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29.
Fortsetzung der Geschichte der Messingnen Stadt

Nach einer kurzen Strecke sahen sie in der Ferne etwas Schwarzes, von zwei lodernden Flammen eingefaßt. Als Musa den Führer fragte, was das sei, antwortete der Alte: ›Freue dich, Fürst! Das ist die Messingne Stadt; denn so ist sie mir in meinem Schatzbuche beschrieben. Sie ist aus schwarzen Steinen erbaut und hat zwei Schlösser aus spanischem Messing, die wie zwei Feuer in der Sonne leuchten, und von denen sie ihren Namen hat.‹

»Sie näherten sich nun der Stadt, die gewaltige Bauten besaß und sehr schön angelegt war. Äußerst feste und hohe Mauern umgaben sie, durch welche fünfundzwanzig Tore führten, die sich aber sämtlich als geschlossen erwiesen und nur von innen geöffnet werden konnten. Musa befand sich daher in der größten Verlegenheit, da er sich keinen Rat wußte, auf welche Weise er in die Stadt eindringen könne, um ihre Wunder zu schauen. Der Alte sagte ihm aber: ›Genau so ist es in meinem Schatzbuche beschrieben.‹ ›Was hilft uns das?‹ rief der Statthalter ärgerlich: ›Steht in deinem geheimnisvollen Buche nicht auch beschrieben, wie man in die Stadt gelangen kann?‹ Dies mußte der Führer zu seinem Bedauern verneinen.

»Nach einigem Besinnen sandte Musa einen Offizier aus, der die Mauer umreiten sollte, um zu sehen, ob sich nicht irgendwo ein Zugang finde, der ein Eindringen ermögliche. Der Beauftragte bestieg sein Kamel, versah sich mit Wasser und Lebensmitteln und trat den Ritt an. Nach zwei Tagen hatte er den Kreis um die Stadt vollendet und gelangte an seinen Ausgangspunkt zurück, wo die Karawane lagerte. Er berichtete, die Mauer sei wie aus einem Stücke gegossen, und außer den fünfundzwanzig verschlossenen Toren habe er nirgends eine Öffnung entdecken können, durch die man hineingelangen könnte.

»Musa fragte ihn, ob er gar nichts von dem Innern der Stadt gesehen habe? Der Offizier erwiderte: ›Tapferer Fürst! Es müssen Wunderwerke hinter den Mauern, vor welchen wir hier stehen, verborgen sein: ich bin ganz hingerissen von der Festigkeit der Stadt, ihren schönen Gebäuden und hohen Türmen, so viel man davon über die Mauern ragen sieht.‹ Der Statthalter erstieg nun mit dem Alten einen hohen Berg, der vor der Stadt lag, und von seinem Gipfel blickten sie in die prächtigste Stadt, welche man sich denken kann: hohe, herrliche Häuser, feste Schlösser, fließende Bäche und schön angelegte Straßen. Doch konnte ihr Auge weder einen Menschen, noch irgend ein Haustier entdecken: Nachteulen hausten darin nebst anderen Vögeln und waren sicher vor jedem Wechsel der Zeit. Die ausgestorbenen Wohnungen schienen die Bevölkerung zu beklagen, die sie einst beherbergten, und die Schlösser beweinten ihre Erbauer. Der Statthalter wunderte sich über den traurigen Zustand der Stadt und rief: ›Gepriesen sei Allah, der die Launen des Schicksals nicht zu befürchten hat und den die Zeit nicht ändert!‹ Unter solchen Betrachtungen entdeckte er am Fuße des Berges sieben marmorne Tafeln. Sie stiegen hinab, um die Inschriften zu lesen.«

»Gebts Obacht!« rief der Bayer: »Jetz kimmen wieda so Verserl, daß da buttawoachherzig Musa heulen wurd wie a Schloßhund, und in Ohnmochten sollen tut. Z'letzten wurd an gor no da Schlog treffen vur Rührung, wann dö Schrüften an wieda belehren, daß a Mensch nit ewig leben konn auf am Erdboden.«

Der Pascha setzte die also unterbrochene Vorlesung alsbald wieder fort: »Sie näherten sich der ersten Tafel und lasen folgende Inschrift:

›O Mensch, bedenk', was vor dir war:
Es mußte Alles längst versinken.
Auch du bist stündlich in Gefahr,
Den bittern Todeskelch zu trinken:
Drum tue Fleiß und siehe zu.
Daß du erlangst die ew'ge Ruh'!‹

»Musa war tief ergriffen und Tränen flossen über seine Wangen herab.«

»Hob i's nit g'sogt?« triumphierte Franzl: »Ollbereits flennt's wieda, dös olt Weiberl.«

»Der Statthalter ließ sich dann Tinte geben und schrieb die Inschrift ab, worauf er sich zu der zweiten Tafel begab und dort las:

›O Mensch, den eitle Hoffnung treibt,
Weißt du denn und erkennst es nicht,
Daß niemand hier auf Erden bleibt.
Und daß erlöschen muß dein Licht?
Wo sind, die Irak einst bewohnt
Und die im Sonnenglanz gethront?
Wo ist der Herrscher Chorasans
Und der Erbauer Ispahans?
Der Todesbote rief sie ab:
Ihr Schloß sie tauschten mit dem Grab.‹

»Musa weinte heftig ...«

Diesmal mußten alle so heftig lachen über den rührseligen Emir aus Tausend und einer Nacht, daß Münchhausen nicht gleich weiter lesen konnte. Peter Grill rief: »So een Menschenskind is mich noch nich vorjekommen, wo zu heftigen Jeheule jerührt wird, wejen den natürlichen Todesfall von wildfremden Menschen, die vor uralter Zeit jestorben sin, und von denen er nie nichs jehört hat und nich eenmal den werten Namen weeß!«

Die Nachteule aber ließ sich folgendermaßen vernehmen: »Dieser Statthalter und Emir Musa ist ein richtiger Waschlappen: den hätte ich nur sehen mögen, wenn er von einem Löwen angegriffen worden wäre, wie wir. Der hätte vor Angst ärger gebrüllt als der Wüstenkönig und wäre vor Schrecken in Ohnmacht gefallen, statt das Raubtier mutig zu bekämpfen und heldenmütig zu besiegen, wie wir vom sogenannten schwachen Geschlecht.«

