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27.
Die Geschichte der Messingnen Stadt

Wiederum zwei Tage anstrengender Reise durch Wüstenglut waren überwunden; doch diesmal befanden sich alle in bester Stimmung, denn der edle Fakir Abd ul Hagg hatte hoch und heilig geschworen, in längstens fünf weiteren Tagen müsse das Ziel, die Messingstadt, erreicht werden, und der Pascha bestätigte, daß die Karte, die bisher keinen Anlaß zu Zweifeln an ihrer Zuverlässigkeit gegeben habe, mit dieser Angabe übereinstimme.

Wie begreiflich, drehte sich bei der abendlichen Lagerrast das Gespräch um die geheimnisvolle Stadt, deren Vorhandensein etliche Mitglieder der Karawane, insbesondere Professor Rommel, immer noch stark bezweifelten.

»Was haben Sie denn für urkundliche Nachrichten über dieses Rätsel der Sahara?« fragte Abu Ramleh daher etwas spöttisch.

»Wie bereits früher erwähnt,« antwortete Abu el Futha, der Vater des Schnupftuchs, würdevoll, »fuße ich namentlich auf den Berichten aus Tausendundeiner Nacht.«

»Berichten – ist gut!« lachte Rommel: »Sie, der Sie selber so viel Märchenhaftes zu berichten wissen, sollten am besten beurteilen können, daß Märchen und Wahrheit unvereinbare Gegensätze sind.«

»Sie irren, wie immer, Professor,« sagte Münchhausen von oben herab: »Gerade weil törichte Zweifler so oft glauben, meine wahrheitsgetreuen Erzählungen aus meinem vielbewegten Leben für Erdichtung halten zu dürfen, hüte ich mich, in den gleichen Fehler zu verfallen, und erkenne den Wahrheitsgehalt der sogenannten Märchen an. Selbstverständlich ist nicht alles, was die Märchen erzählen, für bare Münze zu nehmen: das beanspruchen sie ja selber nicht. Sie sind Schöpfungen der Phantasie und geben sich als solche. Sie enthalten jedoch stets einen Kern der Wahrheit, den es unwissenschaftlich ist, blindlings zu übersehen.«

»Wollen Sie uns nicht mitteilen, was Ihr Märchen aus Tausendundeiner Nacht über die Messingstadt berichtet,« bat die Zitrone: »Hoffentlich sind wir bald in der Lage, seine Angaben durch den Augenschein nachzuprüfen.«

»Gerne werde ich Ihren Wunsch erfüllen, und zwar sollen Sie die vollständige Erzählung zu hören bekommen, obgleich sie vieles enthält, was nicht eigentlich zur Sache gehört; denn selbstverständlich habe ich den Band von Tausendundeiner Nacht, der die Erzählung enthält, mit auf die Reise genommen.«

Der Pascha holte das Buch aus seinem Zelte, und seine deutschen Gefährten lagerten sich alle dichter um ihn, begierig, Näheres über das Ziel ihrer mühevollen Reise zu vernehmen, das sie vielleicht bald mit eigenen Augen schauen sollten.

Es war eine deutsche Übersetzung der Märchen, die der Kapitän in Händen hielt, und aus der er folgendes vorlas:

»Geschichte der Messingnen Stadt.

Der Beherrscher der Gläubigen Abd ul Melik, Merwans Sohn, pflegte an bestimmten Abenden die Großen und Gelehrten seines Reiches um sich zu versammeln, um sich mit ihnen über verschiedene interessante Gegenstände zu unterhalten und zu belehren. Eines Abends kam so die Rede auf die Geschichte alter Völker und ihrer mächtigen Kaiser.

