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28.
Die Schakale

Als am nächsten Abend das Lager aufgeschlagen wurde, während es schon stark dunkelte, vernahm man aus der Ferne das Geheul von Schakalen.

»Das ist ein gutes Zeichen,« meinte Münchhausen erfreut: »Wenn diese Tiere hier auftreten, kann angebautes oder wenigstens bewachsenes Land unmöglich sehr fern sein: ich schließe daraus, daß wir schon morgen bei guter Zeit unser Ziel, die Messingstadt, erreichen, und daß sie sich inmitten einer ausgedehnten Oase befindet.«

»Herrlich!« spöttelte Rommel: »Ich meinerseits hege starke Zweifel, daß eine ausgedehnte Oase, die noch dazu eine Stadt mit unermeßlichen Reichtümern umschließt, völlig unbewohnt, ja, vergessen und unbekannt in der Wüste grünt. Aber manche glauben eben das, was sie wünschen, ganz einerlei, ob es vernünftig ist oder ganz unsinnig.«

»Sind Schakale Raubtiere?« fragte Baron Erich begierig, und gab damit dem bissig werdenden Gespräch eine andere Wendung.

»Gewiß!« belehrte ihn der Professor: »So ein Mittelding zwischen Fuchs und Wolf.«

»Sind es starke und gefährliche Raubtiere?« erkundigte sich der große Jäger weiter: »Etwa wie der Löwe und der Elefant?«

Abu el Futha lachte: »Erstens ist der Elefant gar kein Raubtier, wohl aber eines der stärksten und gefährlichsten Tiere. Zweitens können sich weder Fuchs noch Wolf mit ihm oder dem Löwen vergleichen, also auch der Schakal nicht, der zwar den Fuchs an Gefährlichkeit übertrifft, aber dem Wolfe hierin nachstehen dürfte. Er scheint überhaupt nicht viel Mut zu besitzen.«

»Schade!« bedauerte Steinberg: »Dennoch möchte ich auf die Tiere Jagd machen.«

»Tun Sie das!« ermunterte ihn Abu Ramleh: »Es handelt sich jedenfalls um ein starkes Rudel, und ich möchte nicht behaupten, daß die Jagd auf diese Wüstenräuber so gefahrlos ist, wenn sie in Massen auftreten: also ein würdiger Gegenstand für Ihre bewährte Büchse sind sie immerhin, und wenn Sie auch schon den Löwen mit Erfolg gejagt haben, braucht Ihnen die Schakalsjagd noch lange nicht als unter Ihrer Würde zu erscheinen. Ich habe sogar schon berühmte Elefanten-, Nashorn- und Büffeljäger auf Spatzen schießen sehen.«

»Nun denn!« sagte Abu Haschisch beruhigt.

»Ich muß Sie jedoch daraus aufmerksam machen,« erklärte Münchhausen mit wichtiger Miene, »daß diese Tiere nicht mit Sperrhölzern zu überwältigen sind; dagegen dürfen Sie versichert sein, daß sie sämtlich ihre Lichter mitbringen, so daß Sie auch in der Dunkelheit bequem auf sie zielen können.«

Der Vater des Krautes merkte den Spott kaum, wenigstens nahm er ihn nicht weiter übel, und hieß Peter Grill, ihm seine Flinte bringen, und sich selber für die Jagd bewaffnen.

Franz brannte darauf, an dem nächtlichen Ausflug teilnehmen zu dürfen, und erlaubte sich daher die Frage: »Herr Baron, taaten S' nit mir gestotten, an der Jagerei toalz'nehmen? Wann's a ganz Rudel solcher Viecha is, nachher raamen drei Büchsen schun ehnda unta eahna auf, wie zwoa.«

»Da habe ich nichts dagegen: komm nur mit!«

So zogen die drei hinaus in die Nacht, die jetzt bereits völlig hereingebrochen war.

Die Richtung wies ihnen das nunmehr aus größter Nähe erschallende Geheul.

Bald wurden auch die »Lichter« der Tiere sichtbar, mattfunkelnde Punkte, die in beständiger Unruhe ihren Platz wechselten.

»Das mit den Lichtern hat ja schon seine Richtigkeit,« sagte Abu Haschisch, als er das flimmernde Spiel eine Weile beobachtet hatte; »aber dummerweise hat jedes Tier zwei Augen, zwischen die man zielen müßte, um es mit Sicherheit zu treffen. Wie aber soll man bei dieser Dunkelheit feststellen, welche zwei Lichter ein und demselben Schakal gehören? Man kann gerade zwischen zweien hindurchschießen, weil das, was man für die Augen eines Tieres hielt, das rechte des einen und das linke eines andern ist.«

»Pfeffern ma holt eini in den Haufen!« meinte Abu Barlah: »Dös is oan Hondel: sö stehn jo so dicht beioanond und oana hintam ondan. Trifft ma an vurdan nit, nachher trifft ma um so eahnda an hintan.«

»Ganz wie bei der Gazelle mit dem prächtigen Gehörn!« mußte der Baron denken, hütete sich aber wohl, etwas hievon verlauten zu lassen.