»Dös Löwerl bringst holt ollweil aufs Topet!« tadelte Franz Billinger: »Bist oanmal zufällig dobei g'west, wo dö Fräulein Hulda und Monika an Löwen derschossen hamm, und host vun soan Prozerl an Hieb kriegt, und hernach berühmst di bei jeda G'legenhoat, ols hättst dö schaudahoftst Heldentot veribt, olte Nochteulen. Da Franzl wann am dös boarisch Woppenviecherl vakummen waar, denn dös wurst wissen, daß mir Boaern an Löwen im Woppen führen und nit fürchten, nachher hätt' a döm Raabg'sölln an woschechte boarische Watschen geben, daß a üba vier Sonddüna weg g'flogen waar, wie da Beduwinenscheich, da dreckete: dös derfst fein glaaben!«

Isolde aber erwiderte schnippisch: »So? Wer ist denn nun der Prahlhans und Aufschneider? Erst sind es zwei Sanddünen gewesen, über die der Scheich geflogen sein soll, dann wurden drei daraus, und jetzt sollen es bereits viere sein!«

»Vier sans g'west! behauptete der Bayer bestimmt: »I hob s' richtig zählt, und aufschneiden tut da Franzl schun gor nit, so weng, ols wie unsa vaehrta Herr Pascha, da Herr Kopitän Minkhausen und soan Großvata selig.«

Abu Homrah nahm nun wieder das Wort, indem er mit Würde erklärte: »Det is dich een Streit um det Kaisers Bart. Aber ik un der Herr Baron, die wir eenen jroßmächtigen Löwen mit Sperrhölzer besiecht haben, det hat seene nachjewiesene Richtikkeet, un det war eene tatsächliche Heldentat.«

Nun endlich konnte der Pascha fortfahren:

»Also: Musa weinte heftig und rief: ›Bei Gott! Wir sind zu etwas Großem geschaffen!‹ Er schrieb auch diesen Spruch ab, und ging zur dritten Tafel, auf der geschrieben stand:

›O Erdensohn, du suchst die Luft,
Und bist dir nicht des Ziels bewußt:
Du folgst nicht und du hältst dich fern
Von den Geboten deines Herrn.
Ein Tag vergehet um den andern, –
Du aber kehrst dich nicht daran;
Du mußt durch eine Wüste wandern,
Und suchest nicht die rechte Bahn.
Bedenke, alles muß vergehn!
Drum suche, was dir frommen mag.
Aus daß du mögest Rede stehn
Dem Herrn am Auferstehungstag!‹

»Musa war so entzückt über diese Inschrift, daß er sie ebenfalls abschrieb.«

»Dös loß i ma g'folln,« meinte Franzl: »Dösmol is a bloß vazückt: mog soan, da Heulpeta hot soan Tränensockerl derschöpft, vun wegen daß a gor z'vül plärrt hot. I moan aba, 's wurd ball wieda flüßen, und dös nit schlecht.«

»Der Emir,« las der Kapitän weiter, »begab sich hierauf zur vierten Tafel, deren Inschrift folgendermaßen lautete:

›O Mensch, wie lange wähnest du,
Daß dir dein Herr noch sehe zu,
Wenn immer tiefer du versinkst
Im Meer der Leidenschaften hier,
Und Gift aus gold'nen Bechern trinkst?
Bringt jeder neue Tag nicht dir
Der Güte Gottes frischen Trank?
Wo bleibt in Wort und Tat dein Dank?
Statt dessen suchst du eitlen Tand,
Und bleibst der Sünde zugewandt.
O schäme dich, erröte heiß
Vor dem, der alles sieht und weiß!
Erfüll' des Teufels Willen nicht,
Daß man nicht bald von dir auch spricht:
Zu spät bereute er im Tod,
Daß er vergaß des Herrn Gebot!‹

Musa fiel vor großem Staunen in Ohnmacht ...«

»Jetz is's recht!« rief der Bayer lachend: »Do hamma's wieda, dös olt Weiberl! I moan ollweil, Musa, dös is nit soan richtiga Nom': Medusa muß a hoaßen.«

»Det is een juter Jedanke,« stimmte Peter Grill bei: »Medusa is, wenn ik mir nich irre, den ollen Medusalem seene Jemahlin jewesen, un ihr Jatte is tausend Jahre alt jeworden, weswejen sie man ooch een hübsches Alter erreicht haben mach.«

»Do bist wieda amol auf am richtigen Holzwegerl, Preiß!« lachte der Vater der Mauleselin: »Dö Medusa is a fürchtigs Weibsbüld g'wesen, wo onstott dö Hoor lauta blünde Schleichen vun ihr'n Kopf runtahongen g'hobt hot. Und wamma s' ong'schaut hot, hernach is ma vur lauta Schröcken in an Stoan vastoanat worrn, wie dö Lotte, am Lot soan Weib, vastoanat worrn is, wo sö noch Sudom sö ummig'schaut hot. Dös is aba wieda wos aus da grüchischen oda latoanischen Myrtologie, wo enk Preißen unbekonnt is, vun wegen, daß ös koan höhere Volksschulbüldung nit hoben tut.«

»Nee! Da bist jetzt du in Irrtum, Bayer: unsre Bildung is jrößer wie die eurige, un det weeß ik zum Beispiel besser. Den Lot seene Jattin is keen Steen nich jeworden, sondern een Salzjebilde. Ik jloobe et war eene Salzjurke, weswejen noch heutzutaje eene richtige Jurke aussieht, wie een jekrümmtes, runzeliges olles Frauenzimmer.«

»Do will i da aus Höflichkoat nit widareden,« meinte Billinger: »Dös mit am Solz hot schun soane Richtigkoat, so vül i mi derinnern tu. Aba vun oana Gurken is do koan Red nit, sundan vun oam Solzsäule: in a Säule oda a Ferkel is dö Lotte vawondelt worrn, wie da Pakascha, aba glei in an oang'solzens, in a so a softigs Pöckelfloasch.«