»Da ließ sich ein berühmter Geschichtsforscher also vernehmen: ›Salomo, Davids Sohn, war Allahs besonderer Liebling: ihm hat er mehr verliehen, als irgend einem Sterblichen vor und nach ihm. Er hatte Gewalt über Menschen, Vögel und Tiere, ja, selbst die Geister mußten seinem Willen gehorchen. Gott ließ ihm einen Teppich zuteil werden, auf dem er durch die Luft reisen konnte, und verlieh ihm einen Siegelring von wunderbarer Macht. Zürnte er einem Geiste, so bannte er ihn in eine kupferne Flasche, goß sie mit Blei zu, versiegelte sie mit seinem Ringe, und warf sie ins Meer.‹«

»Da haben wir's!« lachte der Professor: »Das echte Märchen! Oder wollen Sie uns zumuten, an den fliegenden Teppich und an den Zauberring zu glauben?«

»Ich gestatte Ihnen, daran zu zweifeln,« erwiderte der Vater des Schnupftuchs, »obgleich es viel wunderbarere Dinge in der Welt gibt, die unleugbare Tatsachen sind.«

Abu Homrah jedoch sprach den Wunsch aus: »Solch eenen fliejenden Teppich ließe ik mich ooch jefallen: den möchte ik haben! Da jinge et jlatt über den Sand wech und een herrlicher kühlender Luftzuch würde eenen umstreicheln.«

»Lieba waar ma schun da Siegulring,« erklärte Abu Barlah: »Dön, wann i hätt', nachher taat i dön schurkischen Fakir in a kupfana Floschen einibonnen. Is jo schun dürr wie a Birnhutzeln; aba no vül ärga müßt a z'sammenschnurrn durch moan Zaubasprüchl, daß a durch an Floschenhols eini kunnt. Alsdann Blei und Siegul drauf, und a Meilen tief in Sond eini groben: hernach kunnt a uns nimma an da Nosen ummiführn und i müßt soane Glotzaagen nimma schaugn, soane giftigen!«

Münchhausen griff nun seine unterbrochene Erzählung wieder auf.

»Es befand sich unter den anwesenden Gelehrten auch Taleb, der berühmte Schwarzkünstler. Dieser erfahrene Mann besaß Bücher, die ihn lehrten, die Schätze zu finden und zu heben, die im Innersten der Erde verborgen sind. Der erhub sich und sprach: »O Fürst der Gläubigen! Allah erhalte dein Reich und erhebe deine Ehre über beide Welten! Mir hat mein Vater erzählt, mein Großvater habe einst eine Seereise unternommen und nach der Insel Sizilien fahren wollen. Da gefiel es Allah, dessen heiliger Wille auch im Unglück gelobt sei, einen gewaltigen Sturmwind herbeizuführen, der das Schiff von seinem Wege abtrieb und einen ganzen Monat lang auf dem Meere umherjagte, bis es an einem hohen Berge landete, den niemand kannte.

»Die Schiffsleute hatten keine Ahnung, wo sie sich befanden, und staunten über die seltsame Gestalt der Leute, die sich am Ufer zeigten. Ihre Sprache verstand keiner, und das Arabische war den Eingeborenen unbekannt.

»Die Gelandeten wurden von ihnen zum König geführt, der allein unserer Sprache mächtig war und zu meinem Großvater sagte: ›Ihr habt euch gewiß verirrt; denn hier landet nur selten ein Schiff, und niemals eines aus so fernen Landen. Fürchtet jedoch nichts: ihr werdet wieder glücklich in eure Heimat zurückgeführt werden.‹ Hierauf lud er sie zu Gaste und bewirtete sie drei Tage lang mit Vögeln und Fischen.«

»Nix Bessas hot a nit g'hobt, der orm Kuning?« fragte der Bayer mitleidig: »A softiga Radi oda a Kesselfloasch und Weißwürstel waaren ma schun lieba g'west. Aba wann a eahna nur a guts boarisch Bier dozu auftischt hot, nachher hamm s' schun können z'frieden soan. Denn a Bier is un bleibt dö Haaptsochen, und i frag ollweil mit dö Oroba: Fen el Bir? Wo is a Bier?«

»Oder eene Berliner Weeße!« meinte Peter, mit der Zunge schnalzend.