»Ik meene, die Beester sin uns überhaupt so nahe,« bemerkte Peter, »daß een Fehlschuß nich wohl möjlich wäre: nächstens werden sie uns nach den Flintenläufen schnappen, wie der Beduinenhund, den wir für eenen Wüstenfuchs anjesprochen haben.«

»Es werden doch nicht wieder Beduinenhunde sein?« fragte der Vater des Krauts besorgt.

»Dö kimmen nit in ganze Rudeln,« beruhigte ihn der Vater der Mauleselin: »Und nachher is ja koan Oasen in da Nähen, wo dö Hund herkimmen kunnten.«

»Also, schieß du zuerst, Franzl,« mahnte der Baron, »bevor sie uns angreifen und nach den Büchsen oder Waden schnappen.«

»Wann s' dös taaten, dö Viecha, alsdann waar freili da Franzl om übelsten dron mit soane Mordswoden: da kunnten Stücka sechs auf oanmol in oane beißen, beim Preiß höchstens zwoa, und bei Eahna, Herr Baron, bloß oana, und der waar erst recht ong'führt, weil a nur an Knochen in oana Ledagamaschen im Maul hätt': do kunnt a nit durchbeißen, und Sö waaren fein heraus.«

Das war kein Spott, sondern eine harmlose Bemerkung, und so faßte sie der wadenlose Abu Haschisch auch auf, und lachte, statt sie übelzunehmen.

»Wenn der Franzl mit dem Schuß so lange zurückhält, so schieß du zuerst!« wandte er sich an seinen Diener.

»Nee!« widersprach Abu Homrah: »Der erste Schuß jehört den Herrn Baron von rechtswejen un weil er een erwiesener Meesterschütze is. Hernach kommen wir, wenn er et jestattet.«

Die Schakale trauten sich immer näher heran, und es drohte tatsächlich ein Massenangriff, der bedenkliche Folgen für die zaudernden Schützen hätte haben können.

Aber nun drückte Steinberg los.

Es war, wie Peter gesagt hatte: die Schakale drängten sich so dicht, daß die Kugel unfehlbar einen oder den andern hätte treffen müssen, bei ihrer starken Durchschlagskraft wohl gar mehrere hintereinander, – wenn der Meisterschütze nicht viel zu hoch gehalten hätte, so daß sie über das ganze Rudel hinwegflog.

»Det war sicher wieder een Meesterschuß!« rief Grill überzeugt; denn bei der Finsternis war nicht zu sehen, welche Wirkung der Schuß erzielt, oder vielmehr nicht erzielt hatte.

Billinger jedoch war ein kundigerer Jäger und warf kopfschüttelnd ein: »Dö Kugel in ollen Ehren, und daß da Herr Baron vur gewöhnlich an Moastaschütz is, hot a bewiesen auf da Löwen- und Antilopenjogd: dösmol aba is am soan G'schoßerl an Ellen z'hoch außig'flogen, sunst hätt's nit so pfiffen bis in d' Fernen. Und wann oans vun dö Viecha truffen waar, taaten ma's schun hören an soan Wehg'schroa.«

Nun drückte er gleichzeitig mit dem Vater der Eselin ab. Dieser hielt tief genug, auf des Bayern Bemerkung hin, Franzl tat dies als geübter Schütze schon von selber.

Diesmal gab es nur ein kurzes Pfeifen, und man glaubte den Aufschlag der Kugeln zu hören. Gleich daraus erscholl ein so vielstimmiges, rasendes Wut- und Schmerzgeheul, daß kein Zweifel blieb, daß eine ganze Anzahl der Tiere durch die beiden Kugeln verwundet worden war.

Sofort gab Abu Haschisch mehrere Schüsse hintereinander ab, wobei er sich's angelegen sein ließ, so tief zu zielen, daß die Kugeln vorzeitig in den Sand fuhren oder nur einige Beinwunden verursachten. Doch war ja von den Wirkungen nichts zu sehen.

Aber ein anderes Ergebnis hatte die tolle Schießerei, an der sich nun auch die beiden Diener beteiligten, und zwar ein ganz unerwartetes und peinlichst bemerkbares. Entweder die Schakale waren nicht so feige, wie Münchhausen meinte, oder ihre Wut über das Geknalle und die Verwundungen ließ sie aller Furchtsamkeit vergessen, – kurz, die ganze Bande stürzte sich heulend auf die Jäger.