Das fröhliche Lachen, das diese »myrtologische« Auseinandersetzung begleitete, wollte lange nicht verstummen; endlich aber legte es sich soweit, daß Abu el Futha fortfahren konnte:

»Also: Musa oder Medusa, wie ihr wollt, fiel vor großem Staunen in Ohnmacht. Als er wieder zu sich kam, schrieb er auch die Inschrift der vierten Tafel ab, und näherte sich der fünften, auf der geschrieben stand:

›O Menschensohn, was lenket
Dich vom Gehorsam ab?
Wie lange noch, so senket
Man dich auch in das Grab!
Gott hat, als Kind, geheget
Dich väterlich und treu,
Erzogen und gepfleget
Mit Gnaden immer neu:
Willst du die Huld vergessen,
Die er dir zugewandt?
Da du in Not gesessen,
Da hielt dich seine Hand.
Einst schlägt die bittre Stunde, –
Und du entgehst ihr nicht, –
Einst kommt die letzte Wunde,
An der das Herz dir bricht.
Dann wirst du zagend stehen
Am düstern Todestor: –
Hierauf im Weitergehen
Bereite stets dich vor!‹

Am Rande der Tafel waren noch folgende Verse eingegraben ...«

»Zwoa Verserln auf oana Tofel?« rief Franz: »Dös is z'vül fur dös Monderl! Dös vatrogt's nit!«

Münchhausen las inzwischen die zweite Inschrift:

»›Wo sind die großen Kaiser und ihre ganze Macht,
Die Könige auf Erden mit ihrer Reiche Pracht,
Die Länder einst besessen und Völker unterjocht,
Die trotzig auf Vermögen und Heeresmacht gepocht?
Wo sind sie, die gegründet der festen Burgen Mauern,
Als sollte ihre Wohnung aus Erden ewig dauern?
Verwesung war ihr Ende! Sie ruhen, bis zum Tag,
Der alle Rätsel lösen und Schleier lüften mag.
So geht dahin das Eit'le, so schwindet aller Schein:
Denn unvergänglich Wesen besitzet Gott allein!‹

»Nachdem der Statthalter auch diese Inschrift abgeschrieben hatte, näherte er sich der sechsten Tafel ...«

»Wos?« fragte Abu Barlah: »Dösmol is a nit in Ohnmocht g'follen, und nit amol g'heult hot a? Is dös zum glaaben?«

Und Grill fügte hinzu: »Det is mich wie een Meerwunder: der Mann besitzt ja uf eenmal eene janz merkwürdige Fassunk: sollte er sich allmählik an den Jedanken jewöhnt haben, det die Menschenskinder sterblich sin?«

»Dös is bloß a Pausen,« meinte der Bayer: »Gebt's Obacht: wann dö Inschrüften so furtgehn, wurd a ball wieda in Tränen zaflüßen und in Ohnmochten folln.«

Vorerst jedoch schien Musa seine mühsam gewonnene Fassung zu bewahren, wie die Fortsetzung der Geschichte bewies: »Auf der sechsten Tafel fanden sich folgende Verse:

›Wo sind die stolzen Indier,
Die Mohren und die Sindier,
Und die zu Bagdad wohnten,
Und die zu Tanger thronten?
Wo sind die Könige der Franken?
Nur ihre Werke und Gedanken
Sind ewiglich geblieben,
In Allahs Buch geschrieben,
Als unauslöschliche Beweise
Der Früchte ihrer Lebensreise.‹

»Als Musa diese Verse gelesen und abgeschrieben hatte, rief er: ›Es gibt keinen Gott, außer Allah! Wie groß war der Tod dieser Leute!‹ Dann las er auf der siebenten Tafel folgende Worte:

›Gepriesen sei der, der die Welten lenkt
Und der über seine Geschöpfe auf Erden,
So viel ihrer leben, den Tod verhängt,
Der selbst aber ewig lebt, schaffend das Werden!
O Menschenkind, laß dich nicht irre leiten
Durch deine vergnügten Augenblicke,
Die, wie ein Schatten, vorübergleiten,
Und wisse: schon hast du den Tod im Genicke!
Bereit ist er jederzeit, dich zu verderben:
Schon ist mir, als säh' ich dich wanken und sterben!
Drum horche auf meine Lehre: dein Stern
Sei nur das Vertrauen zum höchsten der Herrn!
Ja wisse, kein Bleiben ist in dieser Welt:
Ein Spinnengeweb ist ihr irdisches Zelt
Und Alles darinnen verblüht und vergeht:
Erkenne, daß nichts in der Welt besteht!
Wo ist der Gründer der Stadt Amid
Und wo der Erbauer von Farikein?
Sie lebten in Herrlichkeit, bis daß sie schied
Der Tod, und sie stiegen ins Grab hinein.
So werden auch wir bald vergehn; denn es treibt
Der Strom uns dahin ohne Wiederkehr,
Und nur der Erhab'ne, Barmherzige bleibt
In Ewigkeit unverändert und hehr!‹

»Der Emir Musa bewunderte diese Inschrift, schrieb sie ab, und sprach dann zu seinen Begleitern: ›Wie fangen wir es an, um in diese merkwürdige Stadt zu gelangen, ihre Wunder zu schauen und ihre Schätze zu heben?‹ Der Führer Abdul Kadus antwortete: ›O Fürst, wenn du in die Stadt willst, müssen wir eine hohe Leiter anfertigen, um die Mauer übersteigen zu können: vielleicht können wir dann, so Gott will, die Tore von innen öffnen.‹

»Musa fand diesen Rat gut und befahl sogleich seinen Leuten, Holz zu fällen. Fünf Tage lang arbeiteten sie hierauf an einer langen Leiter, die bis zu den Zinnen der Mauer hinauf reichte. Da sagte der Statthalter: ›Allahs Segen sei mit euch! Wer von euch will über die Mauer steigen und versuchen, die Tore für uns zu öffnen?‹

»Ein mutiger Krieger antwortete: ›Ich will hinübersteigen und euch aufmachen!‹ Er erkletterte auch alsbald die Leiter und langte glücklich oben an. Als er aber von der Höhe der Mauer einen Blick in die Stadt warf, schlug er die Hände zusammen und schrie mit lauter Stimme: ›Bei Gott, – schön!‹ Zugleich sprang er hinab, brach den Hals und starb aus der Stelle.