»Bleib ma weg mit doaner Weißen, Preiß! I hob ollweil 's Maul g'holten, wann d' vun dön G'suff g'redt hast, denn i hob di nit mögen beloadigen. Aba jetz wurd ma's z'vül, wann d' imma mit doan weißen Bier daherkimmst: dös konn i nimma mit anhörn. A Mili, dös loß i ma g'folln, so a frische kolte Mili auf da Sennhütten heroben, dö derf weiß soan, wie an frischg'follena Schnee. Aba a weiß Bier, dös kann bloß a Nordkaffa brau'n und saufen, wo vun an richtigen Bier nix vasteht. A Bier muß fein braun soan, recht dunkelbraun, wie a Mistbrühen, nachher is's a richtigs Bier.«

Nach dieser Auseinandersetzung zwischen Nord- und Süddeutschland konnte der Pascha weiter lesen:

»Am vierten Tage gingen sie am Meeresstrande lustwandeln und kamen gerade dazu, wie ein Fischer in seinem Netze eine kupferne Flasche heraufbrachte, die mit Salomos Siegel verschlossen war. Der Mann erbrach das Siegel: da fuhr der bleierne Stöpsel mit einem furchtbaren Donnerschlage heraus, und ein grünlicher Rauch entquoll dem Behälter. Dieser dicke Qualm aber verdichtete sich in der Luft zu der abscheulichsten Gestalt, die mein Großvater je gesehen hatte.

»Das riesenhafte Scheusal, das in der Luft schwebte, rief mit lauter Stimme: ›Gnade, Gnade, o Prophet Gottes, mächtigster Suleiman: ich will dergleichen nicht wieder tun!‹ Mein Großvater begab sich voll Schauderns zum König, erzählte ihm den Vorfall und fragte, was das zu bedeuten habe?

»Der König sagte, es sei ein aufrührerischer Geist, den Salomo wegen seines Ungehorsams eingesperrt und ins Meer versenkt habe. Als er jetzt befreit wurde, glaubte er, Salomo lebe noch und wolle ihm verzeihen: darum rief er seine Gnade an. Ihr müßt nämlich wissen,« fügte Abu el Futha erklärend hinzu, »daß Suleiman der arabische Name für Salomo ist.«

»Gebt's Obacht!« rief Billinger: »Selbiga widaspenstige Goast, dös is koan ondra g'west, wie da Molefizhalunk, da Fakir Abd ul Hagg! Scheußlich g'nug schaut a aus, und wie a G'spenst kimmt a ma ollweil vur mit soane dürren G'stolt und soane unhoamliche Aagen. Was hot der saudumm Esel vun an Fischa am Salomo soan hoaligs Siegul aufbrechen müssen? Dös is a Nosenweißhoat g'wesen, und a Frechhoat obendrein: g'wiß is's a Preiß g'west: dö san so Tölpel und vurlaute G'sölln! Dös Siegul wann a fein zug'lossen hätt', wie sö's vur an anständigen Menschen g'hört, nachher kunnt uns der India nit in da Wüsten umoanand hetzen und koane Spitzbubarein nit treiben. O dös Siegul, wann da Franzl hätt'! Hernach, a kupfana Floschen her und – einispoziert, Herr Fakir! Alsdann kämst nimma außi bis zum Jüngsten G'richt: do wurd da doan saubas Handwerk schun g'legt werrn vun unsan Herrgott auf ewige Zeiten!«

Der Pascha ließ Franzls Entrüstung freien Lauf, so sehr er selber an ihrer Berechtigung zweifelte; dann aber griff er den Faden seines Vortrags wieder auf:

»Der Sultan Abdulmelik verwunderte sich höchlich über diesen Bericht und äußerte: ›Es gibt keinen Gott außer dem einzigen Gott! Allah hat dem Salomo eine große Macht gegeben. Wenn ich nur einmal eine solche Flasche mit eigenen Augen sehen und besitzen könnte! Sie würde jedermann zur Belehrung und zur Warnung dienen.‹ Taleb aber sagte: ›Solche Flaschen befinden sich in der Messingnen Stadt: wenn du eine haben willst, so schreibe an Musa, deinen Statthalter über den Westen und Andalusien, er möge dorthin reisen und dir einige davon verschaffen; doch soll er sich auf die Reise wohl mit Lebensmitteln, vor allem mit Wasser versehen; denn die Stadt liegt tief in der Wüste und ist infolge des Wassermangels längst ausgestorben.‹

