, zu sagen, daß Sie selbst nicht tapfer seien, eben so wenig, als Sie dies von den Leuten an Bord dieses Schiffes werden behaupten wollen?«

»Nein, nein, Herr Simpel; aber was mich selbst betrifft, so war meine Mutter eine Frau, der man nicht trauen durfte, und man kann also nicht sagen, wer mein Vater gewesen; denn sie war zugleich eine schöne Frau, und dies hebt ja in dieser Beziehung jeden Unterschied auf. Die Matrosen anlangend, so würde ich, weiß Gott, eine Ungerechtigkeit begehen, wenn ich nicht anerkennen wollte, daß sie so tapfer sind wie die Löwen. Aber, es gibt zwei Arten von Tapferkeit, Herr Simpel – die Tapferkeit für den Augenblick, und der Mut, eine lange Zeit auszudauern. Verstehen Sie mich?«

»Ich glaube wohl, doch kann ich Ihre Ansichten nicht teilen. Wer erträgt mehr Strapazen als unsere Matrosen?«

»Wohl wahr, Herr Simpel, doch das kommt daher, daß sie schon durch ihre ganze Lebensweise dazu abgehärtet sind; aber wenn die gemeinen Matrosen wie so kleine Zwirnwickel und so sorgsam erzogen worden wären wie Sie, so würden sie das nicht durchmachen, was Sie schon durchgemacht haben, 's ist meine feste Meinung, Herr Simpel – es geht nichts über Blut.«

»Mir scheint, Herr Chucks, Sie gehen in Ihren Ansichten über diesen Gegenstand zu weit.«

»Nicht doch, Herr Simpel, und ich glaube ferner, daß wer am meisten zu verlieren hat, sich auch am meisten wehrt. Nun ficht ein gemeiner Mann nur für seinen eigenen Ruf; wenn aber einer viele in der Geschichte berühmte Ahnen hat, wenn er ein Wappen führt mit Kreuz und Guirlanden, die über und über mit Löwen und Einhörnern besetzt sind, um die Reinheit des Wappenmantels zu hüten – wie, hat der nicht auch zugleich für den Ruhm aller seiner Vorfahren zu fechten, deren Name beschimpft würde, wenn er sich nicht tapfer benähme?«

»In letzterer Beziehung gebe ich Ihnen recht, Herr Chucks, bis auf einen gewissen Grad.«

»Ach was, Herr Simpel, wir wissen den Wert der guten Abkunft nicht zu schätzen, wenn wir sie besitzen; nur diejenigen, die sie nicht erlangen können, wissen sie zu würdigen. Ich wünschte in vornehmer Familie geboren zu sein – bei Gott, ich wünschte es«, und dabei schlug er mit der Faust so heftig gegen den Rauchfang, daß es widerhallte. »Übrigens, Herr Simpel«, fuhr er nach einer Pause fort, »ist mir jetzt ganz wohl, daß ich von Herrn Muddle, dem Narren mit seinen sechsundzwanzigtausend und so und so viel Jahren und dem alten Weibe, dem Feuerwerker Dispart, fort bin. Sie wissen gar nicht, wie ich mich über diese Leute ärgerte; es war 'ne Narrheit von mir, aber ich konnte nicht anders. Nun scheinen mir die Subalternoffiziere auf diesem Schiff sehr achtbare, gesetzte Leute zu sein, die den Dienst kennen, ihn pünktlich verrichten und nicht zu familiär sind, was ich hasse und verabscheue. Sie besuchten doch auch Ihre Verwandten, als Sie nach England kamen?«

»Ja, Herr Chucks, und ich verbrachte auch ein paar Tage bei meinem Großvater, dem Lord Privilege, mit dem Sie einmal zu Mittag speisten.«

»Schön; was macht denn der alte, edle Herr?« fragte der Bootsmann mit einem Seufzer.

»Er ist ganz wohl für sein hohes Alter.«

»Nun, bitte, Herr Simpel, erzählen Sie mir alles von Ihrem Besuche ganz genau, von da an, als Sie an der Hausthür von der Dienerschaft empfangen wurden, bis zu dem Augenblicke, da Sie wieder fortgingen. Geben Sie mir auch eine Beschreibung von dem Hause und seinen Zimmern, denn ich höre solche Sachen gar gerne, obgleich ich sie nicht wieder sehen werde.«

Herrn Chucks zu Gefallen ging ich nun auf eine genaue Beschreibung, auch der kleinsten Umstände ein, wobei er mir mit größter Aufmerksamkeit zuhörte, bis es ganz spät geworden war, und selbst dann ließ er mich nur sehr ungern in meine Hängematte hinabgehen.