»Musa rief erschrocken: ›Bei Allah! Der Mann ist tot!‹ Hierauf erhob sich ein anderer und sprach: ›O Fürst! Der Mann war gewiß nicht bei Sinnen; darum hat er den Halt verloren und ist umgekommen. Lasse mich die Mauer übersteigen, so will ich euch die Tore öffnen.‹ Musa erwiderte: ›Gott segne dich! Tue also; doch hüte dich, hinabzufliegen, wie dein Gefährte.‹ Der Mann erstieg hierauf die Leiter; allein kaum hatte er die Zinne erreicht, so lachte er laut, schlug die Hände zusammen und rief: ›Schön, schön!‹ Dann sprang er von der Mauer herab und fiel tot nieder.

»Da rief der Emir: ›Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Allah, dem Erhabenen! Also auch der Verständige und Einsichtvolle hat es dem Rasenden nachgetan: fahren wir so fort, so werden wir alle zugrunde gehen, ohne daß der Wunsch des Beherrschers der Gläubigen erfüllt wird. Was mag es sein, das diese Männer erblickten und das sie so verzückte, daß sie sich in die Tiefe stürzten?‹

»Es meinte aber ein jeder von Musas Leuten, er werde nicht so töricht handeln, und ihm werde ein solcher Unfall nicht begegnen; darum erstiegen noch mehrere die Mauer; es ereilte sie jedoch alle das gleiche Schicksal: sie sprangen ebenfalls hinab und blieben tot liegen.

»Da sprach der alte Abdul Kadus: ›Hier vermag niemand anders zu helfen als ich; der Erfahrene handelt nicht wie der Unerfahrene.‹

»›Ja, bei Allah!‹ rief Musa: ›Du allein darfst noch hinaufsteigen; und fliegst auch du hinunter, so ziehen wir davon und wollen nichts mehr von dieser verhexten Stadt wissen.‹ Der Führer erstieg nun die Leiter mit den Worten: ›Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen!‹ Als er droben war, lachte auch er und rief: ›Schön! Bei Gott, schön!‹ Dann aber setzte er sich ein wenig nieder, und als er bald darauf wieder aufstand, sagte er: ›O Fürst, fürchte nichts! Durch seinen barmherzigen Namen hat Allah die List der Teufel von dir abgewandt.‹ Der Emir fragte: ›Was siehst du?‹ Der Alte antwortete: ›Ich sehe zehn Jungfrauen, schön, wie der Mond: sie haben Haare, Mund und Hals wie paradiesische Huris, so daß sie wohl dem Besonnensten den Verstand zu rauben vermögen: wer sie ansieht, dem winken sie, zu ihnen hinab zu kommen. Durch ein Blendwerk der Hölle sieht der Obenstehende ein Wasser am Fuße der Mauer, so daß er vermeint, gefahrlos abspringen zu können. Mir ging es nicht anders, und ich war schon im Begriff, den Sprung zu wagen: da besann ich mich zur rechten Zeit, und bannte den Zauber durch Allahs Namen. Alsbald verschwand das Trugbild des Sees, und ich erschaue nun das harte Pflaster, auf dem unsre Gefährten tot vor mir liegen.‹«

Hier unterbrach Peter Grill neuerdings den Fluß der Erzählung, indem er fragte: »Werden wir wohl ooch die schönen Mächens zu Jesichte bekommen?«

»Dös taat dir fein possen, Preiß!« gab ihm Franzl zur Antwort: »Wann d's mit da Nochteulen beroats schön tust, hernach taatst g'wiß ganz aus am Häuserl kimmen, ball du a so porodüsische Diarndeln derschaugen taatst! Aba host nit g'hört, daß dös nix wie a höllischs Blendwerk und a tuiflische Spuk is? Wann mir an dö Maua kimmen, nachher lossa ma dön schurkischen Fakir z'ersten dö Loata aufsteigen: ball er abi hupft, alsdann samma an los und ledig.«

Nun konnte der Pascha weiter lesen: »Hierauf rief Abdul Kadus noch einmal: ›Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen!‹ Dann schritt er auf der breiten Zinne der Mauer weiter, bis zu zwei kupfernen Türmen, die von der Höhe der Mauer aufragten, und von denen jeder mit einem kunstvollen goldenen Tore versehen war, an denen sich jedoch weder Schloß noch Riegel zeigten. Zwischen den Türmen aber stand ein kupferner Reiter mit ausgereckter Hand, in deren Mitte die Schrift stand: ›O Wanderer, der du hierher gelangst, begehrst du diese Tore zu öffnen, so reibe zwölfmal den Nagel an meiner Brust, und mit der Erlaubnis des erhabenen Gottes werden sich alsbald die Pforten auftun.‹ Der Führer rieb den Nagel ein Dutzendmal, da drehte sich der Reiter wie der Blitz herum, und die Tore flogen auf. Der Alte stieg eine Treppe hinab, die sich im Innern der Türme zeigte, und gelangte durch einen unterirdischen Gang zum Stadttore, das er mit Ketten, Schlössern und Riegeln versperrt fand.

»Viele Leichen lagen da umher, auch allerlei Fahnen und Kriegsgeräte. Da dachte Abdul Kadus: ›Sicher hat einer dieser Männer die Schlüssel zum Tore bei sich!‹ Er näherte sich daher den Leichnamen und untersuchte sie, bis er den steinalten Torwächter entdeckte, der den Schlüsselbund am Gürtel trug. Er nahm ihm die Schlüssel ab, räumte das Kriegsgerät zur Seite, öffnete die Ketten und schob die Riegel zurück. Dann schloß er das Tor auf, das er trotz seiner Höhe und Größe ganz allein zu öffnen vermochte. Dabei vernahmen die Leute draußen ein Getöse, wie Donnergrollen. Hocherfreut, priesen sie Allah, sprangen dem Alten entgegen, und wollten mit ihm in die Stadt gehen. Er aber hielt sie zurück, und sagte: ›Nur ein Teil von euch komme mit mir: die übrigen sollen draußen bleiben.‹

»Musa und die Hälfte seiner Leute folgten nun Abdul Kadus in die Messingne Stadt und durchzogen die Straßen und Märkte, wobei sie von einem Staunen ins andere fielen: sie bewunderten die herrlichen Häuser und prächtigen Schlösser, sie waren entzückt über die kristallklaren Bäche, die an den Straßen entlang flossen, sie staunten und entsetzten sich über die vielen Leichen, die überall umherlagen.