»Der Kalif ließ sofort einen Schreiber rufen und hieß ihn an den Emir Musa schreiben. Den Brief übergab er dem Taleb und sprach: ›Ich wünschte, daß du selber den Brief überbrächtest.‹

»Taleb erwiderte: ›Ich gehorche Gott und dem Fürsten der Gläubigen!‹ Er ließ sich Geld, Lebensmittel und ein Reittier geben und reiste unverzüglich von Damaskus nach der Hauptstadt von Ägypten, Kairo, und nach einigen Rasttagen von dort nach Oberägypten, wo der Statthalter Musa zurzeit weilte.

»Als dem Emir Talebs Ankunft gemeldet wurde, ging er zu ihm, bewillkommnete ihn und ließ ihn mit Auszeichnung bewirten. Hierauf übergab ihm Taleb den Brief des Kalifen. Musa las ihn und sprach: ›Ich gehorche Allah und dem Fürsten der Gläubigen!‹ Sogleich ließ er einige weitgereiste Männer zu sich bescheiden, die er fragte: ›Der Kalif schreibt mir, ich solle ihm Salomonische Flaschen verschaffen: wie fange ich dies am besten an?‹ Die Reisenden rieten ihm: ›Wende dich an Abdul Kadus, der wird dir ihren Fundort angeben können, denn er ist viel gereist, zu Wasser und zu Land, und schon mancher Gefahr glücklich entronnen.‹ Musa schickte nach dem Manne, und es erschien ein Greis, dem die Jahre schon hart zugesetzt hatten und dem man wohl ansah, daß er schon die wunderbarsten Dinge erlebt haben mußte.

»Der Emir teilte ihm Abdulmeliks Begehr mit und fügte hinzu: ›Ich kenne dieses Land noch wenig, habe jedoch gehört, niemand sei so weit gereist, wie du, auch seist du der beste Führer und Ratgeber und kennest alle Meere, sowie alle Wüsten und ihre Bewohner. Darum ersuche ich dich, mit uns zu ziehen, um uns zu helfen, den Willen des Kalifen zu erfüllen. Du sollst dich, so Gott will, nicht umsonst bemühen.‹

»Abdul Kadus erwiderte: ›Ich gehorche Gott und dem Fürsten der Gläubigen! Doch, mein Herr, wisse, daß die Messingstadt weit von hier liegt: wir haben einen langen Weg zurückzulegen und laufen viel Gefahr auf der beschwerlichen Reise.‹

»Da fragte der Statthalter: ›Wie lange werden wir ausbleiben müssen?‹

»›Wir brauchen zwei Jahre hin, und ebensoviel zurück,‹ erwiderte der Alte. ›Nun bist du aber ein Mann, der für Gott gegen die Ungläubigen kämpft: du darfst also nicht durch eine so lange Abwesenheit das Land dem Feinde preisgeben. Darum ernenne einen Stellvertreter, der während deiner Abwesenheit die Feinde bekämpfe und das Land verwalte. Übrigens steht unser Leben, wie du weißt, nicht in unserer Gewalt, und du kannst nicht wissen, wie bald du dem Tode anheimfällst: schon deshalb mußt du die nötige Vorsorge treffen.‹«

Peter Grill konnte, da der Pascha hier einhielt, eine Bemerkung nicht unterdrücken: »Det sin ja schöne Aussichten! Vier Jahre in dieser wüsten Sarah herumreesen, bloß um eene Messinkstadt zu entdecken, die möjlicherweise jar nich vorhanden is, det is doch die reenste Unmöglichkeet, und ik jloobe, bevor wir dahinkommen, sin wir alle längst verhungert oder verdurstet, wahrscheenlich alles beedes.«

