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21.
Die Befreiung der Halunken

Der Morgen brach an, und der Sieg wurde mit einem Festmahl gefeiert, zu dem die Quelle den auserlesenen Trank spendete. Auch die Gefangenen erhielten ihr Teil. Dann versammelte der Pascha die Deutschen zum Kriegsrat.

»Unsere erste Aufgabe,« sagte er, »ist nun, den Fakir und die beiden Araber zu befreien.«

»Daran werden Sie doch nicht denken!« eiferte Rommel: »Seien Sie doch froh, die Schurken auf gute Art los zu sein!«

»Schurken oder nicht,« beharrte Münchhausen: »Ich fühle mich verpflichtet, ihnen Hilfe zu bringen: sie sind einmal unsere Reisegefährten und stehen unter meinem Schutz. Nie könnte ich es mir verzeihen, sie mitten in dieser unwirtlichen Wüste einem ungewissen Schicksal überlassen zu haben, vielleicht gar schuld zu sein, wenn sie umkommen.«

»Allawertesta Herr Pascha!« gestattete sich nun Billinger einzuwenden: »Ausgemochte Halunken san s', dö gelben Spitzbuam: dös hamm s' bewiesen. I moan, Gleich und Gleich gesöllt sö gern: lassen S' dö Kerls bei dö Beduwinen, nachher san dö richtigen Schelmen beioanond. Wann ma s' aba wieda befrein und uns auf an Hols loden, hernach kunnt's uns an Krogen gehn und mir waarn dö Dummen. Dös san Schlongen, wo Sö an Ihr'm umfangreichen Busen g'wärmt hamm, giftige Reptülier, dös sogt da Franzl!«

»Und ich sage,« erwiderte der Kapitän unwirsch: »Das Kleeblatt wird gerettet, und wenn ich es allein besorgen müßte! Was meinen Sie, Fräulein Hulda?«

»Ein sauberes Kleeblatt in der Tat!« lachte die Baronesse: »Ich habe mich für die finsterblickenden Kameraden niemals erwärmen können, und gestehe, daß ich gar kein Bedauern empfände, wenn ich ihre Galgengesichter nicht mehr sehen müßte.«

»Natürlich, die Zitrone! Sauer, wie immer! Aber Sie, Fräulein Monika?«

»Ich stimme immer für Milde: die armen Tropfen täten mir leid, wenn wir sie in der Not schnöde im Stiche ließen.«

»Brav! So redet die Harmonika: habe ich nicht anders von ihr erwartet. Ich glaube nun einmal nicht an die Gefährlichkeit dieser Burschen; und wenn sie Unheil spännen, wir brauchen sie nicht zu fürchten: wir sind ihnen gewachsen. Andrerseits habe ich es mir in den Kopf gesetzt, die rätselhafte Messingstadt zu entdecken, und dorthin ist Abd ul Hagg der einzige Führer.«

»Ein vortrefflicher Führer!« spöttelte Abu Ramleh: »Bis jetzt hat er uns nur in die Irre und öfters beinahe ins Verderben geführt. Allein Sie sind das Haupt der Karawane, der unumschränkte Herr und Gebieter: wenn Sie's nicht anders tun, so müssen wir uns eben fügen; ich aber wasche meine Hände in Unschuld!«

»Wann S' Eahna Ihre Händ woschen wölln, Herr Professa,« bemerkte der Bayer, »nachher is jo hier Wossa g'nug: i hob ma's aa g'woschen in da Quellen, blitzsauba san s' worrn: do schaun S' her! Aba im Sauftrog vun dö Kamöla hob i s' g'woschen: dös vasteht sö am Rond.«

Alle lachten, ohne recht zu wissen, ob der Schalk einen Spaß machte, oder tatsächlich meinte, der Vater des Sandes fühle das Bedürfnis, seine Hände zu waschen. Der Pascha aber fuhr fort: »Die Befreiung der Gefangenen bietet ja keinerlei Schwierigkeit, da der Scheich nur etwa zehn streitbare Männer bei sich hat. Den Weg zu seiner Oase muß uns einer der Beduinen weisen; übrigens finden wir ja auch seine Spuren. Es fragt sich nur, was wir mit unseren Gefangenen anfangen? Sie mitzunehmen halte ich für zu umständlich und auch gefährlich. Lassen wir sie aber frei, so könnten sie uns nachsetzen und uns wieder überfallen, wenn sie dies waffenlos wagen. Jedenfalls dürfen sie frühestens drei Tage nach uns in ihrem Dorfe eintreffen.«