Der Baron und sein Diener wurden zu Boden geworfen, als ein paar Tiere mit wuchtigem Anprall an ihnen hinaufsprangen. Der Bayer hielt besser stand auf seinen breiten Haxen. Da ein Schießen in dieser Lage zwecklos gewesen wäre, auch die gestürzten Kameraden bedroht hätte, die er nicht sehen konnte, schmetterte er mit dem Kolben drein und zertrümmerte seinen Angreifern teils den Schädel, teils das Rückgrat. Die Angriffe auf seine strammen Waden, die er vorhergesehen hatte, blieben glücklicherweise unschädlich, da er vorzüglich starke Ledergamaschen trug.

Inzwischen befanden sich Grill und sein Herr in einer höchst bedenklichen Lage unter den Füßen des bissigen Rudels. Der einzig günstige Umstand für sie war jetzt der, daß die Schakale in solcher Menge anstürmten, daß sie einander selber im Wege standen und unaufhörlich zur Seite drängten, auch gar zu wenig Raum zum Zuschnappen fanden.

Immerhin mußten sich die beiden mit Händen und Füßen gegen die drohenden Bisse wehren und strampelten wie wahnsinnig mit den Gliedern.

Jetzt bekam eines der Tiere freien Raum, um nach Peters Kehle zu schnappen. Abu Homrah sah die funkelnden Augen dicht über sich, und kam dem Scheusal zuvor, indem er seinen Hals umklammerte. Es war ihm beinahe unmöglich, das verzweifelt zappelnde Geschöpf festzuhalten; doch die Todesnot vervielfachte seine Kräfte, und es gelang ihm dabei sogar, wieder auf die Beine zu kommen.

Er schwang den Schakal wütend in der Luft und hieb mit ihm auf die nachdrängenden so wuchtig ein, als sei es ein Streitkolben, den er schwinge.

Das konnte das mißhandelte Tier mit zugeschnürter Luftröhre nicht lange ertragen, und es wurde so schlaff, daß der Held merkte, daß ihm der Rest seines Lebens entflohen war. Zugleich fand er sich für einen Augenblick von allen Angreifern befreit. Er warf daher den toten Streitkolben von sich und hob sein Gewehr auf, um sich, gleich Franz, fortan mit dem wuchtigeren Schafte zu wehren.

Zunächst sah er sich jedoch nach seinem Herrn um, für den er als treuer Diener besorgter war, als um das eigene Leben.

Wahrhaftig! Wenn der Baron überhaupt noch lebte, so schwebte er jetzt in der dringendsten Gefahr, denn eine der abscheulichen Bestien biß ihn gerade in den Hals.

Mit einem sausenden Kolbenhieb, schräg geführt, um den Herrn nicht zu treffen, schleuderte Grill das Raubtier zur Seite und richtete den Baron dann halb empor. Auf die Beine konnte er ihn nicht bringen, da es sich zeigte, daß er die Besinnung verloren hatte.

Es war ein Glück, daß des Bayern und hernach auch des Preußen Heldenkampf die Schakale nun doch bewogen hatte, das Weite zu suchen. Abu Barlah sandte ihnen noch einige Schüsse nach, die weiter unter ihnen aufräumten und sie bewegen mochten, ihre Flucht noch zu beschleunigen.

Jetzt kam Franz herbei und half Steinbergs Hals verbinden und ihn dann ins Lager zurückbringen, wo er bald wieder zu sich kam.

Die Zähne seines letzten Angreifers waren glücklicherweise nicht tief gegangen, weil Peter das Tier noch rechtzeitig gestört und weggefegt hatte, als es eben erst im Zubeißen war. Einige Wunden in den Armen und Schenkeln erwiesen sich als tiefer, doch nicht als gefährlich.

Auch der Vater der Eselin hatte einige Arm- und Beinwunden davongetragen, die aber ebenfalls unbedenklich erschienen. Der Vater der Mauleselin hingegen war unverletzt geblieben.

Selbstverständlich wurden die Verwundeten sachgemäß behandelt und verbunden. Die Weiterreise konnte ihrethalben nicht verschoben werden, weil doch nicht gewiß war, wie lange es noch dauern würde, bis man die nächste Oase erreiche. Es durfte daher nichts gewagt werden, was ein vorzeitiges Ausgehen der Wasser- und Lebensmittelvorräte hätte veranlassen können.

Die Damen räumten also den Verwundeten am nächsten Morgen ihren Tachtirwan ein, damit sie während der Weiterreise bequem liegen konnten. Das Wundfieber blieb nicht aus, doch hielt es sich in mäßigen Grenzen. Und als der Kapitän diesen Abend den Schluß der Geschichte der Messingnen Stadt vortrug, fühlten sich die beiden Patienten so munter, daß sie durchaus verlangten, dabei zu sein. Man lagerte sie daher ins Freie, mitten in den Kreis der übrigen Europäer.

Dann begann Münchhausen mit der Fortsetzung seines vorgestern abgebrochenen Vortrags.


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