Franz Billinger jedoch beruhigte ihn: »Dös mit dö zwoa Johrerln hin und z'ruck, is a Schwündel: dös derfst fein glaaben. So vül wurst in doane Schulen aa g'lernt hamm vun da Geokrafie, daß dö ganz wüste Sara koane zwoa Johrerl long is. In so oaner Zeit taat da Franzl um dö ganz Erdkugel ummimorschiern, vun Minka noch Pasing üba Neuyork und Peking. So an olta Weltroasenda, wie dösa Abd ul Kakadus is a geborena Aufschneida, un in so an Märchen kimmt's aa nit drauf an, daß olles auf da Tupfen stimmt.«

»Darin wirst du schon recht haben,« pflichtete ihm Münchhausen bei: »Aber wir wollen nun weiter hören, wie es unsern Vorgängern auf der Reise zur Messingstadt ergangen ist. Also: ›Musa ließ sogleich seinen Sohn Harun rufen, der ein tüchtiger, guter, und in der Regierungskunst wohlerfahrener Mann war, und übertrug ihm die Statthalterschaft Ägyptens über die Zeit seiner Abwesenheit. Dann versammelte er die Truppen, und nahm ihnen einen Eid ab, daß sie seinem Sohne in allen Dingen Gehorsam leisten wollten, wie ihm selbst. Diesen Treuschwur legten die Krieger mit Freuden ab, denn der neue Herr war allgemein beliebt und hochgeachtet.

»Hierauf sagte Abdul Kadus zu Musa: ›Laß tausend Kamele mit Wasser beladen, tausend mit Lebensmitteln und ebensoviele mit irdenen Krügen.‹ – ›Wozu diese?‹ fragte der Emir erstaunt. Der Alte aber erklärte: ›Wir haben zwei Monate durch die große Wüste von Kairawan zu ziehen, wo es kein Wasser und keine Menschen gibt: dort weht beständig ein heftiger Samum, der das Wasser in den Schläuchen austrocknet, weshalb man es dort nur in Krügen mitnehmen kann.‹«

»Aha!« rief Professor Rommel: »Daher also haben Sie den vorzüglichen Gedanken Ihrer Wasserbehälter geschöpft! Jetzt sehe ich allerdings ein und gebe es zu, daß man auch aus den Märchen von Tausendundeiner Nacht wertvolle Winke für das praktische Leben entnehmen kann.«

»So vernünftig diese Ihre Einsicht auch ist, so irren Sie doch, wie gewöhnlich, mit Ihrer Vermutung, verehrtester der Professoren,« widersprach der Kapitän: »Auf die genialen Gefäße kam ich ganz von selber, ohne mich dieser Stelle im Märchen zu entsinnen, die mir nie aufgefallen war. Als denkender Mensch und scharfsinniger Erfinder besann ich mich, wie die mangelhaften Schläuche durch etwas Besseres zu ersetzen seien, und verfiel alsbald auf die Aluminiumbehälter, die uns nunmehr so vortreffliche Dienste leisten. Doch lassen Sie uns fortfahren:

»Musa schickte nach Alexandrien, von wo er die nötigen Krüge holen ließ. Dann machte er sich auf den Weg mit zweitausend Panzerreitern, die neben den Kamelen herritten, während der Alte, als Führer, sich an der Spitze des Zuges hielt.

»Es war eine äußerst beschwerliche Reise, die bald durch bewohntes, bald durch menschenleeres Land führte. Häufig ging es durch wilde, wasserlose Wüsten oder über hohe Berge, und Gefahren aller Art waren zu überstehen.