Den nächsten Tag trug sich ein sonderbarer Fall zu. Der zweite Leutnant schickte einen Seekadetten, der vom Verdeck fortgegangen war, ohne seine Ablösung abzuwarten, zur Strafe auf die Mastspitze. Als er diesen jungen Mann rufen ließ, befand derselbe sich unten in unsern Kajütten, und da er nach den Mitteilungen des Quartiermeisters nun eine Strafe diktiert zu erhalten erwartete, so steckte er das erste Buch, das ihm in die Hände kam, in seine Rocktasche, um sich damit da droben die Zeit zu vertreiben. Dann kam er herauf auf das Verdeck und wurde auch, wie er vermutet, richtig auf die Mastspitze hinauf beordert. Er war noch keine fünf Minuten oben, als ein plötzlicher Windstoß die Haupt-Topgallantstenge wegriß und er leewärts herunterflog, denn der Wind hatte sich gedreht und die Raaen waren aufgebraßt. Wäre er über Bord gefallen, so würde er, da er nicht schwimmen konnte, aller Wahrscheinlichkeit nach ertrunken sein; aber mit dem Buch in seiner Tasche blieb er in den Schlingen des Fockbrassenblocks hängen, bis ihn die Topmatrosen dort wieder losmachten. Nun traf es sich gerade, daß er in seiner Eile ein Gebetbuch in die Hand bekommen hatte, und so behaupteten die Abergläubigen, seine Rettung sei bloß dem Umstande zuzuschreiben, daß er ein religiöses Buch bei sich gehabt habe. Ich bin aber anderer Ansicht und glaube, daß ein jedes andere Buch den Dienst eben so gut gethan hätte; der Seekadett hingegen glaubte selbst daran, was übrigens nur gute Folgen hatte, denn er war bisher ein ungezogener Bursche gewesen und wurde von nun an viel besser.

Doch hätte ich fast vergessen, eines Umstandes zu gedenken, der am Tage unserer Abfahrt statthatte und, wie die Erzählung zeigen wird, einen großen Einfluß auf mein späteres Leben ausübte. Ich erhielt nämlich einen Brief von meinem Vater, der in sichtlich großer Aufregung und Mißlaune geschrieben war, worin er mir meldete, mein Onkel, dessen Frau, wie bereits erwähnt, zwei Töchter geboren hatte und aufs neue der Niederkunft entgegensah, habe plötzlich seine Haushaltung aufgehoben, seine ganze Dienerschaft entlassen und sich unter einem andern Namen nach Irland begeben. Für diese unerklärliche Abreise habe derselbe keinen Grund angegeben, und selbst weder meinen Großvater noch irgend ein Mitglied der Familie von seinem Vorhaben in Kenntnis gesetzt. Seine Abreise sei nur durch einen Zufall und erst elf Tage nachher bekannt geworden. Mein Vater hatte sich große Mühe gegeben, den Aufenthaltsort meines Onkels ausfindig zu machen; aber obgleich man wußte, daß er die Richtung nach Cork eingeschlagen, so ging doch von jener Stadt an jede Spur verloren; nach den eingezogenen Erkundigungen übrigens glaubte mein Vater, daß er nicht ferne von dort sei. »Nun«, bemerkte er weiter unten in seinem Briefe, »kann ich nicht anders glauben, als daß mein Bruder in seiner ängstlichen und gierigen Bemühung, die Vorteile des Titels seiner eigenen Familie zu erhalten, den Entschluß gefaßt hat, durch irgend einen Kniff ein untergeschobenes Kind für das seinige auszugeben. Seine Frau nämlich erfreut sich durchaus keiner guten Gesundheit und hat wenig Hoffnung, große Nachkommenschaft zu bekommen; sollte sie also auch diesmal wieder eine Tochter gebären, so ist wenig Aussicht, daß sie je wieder in diese Umstände gerät, und ich nehme deshalb keinen Anstand, die Überzeugung auszusprechen, daß die ganze Maßregel mit dem Vorsatze unternommen wurde. Dich um die Aussicht zu betrügen, je einmal in das Haus der Lords berufen zu werden.«

Ich gab den Brief O'Brien, der ihn ein paarmal durchlas und dann seine Ansicht dahin aussprach, er glaube, mein Vater habe recht in seiner Vermutung.