»Auf dem Markte der Geldwechsler fanden sie alle Gerätschaften in vollkommener Ordnung: aufgehängte Wagen, Haufen von Gold und Juwelen, die niemand bewachte und niemand wegnahm. Nur Tote lagen dabei, die zum Teil eingetrocknet waren, zum Teil, von den Ratten abgenagt, nur noch das Knochengerippe übrig hatten, zur Warnung für den Verständigen.

»Sie kamen dann auf den Markt der Spezereihändler, und sahen die Läden voll von feinstem Moschus, Ambra, Aloë und Kampfer, in Gefäßen von Elfenbein, Ebenholz, spanischem Messing und anderen Stoffen, die so kostbar wie Gold waren: die Eigentümer aber lagen als Leichen umher.

»Von hier aus gelangten sie vor das königliche Schloß, das ebenfalls ganz unbewacht war. Mit Gold verzierte Schwerter hingen da an den Mauern, und daneben lagen tote Männer und Jünglinge, Schloßhüter und Krieger, deren Haut gedörrt war, die man aber sonst für Schlafende hätte halten können. Musa blieb erstaunt vor ihnen stehen, und pries Allah.«

»Ha! Dös is a Kamöl, der Musa!« rief Abu Barlah: »Wann dösa Lapp a Verserl liest vun da menschlichen Sterblichkoat, alsdann follt a in a richtige Ohnmocht; ball er aba leibhoftige Leichnom derschaut, Gerippe und vahutzelte Leiba, wo oanem schlecht werrn kunnt mit vullem Recht vur Obscheu und Schröcken, nachher preist a soan Allah! Is dös nit hirnvaruckt?«

Diesmal konnte Hussein Pascha kaum den nächsten Satz lesen: »Aus dem offenen Tore des Schlosses war mit Gold- und Azurbuchstaben geschrieben ...« als ihm Billinger schon wieder in die Rede fiel: »Jetz wurd's Tog!« lachte er: »Mit Gold- und Azorbuchstoberln: gebt's Obacht, dös vatragt da Musa nit! Goldbuchstoberln is wos schön's, wos aba Azorbuchstoberln san, dös waaß i selbsten nit. An Hunderl hob i kennt, wo sö Azorl g'schrieben hot: aba wos dös Azorl vur Buchstoben kritzelt hot, hob i nit g'sehn, ball's übahaapt hot schreiben kunnen, und dös bezweifl' i: bei uns in Boaern wenigstens is vur Hunderln koan Schulzwong nit.«

»Siehste,« warf Abu Homrah ein: »Da berühmst du dir immer mit deene bayrische Bildung und deene Kenntnis von die Myrtologie; aber det weeßt de man nich, die Weltjeschichte von die altertümliche Völkerschaften. Et heeßt nämlich nich Azorbuchstaben, wie du irrigerweise det Wort verdrehst, sondern Assurbuchstaben, und det weeß nu ik jenau: Assur is det babylonische Volk jewesen, und die haben janz eejentümliche Buchstaben in Pfeilschrift jehabt, die wie lauter Pfeile aussehen. In Berlin is nämlich een Museum, da sin so babylonische Ziejelsteene mit Pfeilinschriften sichtbar, un det habe ik ooch eenmal besucht, indem det zu die höhere Bildunk nötik is, die ik mir schmeechle zu besitzen.«

»Diesmal täuscht ihr euch alle beide,« belehrte die Nachteule: »Es handelt sich weder um eine Hundeschrift noch um Keilschrift, denn so muß es richtig heißen, sondern vielmehr um eine Wasserfarbe, denn vom Wasser, vom Meer oder einem See sagt man, sie leuchten im reinsten Azur.«

»Wir könnten auch sagen: eine himmlische Farbe,« sagte die Zitrone lachend: »Himmelblau würde ein Ausländer sie nennen, wenn er Deutsch spräche; der Deutsche sagt aber lieber ›Azur‹, auch wenn er es nicht versteht, weil eben das Fremdwort, wie er glaubt, vornehmer und gebildeter klingt.«

»Hören wir nun aber die goldene und himmelblaue Inschrift,« mahnte Münchhausen, »damit wir endlich zum Schluß gelangen. Die Verse lauteten nämlich folgendermaßen:

›Merk auf, was du hier siehest,
Und denke an dein Ende,
Eh' du von hinnen ziehest
An deines Lebens Wende.
Betrachte diese Leute,
Die plötzlich alle starben:
Sie sind des Staubes Beute,
Ein Grab nur sie erwarben
Für alles ihr Bemühen:
So welket alles Blühen!
Wir müssen ja die Gassen
Der Welt so bald verlassen
Und ziehn ins dunkle Land;
Drum, bist du wohlberaten,
So sende gute Taten
Voraus: das hat Bestand!
Die diese Häuser bauten
Und auf ihr Gut vertrauten,
Sie stürzten doch hinab:
Wo sind nun ihre Throne,
Ihr Schmuck und ihre Krone?
Verschlungen von dem Grab!
Wo sind der Schönheit Lichter,
Verschleierte Gesichter,
Die einst das Aug' erfreut?
Die Rosen auf den Wangen
Verblichen, und ihr Prangen
Verzehren ekle Würmer heut.‹

»Musa weinte und fiel in Ohnmacht, und als er wieder zu sich kam, schrieb er die Verse ab.«

Hier machte der Kapitän wieder eine Pause, weil die erneute Ohnmacht des schwächlichen Statthalters allgemeine Heiterkeit erregte.