»So zogen sie ein Jahr lang fort, bis sie eines Tages vom rechten Wege abkamen, und der Führer, der nicht mehr wußte, wo er war, ausrief: ›Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem erhabenen! Bei dem Herrn der Kaaba; ich habe mich in der Nacht verirrt, und sehe mich in einem Lande, das ich noch nie betrat.‹ Musa sagte: ›So führe uns zurück zu der Stelle, wo wir vom rechten Wege abkamen.‹ – ›Die kann ich nicht mehr finden,‹ gestand Abdul Kadus kleinlaut. ›So laß uns nur weiterziehen,‹ riet der Statthalter: ›Vielleicht wird uns Allah durch seine Macht leiten.‹

»Bis zur Zeit des Mittagsgebets wandelten sie durch die Einöde, dann gelangten sie in ein schönes ebenes Land, so flach, wie der Meeresspiegel, wenn kein Lüftchen ihn kräuselt. In der Ferne jedoch erblickten sie etwas Schwarzes, sehr hohes. Darauf hielten sie zu, und als sie näher kamen, erwies es sich als ein Gebäude, so hoch und so fest, wie ein Berg, ganz aus schwarzen Steinen erbaut, mit ungeheuren Altanen und einem chinesischen Tore aus Eisen, das einen blendenden Glanz ausstrahlte. Niemand wußte wofür er dieses Riesenbauwerk halten sollte, das tausend Schritt im Umfang maß, und dessen hundert Ellen hohe bleierne Kuppel sich aus der Ferne wie eine Rauchsäule angesehen hatte.«

»Nit wohr, do schaust, Preiß!« wandte sich Franzl an Peter: »A so a Bauwerkerl hobts ös nit zu Berlin. Mir Boaern hamm z'Minka auf da Theresienwiesen dö Bavaria: dö is schun wie a Raachsäulen vun an Fabrikschlot, und in ihren Leib herinnen is a Stiegen, daß ma aufikraxeln konn bis in Kopf. Und zu dö Aagen konnst außischaugn üba ganz Minken weg bis in dö Olpen. Aba da Herr Pascha kunnt nit aufi, vun wegen, daß a z'fett is, und im Hols taat a stecken bleiben, der is z'eng für eahn: und alsdann kunnt unsa schöne Bavaria nimma schnaufen und müßt elendig vasticken. Derholben, Herr Kapitän, wann S' noch Minken kimmen, bleiben S' fein herunten vun dö Bavaria!«

»Da kannst du getrost sein, Franzl! Vor mir ist die bronzene Jungfrau sicher: ich hüte mich vor engen Durchgängen. Nun aber weiter: ›Der Führer sagte: ›Wir wollen diesem Gebäude näher treten: vielleicht gibt es uns irgend einen Aufschluß.‹ Als er aber näher kam, erkannte er es und rief: ›Es gibt keinen Gott, außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet!‹ Da sprach Musa: ›Ich höre, du lobst Gott: hast du eine frohe Kunde für uns?‹ – ›So ist es,‹ antwortete der Alte: ›Freue dich: Der erhabene Gott hat uns aus den schrecklichen Wüsten befreit. Wisse, mein Vater erzählte mir einmal von seinem Großvater, er sei in diesem Lande gewesen, und habe nach langen Irrfahrten dieses Schloß erreicht. Von hier aus sei er dann in die Messingne Stadt gelangt. Nur noch zwei Monate haben wir jetzt bis an unser Ziel. Wenn wir immer am Rande der Wüste hinziehen, werden wir es erreichen und viele Brunnen und Bäche unterwegs finden. Alexander der Zweihörnige hat dies Land erobert, als er sich nach Westen wandte; die meisten Brunnen an unserm Wege ließ er graben.‹ Musa dankte für diese frohe Botschaft und sagte: ›Komm, laß uns jetzt sehen, was für Wunder dieses Schloß birgt.‹ Sie traten an das Tor und fanden darauf eine Inschrift in goldenen Buchstaben, die also lautete:

›Wo sind sie, die in Stolz und Stärke
Die Wunderbauten aufgerichtet?
Noch stehen ihre großen Werke,
Sie aber hat der Tod vernichtet!
Schaust du, was schufen ferne Ahnen,
O Wanderer, sei dir bewußt,
Wie diese Reste dich gemahnen,
Daß du auch ihnen folgen mußt.
Und willst du die Geschichte kennen
Von einem Volk, das sich schon lang
Von seinen Schätzen mußte trennen,
So wende in das Schloß den Gang.
Dort wirst du das Geschick erfahren
Von Helden, die gar hoch gestiegen,
Die einst so reich und glücklich waren
Und nun im Staub beisammen liegen.‹