»Verlaß Dich darauf, Peter, da ist Betrug beabsichtigt – das heißt, wenn Betrug nötig wird.«

»Aber, O'Brien, ich kann mir nicht denken, warum mein Onkel, wenn er keinen eigenen Sohn bekommt, lieber den Sohn einer fremden Person, anstatt seines leiblichen Neffen anerkennt.«

»Aber ich, Peter; Dein Onkel sieht nicht aus, als ob er noch lange leben sollte, wie Du wohl weißt. Der Doktor sagt, daß er ihm bei seinem kurzen Halse keine zwei Jahre mehr versprechen könne. Bedenke also, daß, wenn er einen Sohn hätte, auch seine Töchter besser daran wären und eher hoffen dürften, gut verheiratet zu werden; außerdem giebt es noch manche andere Gründe für ihn, von denen ich jedoch jetzt nicht sprechen will, denn es würde sich nicht schicken, Dir den Glauben beizubringen, Dein Onkel sei ein Schurke. Laß Dir aber sagen, was ich zu thun gedenke. Ich will jetzt stracks in meine Kajütte hinuntergehen und an Pater M'Grath schreiben, ihm die ganze Geschichte erzählen und ihn bitten, Deinen Onkel ausfindig zu machen und ihn genau zu bewachen; und ein Dutzend Flaschen Wein wette ich, eh' eine Woche vergeht, hat der ihn ausgespürt und hütet ihn auch bis zum letzten Augenblicke. Er wird wohl irische Dienerschaft annehmen, und Du weißt nicht, welche Gewalt in meiner Heimat ein Priester hat. Jetzt gieb mir nur, so gut Du kannst, eine Beschreibung über die Persönlichkeit Deines Onkels und seiner Frau; sag' mir auch, wie stark ihre Familie ist und wie alt sie sind. Pater M'Grath muß eine genaue Kenntnis selbst von den kleinsten Umständen haben, dann wird er schon selbst machen, was not thut.«

Ich kam O'Briens Wünschen nach, so gut ich konnte, und er schrieb einen langen Brief an Pater M'Grath, der durch eine sichere Hand ans Ufer befördert wurde. Ich antwortete auf das Schreiben meines Vaters, dachte übrigens an die ganze Geschichte nicht mehr.

Jetzt wurden auch unsere versiegelten Ordres eröffnet, und es fand sich, daß wir nach Westindien bestimmt waren, wie man zum voraus vermutet hatte. Bei Madeira legten wir an, um etwas Wein für die Schiffsmannschaft einzunehmen; da wir jedoch nur einen Tag vor Anker blieben, so durfte niemand von den Leuten ans Ufer. Ein Glück aber wäre es gewesen, wenn wir gar nicht dorthin gekommen wären, denn einen Tag nachher wurde unser Kapitän, der mit dem Konsul daselbst gespeist hatte, sehr heftig krank. Nach den Symptomen sprach der Arzt die Befürchtung aus, er möchte vergiftet worden sein durch eine Speise, die höchst wahrscheinlich in einem kupfernen und nicht gehörig verzinnten Kessel gekocht worden wäre. Wir alle waren ängstlich um seine Wiedergenesung besorgt, aber er schien im Gegenteil mit jedem Tage schlimmer zu werden, und, wie man zu sagen pflegt, zollweise abzusterben. Man mußte ihn endlich auf sein Lager bringen, das er auch nicht wieder verließ. Dieser Vorfall brachte in Verbindung mit dem Bewußtsein, daß wir jetzt in ein sehr ungesundes Klima kamen eine düstere Stimmung auf dem ganzen Schiffe hervor, und obgleich uns der Passatwind spielend durch die durchsichtige blaue See dahintrieb – obgleich es warm und doch nicht zu warm war – obgleich die Sonne im höchsten Glanze aufging, und alles so schön und herrlich war – so drückte doch des Kapitäns Erkrankung jede frohe Stimmung nieder. Jedermann trat sachte auf dem Verdeck auf und sprach leise, um ihn nicht zu stören; des Morgens sahen alle dem Rapport des Arztes mit kummervoller Teilnahme entgegen, und unser Gespräch drehte sich im allgemeinen ausschließlich um das ungesunde Klima, das gelbe Fieber, den Tod und um die Pfahlgruben, die dort unserer harrten. Swinburne, der Quartiermeister, war in meiner Wache, und da er längere Zeit in Westindien verlebt hatte, so suchte ich so viel als möglich Erkundigungen von ihm einzuziehen.