»Dann schlage ich vor,« sagte die Zitrone: »Wir lassen sie gefesselt hier liegen und nehmen zwei oder drei von ihnen mit, die wir später zurücksenden, sie zu befreien.«

»Da müßten sie ja so lange Hunger und Durst leiden!« meinte Monika mitleidig.

»Was ihnen gar nichts schadet!« entgegnete die Zitrone hart: »Sie haben es verdient.«

»Deine Weisheit in Ehren,« wandte sich der Professor an seine Schwester: »Aber diesmal erscheint mir dein Vorschlag zu gefährlich: zweifellos würden sich einige zu entfesseln wissen, und dann wären bald alle auf unseren Fersen.«

»Das stimmt!« sagte der Pascha: »Also einen anderen Vorschlag!«

Diesmal hatte Baron Erich einen klugen Gedanken, was ihm selten genug begegnete: »Wir nehmen ihre Kamele mit,« schlug er vor, »und selbstverständlich auch ihre Waffen.«

»Das läßt sich hören,« pflichtete ihm der Kapitän bei. »Wenn alles zum Aufbruch bereit ist, binden wir einen los. Bis dann die übrigen von ihren Banden befreit sind, haben wir einen genügenden Vorsprung, so daß sie uns zu Fuß unmöglich mehr einzuholen vermögen. Ihre Kamele und Waffen lassen wir dann irgendwo am Wege zurück, so daß sie dieselben in zwei bis drei Tagereisen erreichen können. Die Fußwanderung in der Sonnenglut soll ihre gerechte Strafe sein für ihre Unfreundlichkeit, friedliche Reisende zu überfallen, auszuplündern und gefangen zu nehmen. Ihren Bedarf an Lebensmitteln und Wasser müssen sie natürlich selber tragen.«

»Eine höchst gelinde Strafe!« ließ sich die Zitrone vernehmen, die sich offenbar heute von ihrer sauersten Seite zu zeigen beliebte, aber gar nicht so unrecht hatte. »Dagegen aber,« fügte sie hinzu, »müssen wir energischsten Einspruch erheben, daß Sie den Schurken sogar ihre Waffen zurückerstatten wollen: bedenken Sie doch, daß ihnen diese nur zur Ausführung ihrer Räubereien und Mordtaten dienen.«

»Das ist allerdings wahr,« gab Abu el Futha zu: »Lasse ich ihnen ihre Waffen, so mache ich mich eigentlich zum Mitschuldigen ihrer ferneren Untaten. Also, behalten wir sie! Übrigens werden sie in ihrer Oase gewiß Ersatz genug im Vorrat haben und den Abmangel baldmöglichst durch Neuanschaffung oder Erbeutung ergänzen.«

Der Aufbruch wurde sofort vorbereitet, alle Behälter mit Wasser gefüllt und die Kamele beladen. Den Beduinen wurde von ihren reichlichen Lebensmittelvorräten so viel belassen, daß sie bei gesunder und heilsamer Einschränkung sechs Tage zu leben hatten: in dieser Frist konnten sie ihr Dorf erreichen. Die übrigen ansehnlichen Vorräte an Eßwaren beschlagnahmte der Pascha mit gutem Gewissen.

Dann wurde den Gefangenen der Beschluß mitgeteilt. Sie waren sichtlich erfreut, so leichten Kaufes davonzukommen, obgleich sie an die Rückgabe ihrer Kamele nicht glaubten: angesichts ihrer eigenen Gewohnheiten, erschien es ihnen selbstverständlich, daß die Sieger die Tiere, wie die Waffen, als gute Beute behalten würden, und es wäre ihnen nicht entfernt eingefallen, darin ein Unrecht zu erblicken, so empfindlich sie der Verlust schmerzen mußte. Umso freudiger waren sie später überrascht, als sie tatsächlich ihre Kamele am Wege kurzgefesselt wiederfanden, und sie gewannen die Überzeugung, die Giaurs seien im Grunde doch unglaubliche Dummköpfe.