Als Musa diese Verse las, weinte er vor Rührung über sie und sprach: ›Es gibt keinen Gott außer Allah, der ewig fortdauert!‹ Dann schritt er auf ein anderes Tor zu, an welchem folgende Inschrift prangte:

›Wie manches Volk hat hier gelebt
Und ist für alle Zeit verschwunden!
O Mensch, der nach der Weisheit strebt,
Verständig würdest du erfunden,
Wenn du erkenntest, daß mit dir
Die Zeit verfährt, wie mit den andern,
Und daß du zu den Toten hier
Nach kurzer Pilgerschaft mußt wandern.
Wie haben sie sich abgemüht
Im Schätzesammeln hier auf Erden,
Und nun ist ihre Lust verblüht,
Sie mußten selbst zu Staube werden.
Sie ließen andern all ihr Gut,
Um in das enge Grab zu steigen:
Einst jauchzten sie im Übermut, –
Jetzt bannet sie das ew'ge Schweigen!‹

»Diese Inschrift machte auf den Statthalter einen tiefen Eindruck: die ganze Welt erschien ihm nichtig und das irdische Leben kaum lebenswert. ›Ich bin in Gottes Hand,‹ rief er aus, ›und zu ihm kehren wir alle zurück: es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Allah, dem Erhabenen! Er hat uns zu Großem erschaffen in der ewigen Zukunft: diese Welt aber hat für mich nicht mehr Wert als ein Mückenflügel. Alle Könige müssen zuletzt sterben, und die Armen haben nach dem Tode mehr zu erwarten, als sie. Gepriesen sei Gott, der allein ewig Dauernde!‹ Sie begaben sich nun in das Schloß selber und bewunderten seinen prächtigen Bau und die ungeheuren Räume, in denen alles ausgestorben war. Als sie in den Hof kamen, aus dem die Kuppel sich erhob, erblickten sie vierhundert Gräber. Ein großer Grabstein aus weißem Marmor lenkte zunächst ihre Aufmerksamkeit auf sich: sie näherten sich ihm und fanden darauf folgende Inschrift eingegraben:

›Wie oft blieb ich einst stehn, wie du,
Auf Gräbern eine Schrift zu lesen;
Den Sängerinnen hört' ich zu
Und bin bei Festen froh gewesen.
Wie viele Schlösser hochgezinnt
Hab' ich erobert, reich an Beute,
Und sann dem Schicksal nach: ›Wo sind,
Die gestern groß gewesen, heute?‹
Nun sprichst du: ›Er ist tot!‹ O Wandrer,
Drum sorge für dein Seelenheil,
Denn dir auch wird das Schicksal andrer,
So bald, ach gar so bald! zu teil.‹

»Musa weinte und war so gerührt, daß ihm fast der Atem ausging.«

Hier konnte sich Peter nicht enthalten, zu bemerken: »Nee! wat sin doch die Araber für rührselige Naturen! Det sieht man die braunen, ernsten Jesellen jar nich so an. Dieser Musa flennt ja, wie eene olle Schachtel, wenn er eenen Vers liest! Den wollte ick unser Jesankbuch nich in die Hände jeben, denn wenn er an die Sterbelieder käme: ›Ich bin ein Gast auf Erden‹ oder jar ›Wer weiß, wie nahe mir mein Ende‹, er täte ja in Tränen zerfließen, wie een Stück Marjarine an die Mittachssonne im Aujust.«

Münchhausen las jedoch weiter:

»Der Statthalter näherte sich dann der Kuppel und fand darin acht hölzerne Pforten, mit goldenen und silbernen Nägeln beschlagen. Über der Hauptpforte waren folgende Verse angeschrieben ...«

Hier unterbrach der Vater des Sandes den Kapitän: »Nein!« sagte er: »Das wimmelt ja nur so von Inschriften! Hoffentlich entdecken wir auch noch dieses Riesenschloß: das muß ja eine wahre Fundgrube für einen Altertumsforscher sein!«