Der alte Schelm fand ein geheimes Vergnügen daran, mich, so viel er konnte, in Schrecken zu versetzen.

»In der That, Herr Simpel, Sie fragen so gar viel«, pflegte er zu sagen, wenn ich ihn anredete, während er auf seinem Posten an der Kanone stand; »ich wünschte, Sie machten sich selbst nicht so viel Sorge (»fest so – fest ist's«, rief er dazwischen hinein dem Matrosen zu); ja freilich, was den gelben Jakob betrifft, wie wir das gelbe Fieber heißen, so ist das n' eingefleischter Teufel, das ist 'mal ganz gewiß. Sie essen morgens Ihre Portion und sind noch ganz wohl, und noch eh's Abend wird, tot wie 'n Hering. Zuerst kommt 'n bißchen Kopfweh – Sie gehen zum Doktor, der Ihnen Blut abzapft wie 'nem Schwein – dann verlieren Sie Ihre fünf Sinne – dann kommt das schwarze Brechen und dann ist's aus mit Ihnen und Sie geben 'n Fressen für die Landkrebse, die Ihre Knochen so sauber abnagen, daß sie so weiß werden, wie 'n Elefantenzahn im Meere. Aber ein Gutes muß man bei alldem dem gelben Jakob nachsagen. Sie sterben gestreckt, wie 'n Gentleman – nicht zusammengekrümmt wie 'n Schneefisch, der aus dem St. Lorenzflusse herausgezogen wird, die Kniee bis an die Nase herauf und die Zehen unter die Achselgrube geschoben, wie das bei einigen von den fremden Krankheiten der Fall ist; nein, gestreckt, ganz gestreckt und gerade wie 'n Gentleman. Aber er ist doch etwas bösartig, der Jakob, das ist wahr. Auf der Euridice hatten wir 'ne Mannschaft, so stattlich, als je eine auf das Verdeck gepfiffen wurde (fest Steuerbord, mein Mann, Ihr seid um eine halbe Pinte von Eurem Kurs ab), und als wir vor Port-Royal Anker warfen, so dachten wir gleich, es sei nichts Gutes im Werke, denn achtundddreißig Haifische folgten uns in den Hafen hinein und spielten Tag und Nacht um uns herum. Ich beobachtete sie während der Nachtwache genau, wie sie die Floßfedern schnellten, das Wasser schäumten und 'nen Lichtstreif hinter sich zurückließen. In der nächsten Nacht sagte ich zur Schildwache, als ich sah, wie sie unter dem hintern Teil des Schiffes herumschnüffelten: ›Soldat‹, sagte ich, ›die Haifische halten Musterung auf Befehl des gelben Jakob‹ und kaum war mir der ›gelbe Jakob‹ zum Munde heraus, so tauchten die Haifische ganz lustig auf, jeder von ihnen, als wollte er sagen: ›ja, das thun wir – verdammt Eure Augen.‹ Der Soldat aber erschrak so heftig, daß er über Bord gefallen wäre, wenn ich ihn nicht an der Halsbinde gefaßt hätte, denn er stand am Top vom Hackbord. So fiel nur seine Muskete über den Stern hinunter; die Haifische hüpften von allen Seiten um dieselbe herum, daß die See ganz feurig aussah – und es wurden ihm, glaub' ich, ein Pfund und sechzehn Schilling zur Last geschrieben. Übrigens gab ihm der Vorfall eine Lehre darüber, wie es ihm ergangen wäre, wenn er statt der Muskete hineingefallen wäre – und er stand nie wieder auf dem Hackbord (fest am Backbord – gebt aufs Steuern acht, Smith – könnt deshalb doch meinem Garnspinnen In der Matrosensprache: Erzählen. zuhören). Also richtig, Herr Simpel, der gelbe Jakob kam unfehlbar. Zuerst wurde der Zahlmeister abberufen, um sich über seine Spitzbübereien zu verantworten. Wir kümmerten uns nicht viel darum, als den die Landkrebse fraßen, denn er hatte so manchen armen Teufel noch nach dem Tode Tabak kauen lassen, und so die Frauen und Verwandten der Matrosen oder das Greenwich-Hospital, wie sich's eben gerade traf, schwer betrogen. Dann kam's an zwei Seekadetten, gerade von Ihrem Alter, Herr Simpel: die armen Kerls fuhren ganz schnell ab; dann an den Schiffsmeister und so fort, bis wir zuletzt nur noch sechzig Mann an Bord hatten. Zuletzt starb auch der Kapitän, und nun hatte der gelbe Jakob seinen Magen gefüllt und ließ uns von jetzt an in Ruhe. Sobald der Kapitän gestorben war, verließen die Haifische das Schiff und wir sahen keinen derselben wieder.«