Zwei Mann nahm Münchhausen als Führer mit, und einen der Zurückgelassenen ließ er losbinden, um die Kameraden zu entfesseln.

Dann ging es im Galopp weiter, der Räuberoase zu.

Am Abend des folgenden Tages wurden die erbeuteten Kamele mit gebundenen Füßen am Wege zurückgelassen, und gegen Mittag des dritten Tages war das Beduinendorf erreicht.

Scheich Habibi war hoch erstaunt und in hellster Wut über den unerwarteten Besuch. Da er jedoch nur Weiber, Greise und Kinder bei sich hatte, außer den zehn Mann, in deren Begleitung er zurückgekehrt war, so war er völlig machtlos, und sah sich gezwungen, die drei Gefangenen auszuliefern.

Diese dankten dem Pascha mit vielen hochtönenden Worten und versicherten ihn ihrer lebenslänglichen Dankbarkeit mit Beteuerungen, die den guten Kapitän vollkommen überzeugten, daß er fortan auf ihre Anhänglichkeit und Treue zuversichtlich rechnen dürfe, auch wenn sie je zuvor andere Gesinnungen gehegt hätten.

Noch am gleichen Nachmittage wurde eine gute Strecke nach Nordwesten weitergeritten, da Münchhausen doch nicht in der Nähe des Räuberdorfes lagern wollte, wenn auch ein Angriff kaum zu befürchten war, ehe die Mannschaft die Oase wieder erreicht hatte. Die Wasserbehälter wurden selbstverständlich vor dem Abzug wieder frisch aufgefüllt.

Als die Sonne sank, wurde das Lager in der Wüste aufgeschlagen. Hätte Hussein Pascha die drei so großmütig Befreiten belauschen können, als sie abseits von den andern ihre Gedanken austauschten, so hätte ihn seine Tat vermutlich gereut; jedenfalls hätte er dafür gesorgt, die Heuchler unschädlich zu machen.

»Ich hätte es mir nie träumen lassen,« sagte der Scherif Sidi Hamed ben Abd er Rahman, »daß wir so bald aus der unangenehmen Gefangenschaft erlöst würden! Allahs Wege sind in der Tat wunderbar, und der Prophet, der Hochgelobte, hat seiner getreuen Anhänger nicht vergessen.«

»In den Träumen zeigen einem die Dschinns, die Geister, oft die seltsamsten Dinge, die man im Wachen nie für möglich halten würde. Aber daß der Pascha, den Allah verdammen möge, sich aus der Gefangenschaft der Beduinen befreien werde und dann gar noch uns, seine Todfeinde, aufsuchen und erretten würde, das wäre selbst für einen Traum zu unglaubwürdig gewesen!« Also lautete der Ausspruch des Hadschi Mohamed et Talib, der wohlgefällig seinen Bart strich, welcher freilich bedeutend von seiner strahlenden Röte verloren hatte, da dem würdigen »Fuchs« in der Wüste sein kostbarer Hennahvorrat ausgegangen war, so daß er die Zierde seines Antlitzes, auf deren rote Farbe er so eitel war, nicht frisch auffärben konnte.

Der Fakir Abd ul Hagg ließ ebenfalls seine Weisheit zum Worte kommen: »Sehet ihr nun,« sagte er mit der ihm eigenen Würde, »wie einfältig diese Rumihs sind? Allah hat ihnen keinen Verstand gegeben, zur Strafe ihres Unglaubens, damit sie umso sicherer in ihr Verderben rennen und die Gläubigen sie ungefährdet vernichten können. Er gibt sich selbst immer wieder in unsere Hand, dieser Pascha, dem der Esel an Geist und Scharfsinn hundertmal überlegen ist. Ich werde bald einen neuen Plan ausgesonnen haben, ihn und seine Begleiter zu verderben, und wenn auch dieser nicht gelingt, so finden die Giaurs ihr Ende in der Messingstadt.«


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