Isolde erklärte: »Nun nenne uns Einer noch das schwache Geschlecht! So viele Ohnmächten habe ich in meinem Leben nicht gehabt, wie dieser arabische Fürst und kriegerische Held, ich, die ich dem König der Raubtiere in den offenen Rachen geblickt habe, ohne zu erbeben!«

»Det Ohnmächtikwerden,« meinte Grill, »is bei den Männeken offenbar eene üble Anjewöhnunk jewesen, eene sojenannte Idiotensündkrasie, dat et keene Verse nich hat vertrajen können.«

»Dös is ma ganz oans!« brummte Franzl: »Ball der Lackel koan Vers nit hot vakroften kunnen, worum hat a hernach olle lesen müssen, wo am vakummen san, und hot sö gor noch obg'schrieben? Alsdann, wann a s' dahoam wieda nochg'lesen hot, is am olsbold wieda schwündlig worrn und a hot soan bissel B'sünnung valorn! A jeda Mensch, vurob a richtigs Monnsbüld, muß wissen, wie vül a vakroften kann, und wos üba soane Kräften geht, dovun soll a d'Hond lassen. Vatrogt oana koan Radi oda koan sauas Kraut, – und a solche schwächliche Kirls gibt's würklich und wohrhoftig, – hernach soll a koans fressen, alsdann wurd am nit übel. Aba dösa Musa is grob draus aus, dös z' tun, wovun am schwach und schlecht wurd: und dös muß i an am tadeln. Mog a sunsten aa an wackera und rechtschoffena Mensch g'wesen soan, dorin is a koan Held g'west, sundan a Woschloppen. Aba da orm Kirl dauat mi in da Söölen: do san doch mir Boaern ondre Kroftmenschen! Kimmen no mehra so Onschrüften in da Azählung, Herr Pascha?«

»Nur noch eine einzige,« erwiderte Münchhausen.

»Dös is ma a großa Trost! Soan Allah soll am Kroft gebn, daß a dö letzt no hoal und glückli übasteht, ohne Schoden on Leib und Leben. Denn a taat ma doch load, ball an auf d'letzt da Schlog treffen taat, bloß vun wegen a so an Verserl, a lumpeten, vun den soan buttawoach Sööl zaschmülzen taat.«

Abu el Futha las nun weiter: »Der Emir begab sich mit seinen Begleitern ins Innere des Schlosses. Hier fand er vierzig einander gegenüberliegende Säle, voll mit Gold, Silber und Edelsteinen, auch Perlen und anderen Kostbarkeiten.

»Im letzten dieser Säle stand ein Thron aus Gold und Elfenbein, mit Rubinen besetzt. Daneben erhob sich eine goldene Säule, auf deren Krone ein Vogel ruhte, mit einer Perle im Schnabel, die gleich einem Sterne leuchtete.

»Auf dem Throne aber saß eine Jungfrau, so schön, wie die strahlende Sonne.

»Sie war in ein Kleid gehüllt, das ganz aus Edelsteinen zusammengesetzt war, und eine Perlenschnur umwand ihren Hals, die allein ein Kaiserreich wert sein mochte. Ambra und Moschus umdufteten sie. Dieses Mädchen sah den Statthalter mit Gazellenaugen an, und sowohl ihr strahlender Blick, als der Glanz ihres Angesichts und die leuchtende Schwärze ihrer Haare machten auf Musa den tiefsten Eindruck. Er grüßte sie voll Ehrerbietung. Da sie jedoch seinen Gruß nicht erwiderte, sprach der Alte: ›Dies Mädchen ist tot. Ihre Augen sind herausgenommen und Quecksilber an ihre Stelle gegossen worden, so daß es scheint, als bewegten sie sich, so oft ein Lüftlein sie anweht.‹

»Der Emir erblickte nun zwei Standbilder, die vor dem Mädchen standen: das eine war weiß und hatte ein Schwert in der Hand, das andere war schwarz und trug eine Lanze. Zwischen den beiden lag auf den Stufen des Thrones eine goldene Tafel mit einer silbernen Inschrift. Musa las diese; sie lautete:

›Im Namen Gottes, des Ewigwährenden,
Des Einzigen, Mächtigen, hoch zu Verehrenden,
Der unter Allen allein bleibt bestehn,
Während all' seine Diener im Fluge vergehn,
Welcher den Tag und die Nacht weise lenket, –
Wanderer, die ihr hierherkommt, bedenket,
Was ihr hier schauet vom Wechsel der Zeit:
Die einst hier herrschten, wie sind sie so weit!
Laßt von der Welt euch nicht blenden, die lüget,
Und, die ihr folgen, verrät und betrüget.
Ich hab auf sie mich verlassen im Leben
Und ihrem Scheine mich ganz hingegeben, –
Und sie verriet mich, wie alle die Andern,
Die durch Jahrhunderte wechselvoll wandern.
Kennst du mich nicht, so vernimm, wer ich bin:
Ich war Tadmora, die Königin,
Tochter von Königen, welche so viele
Länder beherrschten und höhere Ziele
Doch sich gesteckt und zu finden vermocht,
Da sie die Völker umher unterjocht.
Hier bin auf goldenem Thron ich gesessen,
Habe das größte der Reiche besessen;
Milde regiert' ich die Untertanen,
Wandelte in der Gerechtigkeit Bahnen;
Aber des Tods unbesiegliche Kraft,
Mich und mein Volk hat sie hingerafft.
Jahrelang hielt Gott den Himmel verschlossen,
Daß nicht ein Tropfen des Regens geflossen:
Rings ist das Land uns verdorret zur Wüste,
Draus nicht ein grünendes Hälmlein uns grüßte.
Als unsre Vorräte schmolzen und schwanden,
Suchten wir Nahrung aus anderen Landen;
Leer aber kamen zurück meine Leute:
»Alles ist ringsum der Hungersnot Beute:
Wenn wir mit Perlen und goldenen Ketten
Lebensmittel auch ausgewägt hätten,
Hätten wir dennoch keine bekommen!«
Da wir die trostlose Botschaft vernommen,
Fügten wir uns des Allmächtigen Rat,
Und wir verschlossen die Tore der Stadt.
Wer nun hierherkommt, nachdem wir verschieden,
Nehme der Güter, so viel er nur mag;
Mich aber lasse er thronen in Frieden,
Nehme nicht fort, was am Leibe ich trag':
Fürchtet des Höchsten gerechtes Gericht,
Laßt mir den Schmuck und entkleidet mich nicht,
So wird euch Allah dafür belohnen,
Und euch mit Teurung und Hunger verschonen.‹