Solche Geschichten erzählte er mir und den anderen Seekadetten während der Nachtwache, und ich darf dem Leser wohl versichern, daß sie uns nicht wenig Angst einjagten.

Je mehr wir uns mit jedem Tage den Inseln näherten, um so näher glaubten wir auch unserem Grabe zu sein. Als ich einmal mit O'Brien darüber sprach, lachte er mich aus. »Peter«, sagte er, »die Furcht bringt mehr Leute um als das gelbe Fieber, oder irgend eine andere Krankheit Westindiens. Der Swinburne ist 'n alter Spitzbube, der sich nur lustig über euch macht. Der Teufel ist nicht halb so schwarz als man ihn malt, – und so glaube ich auch, das gelbe Fieber wird nicht halb so gelb sein.«

Wir waren jetzt den Barbados-Inseln ganz nahe gekommen. Das Wetter war herrlich und der Wind immer günstig; die fliegenden Fische kamen in ganzen Partieen heran, aufgeschreckt durch die schäumenden Wellen, wie sie dahinrollten und von den Bugen abprallten, wenn unsere schnellsegelnde Fregatte die Wogen durchschnitt; die Meerschweine spielten zu Tausenden um uns herum – Pelamiden und Delphine machten bald auf die fliegenden Fische Jagd, bald schienen sie Vergnügen daran zu finden, das Schiff auf seinem raschen Fluge zu begleiten. Alles war herrlich schön und wir wären ganz vergnügt gewesen, wenn sich nicht erstens der Zustand des Kapitäns Savage von Tag zu Tag verschlimmert hätte, und wenn wir uns zweitens selbst nicht so gefürchtet hätten vor der Hölle, in die wir durch dieses Wasserparadies zu gelangen im Begriffe waren. Herr Falkon, der nun den Befehl führte, war ganz ernst und nachdenkend, und schien sich wirklich unglücklich zu fühlen bei der Aussicht, die sich für seine Beförderung darbot. Mit der größten Aufmerksamkeit und unablässig war er bemüht, dem Kapitän, so viel er nur konnte, Ruhe und Linderung zu verschaffen; der Versuch, Geräusch und Lärm zu machen, galt ihm jetzt für ein größeres Verbrechen als Trunkenheit, ja selbst als Meuterei.

Als wir noch ungefähr drei Tagfahrten von Barbados entfernt waren, trat Windstille ein und der Kapitän wurde viel kränker; jetzt sahen wir auch zum erstenmale den großen weißen, atlantischen Haifisch. Es giebt verschiedene Abarten desselben, aber die gefährlichsten sind die großen weißen und die Grundhaifische. Die ersteren erreichen eine ungeheure Länge – die letzteren hingegen werden selten lang, nie über zwölf Fuß, dehnen sich aber sehr in die Breite. Wir konnten keinen der Haifische, die um uns herum spielten, fangen, denn Herr Falkon gestattete es nicht, um den Kapitän nicht durch den Lärm beim Heraufziehen des Fisches zu stören. Endlich erhob sich wieder ein Seewind; in zwei Tagen näherten wir uns der Insel und stellten Leute aus, um nach dem Lande zu spähen.

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