»Musa weinte heftig ...«

»Da hamma's wieda!« brummte der Bayer: »A Glück, daß dö Verserl an End hamm, denn wann da Emir an weitere Ohnmacht kriegen taat, hernach waars z'End mit eahm: dös is klor.«

»Oh!« meinte Münchhausen: »Der ist gewiß die Ohnmachten, in die er so federleicht fiel, so gewohnt gewesen, daß sie ihm nichts ausmachten. Nun, diesmal weinte er, bloß heftig, schrieb alles ab und sagte seinen Freunden: ›Schafft Kamele herbei und beladet sie mit allen diesen Schätzen!‹

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»Da is er ja wahrhaftik bei voller Besinnunk jewesen,« sagte Peter: »Seene Erjriffenheet hat ihn nich jehindert, ans Praktische zu denken. Wenn aber dieser Musa alle Kostbarkeeten aus der Messinkstadt wechjeführt hat, befürchte ik nich ohne Jrund und Ursache, daß für unsereenen nichs nich übrig jeblieben is und wir für alle unsere Mühe nur eenen leeren Steenhaufen vorfinden!«

»Nur keine Sorge!« sagte der Vater des Schnupftuchs: »Der Schätze in der wunderbaren Stadt sind so viele, daß es einer Karawane ganz unmöglich war, sie alle mit fortzuschleppen. Es wird noch übergenug für uns übrig geblieben sein.«

»Vorausgesetzt, daß überhaupt etwas Wahres an dem ganzen Märchen ist!« warf der zweifelnde Professor Rommel ein.

»Geduld, verehrter Thomas,« mahnte der Kapitän: »Ich hoffe, daß es nicht mehr lange anstehen wird, bis der Augenschein Ihre ewigen Zweifel gründlich beschämt. Doch meine ich, wir sollten nun den Schluß unserer Geschichte noch hören. Also: Der Vezier aber sprach zu Musa: ›Sollten wir wirklich das Schönste und Kostbarste zurücklassen, das, was dieses Mädchen am Leibe trägt?‹ Musa antwortete: ›Hast du nicht vernommen, was die Verse der goldenen Tafel uns ans Herz legten?‹ – ›Und darum sollten wir diese kostbaren Perlen und Edelsteine hier lassen?‹ erwiderte der Vezier hartnäckig: ›Dieses Mädchen ist doch tot: was soll ihr noch irdischer Schmuck? Ein baumwollenes Kleid genügt ihr, und das will ich ihr von einer der Leichen gerne verschaffen, da sie noch im Tode nicht unbekleidet sein möchte. Nimmst du die Kostbarkeiten nicht, so nehme ich sie, um sie dem Fürsten der Gläubigen zu überbringen, als sein treuer Diener.‹

»So sprach der Vezier jedoch bloß, um mit schönen Reden und der Vortäuschung uneigennütziger Absichten seine elende Habgier zu bemänteln; denn er gedachte durchaus nicht, den Schmuck dem Sultan zu bringen, sondern ihn mit List beiseite zu schaffen und für sich zu behalten. Er stieg die Stufen des Thrones empor und legte die Hand an die Edelsteine des Gewandes. Da er aber zwischen den beiden Standbildern stand, regten sich plötzlich beide, und das mit dem Schwerte hieb ihm den Kopf ab, während das mit der Lanze ihm den Rücken spaltete. Als er nun entseelt zu Boden stürzte, sagte Musa: ›Allah habe kein Mitleid mit deiner Seele: warum warst du so habsüchtig?‹

»Es waren noch genug der unermeßlichsten Schätze in der Stadt, die der Statthalter, gemäß der Inschrift, mitnehmen durfte: so ließ er die Lastkamele mit Gold, Silber und Edelsteinen beladen und verließ mit seinen Leuten die geheimnisvolle Stadt. Sie reisten am Ufer des Meeres einen ganzen Monat lang, bis sie an einen hohen Berg kamen, in den zahlreiche Höhlen gegraben waren. Auf dem Berge standen viele schwarze Menschen, mit Häuten bekleidet. Als sie die Nahenden erblickten, flüchteten sie mit ihren Frauen und Kindern in ihre Höhlen. Die Männer aber blieben am Eingang stehen, um die Ihrigen gegen einen etwaigen Angriff zu verteidigen. Stumm und ängstlich blickten sie den Kriegern entgegen.

»Der Emir fragte Abdul Kadus: ›Was sind das für Leute?‹ Der Alte erwiderte: ›Es sind solche, die das besitzen, was du suchst.‹ Da stieg Musa ab und ließ das Lager am Fuße des Berges aufrichten. Kaum hatte er sein Zelt betreten, so kam der König der Neger, der allein unserer Sprache mächtig war, grüßte ihn und seine Leute und fragte: ›Wer seid ihr, was begehrt ihr von uns und was hat euch hierher geführt?‹ Musa antwortete: ›Wir kommen auf Befehl des Fürsten der Gläubigen, Abdul Melik, des Sohnes Merwans. Er hat von unserm Herrn Salomo, Davids Sohn – Friede sei mit ihm! –, gehört, und von dem großen Reiche, das ihm der erhabene Gott geschenkt hat; auch hat er vernommen, wie der königliche Prophet Gottes Macht besaß über die Tiere und Vögel, sowie über die Geister, und wie er die Widerspenstigen in kupferne Flaschen einsperrte, die er versiegelte und in den Abgrund des Meeres warf, dessen Wellen die Ufer eures Landes bespülen. Der Sultan hat uns daher hierher gesandt, um solche Flaschen zu suchen, und nun bitten wir dich, o König, sei uns behilflich, daß wir den Befehl des Fürsten der Gläubigen vollziehen können.‹ Bereitwilligst sagte ihm der König seinen Beistand zu und ließ sie in die für Gäste bestimmte Wohnung führen. Er befahl auch, alles Nötige dahin zu bringen und erwies ihnen überhaupt viel Ehre.

»Musa fragte dann den König: ›Welchen Glauben habt ihr, und was betet ihr an?‹ Der Negerfürst antwortete: ›Wir beten Allah, den Gott des Himmels an, und glauben an Mohammed – Gottes Friede sei mit ihm! –, der am Ende der Zeit wieder erscheinen wird.‹ – ›Wie?‹ fragte der Statthalter erstaunt: ›Wer hat euch dies gelehrt? Ich sehe doch keinen Lehrer des wahren Glaubens bei euch!‹ Der König berichtete: ›An jedem Donnerstag steigt eine Feuersäule zum Himmel auf, und wir sehen einen Mann auf dem Wasser gehen, welcher ruft: »O ihr Söhne der Tiefe, bekennet, daß es keinen Gott gibt, als den einzigen Gott, welcher keinen Gefährten hat, und daß Mohammed sein Diener und Gesandter ist.« Wir haben ihn gleich das erste Mal, als er uns erschien, beschworen, er möge uns sagen, wer Mohammed sei, und er antwortete, Mohammed sei ein Prophet Allahs, der die göttliche Wahrheit verkündigt habe. Am Ende der Zeiten werde er wieder erscheinen und alle falschen Glaubenslehren vernichten und dafür die des göttlichen Richters herstellen.‹

»Musa fragte weiter: ›Wer ist Gott, von dem du so redest?‹ Der König sagte: ›Sein Thron ist im Himmel und seine Herrschaft auf Erden: er ist einzig und allmächtig; und der auf dem Meere wandelnde Mann lehrte uns die Grundpfeiler des Islams und das Gebet und die Fasten.‹ Der Emir freute sich herzlich, da er vernahm, daß diese schwarzen Bergbewohner Muselmänner waren.«

»In Ohnmocht hätt' a sollen follen, da Schlankl!« brummte der Bayer.

»Oder zum mindesten heulen wie een sojenannter Schloßhund,« fügte der Preuße lachend hinzu.

»Wir kommen zum Schluß der Erzählung,« sagte Münchhausen: »Musa verweilte drei Tage in der ihm angewiesenen Wohnung, dann ließ er mit des Königs Erlaubnis Taucher kommen, denen er sagte, er wünsche einige der Salomonischen Flaschen zu haben. Alsbald tauchten die Männer ins Meer und brachten drei kupferne Flaschen herauf, die sie ihm mit vielen anderen kostbaren Geschenken überreichten.

»Musa trat nun mit seinen Leuten den Rückweg nach Bagdad an, und als sie in der Nähe der Hauptstadt anlangten, kamen ihnen die vornehmsten Bewohner derselben entgegen.«

»Halt!« unterbrach hier Professor Rommel: »Erstens stand Bagdad zur Zeit des Kalifen Abd Almelik überhaupt noch nicht: die Hauptstadt war dazumal Damaskus; zweitens, und das brennt mir schon lange auf der Zunge, lebte Musa viel später als Abd Almelik und hat Spanien erobert.«

»Kleinigkeiten!« entgegnete der Pascha: »Sie werden doch von einem Märchen wahrhaftig nicht verlangen, daß es in den geringsten Einzelheiten mit den Tatsachen übereinstimmt? Daß es einen Kern der Wahrheit enthält, und darauf allein kommt es hier an, geben Sie ja schon selber zu, da Sie den Kalifen Abdul Melik oder Abd Almelik, sowie den Statthalter Musa als geschichtliche Persönlichkeiten anerkennen.«

»Das waren sie allerdings; aber sonst gebe ich gar nichts zu: es kommen noch unzählige Irrtümer, Schwindeleien und Unglaublichkeiten in diesem Märchen vor, wie es ja auch nicht anders zu erwarten ist: Märchen bleibt eben Märchen, und die ganze Messingstadt ist und bleibt ein Märchenwahn, ein Hirngespinst der erfinderischen orientalischen Phantasie, das wir niemals in der Wirklichkeit entdecken werden.«

»Prophezeien Sie nicht!« warnte der Kapitän: »Ein Professor ist nun eben glücklicherweise nichts weniger als ein Prophet, und maßt er sich das Vorhersagen trotzdem an, so kann er sicher sein, daß er sich nur blamiert. Doch nun endlich den Schluß! Also: Musa berichtete dem Fürsten der Gläubigen von all den Wundern, die er unterwegs gesehen hatte und von seinen seltsamen Erlebnissen, sowie auch von dem traurigen Ende des Veziers, der wegen seiner Gier nach dem kostbaren Gewande des königlichen Mädchens getötet worden war.

»Dann überreichte er ihm die kupfernen Flaschen und die Geschenke des Negerkönigs, worüber sich der Fürst der Gläubigen höchlichst verwunderte.

»Als er eine der Flaschen öffnete, stieg daraus ein schwarzer Qualm empor, der sich zu einem Geiste von ungemeiner Häßlichkeit verdichtete. Dieser schrie mit entsetzlicher Stimme: ›Gnade, o Prophet Gottes! Ich will gewiß nicht mehr so sein!‹ Der Kalif sagte: ›Kehre wieder zurück an deinen Platz.‹ Der Geist wand sich wieder in die Flasche und Abdul Melik versiegelte sie. Er ließ sie dann in seine Schatzkammer bringen und rief: ›Wahrlich, dem Suleiman hatte Allah eine große Macht verliehen.‹

»Das ist es, was von der Geschichte der Messingnen Stadt auf uns gekommen ist: aber nur Gott ist allwissend!«

»Dieser Schluß ist noch das Vernünftigste an der ganzen Geschichte,« lachte Abu Ramleh, der Vater des Sandes: »Er deutet in seiner Weise an, daß die ganze Erzählung keinen Glauben verdient noch beansprucht. Wir wären Narren, wollten wir uns leichtgläubiger zeigen als der Berichterstatter selber.«

»Abwarten!« erwiderte Hussein Pascha. »Seien Sie doch nicht so hartnäckig darauf aus, sich blamieren zu wollen, wenngleich jeder Deutsche das Recht hat, sich zu blamieren, vorab jeder deutsche Professor.«

»Nun denn,« schloß Rommel spöttisch: »Es wird sich ja in Bälde weisen, wer der Blamierte ist, der märchengläubige Seebär oder der ernste Mann der Wissenschaft!«


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