»Wenn wir nur die Messingstadt entdecken,« meinte der Vater des Schnupftuchs: »Ich habe keine Lust, dann noch zwei Monate oder mehr in der Wüste umherzuirren, nur weil Sie auf alte Inschriften Jagd machen wollen. Übrigens hätte es auch keinen Zweck, denn der gute Musa hat sie ja schon alle abgeschrieben: Sie werden noch eine ganze Anzahl zu hören bekommen. Auf der Hauptpforte der Kuppel also standen folgende Verse:

›Andern ließ ich meine Habe,
Nicht weil ich freigebig war,
Sondern weil auch mich zu Grabe
Trug der Hinterbliebnen Schar.
Lange freut' ich mich der Güter,
Die der Höchste mir beschert,
Habe mich als grimmer Hüter,
Wie ein Leu um sie gewehrt.
Immer war ich voller Sorgen,
Gab aus Geiz kein Senfkorn her –
Da erschien mein letzter Morgen
Und kein Trotzen half mir mehr.
Ja, der Tod war mein Besieger,
Der der Stolzen Macht zerbricht,
Meine Freunde, meine Krieger
Retteten vor ihm mich nicht.
Täuschung war mein ganzes Leben,
Bald in Wohlstand, bald in Not:
Bleibendes hat mir gegeben
Nicht das Leben, nur der Tod!
Magst du deinen Beutel füllen,
Nimmt ein andrer ihn zum Raub.
Und die Totengräber hüllen
Dich ins Sterbekleid im Staub.
Und mit Sünden schwer beladen
Du vor Allahs Richtstuhl stehst:
Denke drum auf allen Pfaden,
Wanderer, wohin du gehst.
Laß dich nicht vom Glanz verblenden,
Den die Welt betrügend strahlt:
Alles muß im Staube enden,
Jede Schuld wird einst bezahlt!«

»Musa war so ergriffen, daß er in Ohnmacht fiel.«

»Jetz is's Weibsbüld ferti!« rief Billinger: »Fallt der Kerl gor in an Ohnmacht, vun wegen oam Verserl, wo a g'lesen hot! Hot koaner an Salmoniak in da Taschen, so an stinketen, wo ma dem Lakel unta soan Riechzinken heben kunnt? Dös is ma a saubera Stottholta, wo sö selbsten nit aufrecht holten kann, wann a aus am Sprücherl hört, daß dös Leben an End nimmt: dös woaß unsaoana eh, und braucht koan Inschrüft an oana holzanen Kuppelpforten, um dö Neuigkoat z'erfohrn. Aba lesen S' nur furt, Herr Pascha: i bin neugieri, wos dös vur an End nimmt mit döm Musa: Possen S' auf, wann der no mehr so Onschrüften findt, nachher trifft an auf d'letzten da Schlog!«

Abu el Futha las weiter: »Als Musa wieder zu sich kam, ging er in die Kuppel und sah ein großes Grabmal mit einem eisernen chinesischen Grabstein, auf dem folgendes zu lesen war.«

Aber bereits wieder unterbrach ihn der Bayer: »An eisana Stoan! Jetz, so wos hob i moan Lebtag nit g'hört! Dös konn freili nur in Chinesien vurkimmen! Bei uns in Boarn san olle Stoana stoanan. Dös muß schun grod a Motorstoan g'wesen soan, wie sö vun Himmel abifolln: selbige san vun Motoreisen, hot unsa Herr Lehra g'sogt, und dös is a kosmetischs Eisen aus am Weltall.«

»Sie meinen wohl, ein ›komisches‹ Eisen,« verbesserte die Nachteule: »Kosmetisch ist mehr, was zur Schönheitspflege des Täng gehört.«

»Ganz richtig!« bestätigte der Professor: »Nur daß das Meteoreisen ›kosmisch‹ genannt wird. ›Komisch‹ paßt eher auf die trefflichen Zwischenbemerkungen, die Franz, Peter und Fräulein Isolde machen.«

Der Kapitän brachte nun aber die Inschrift auf dem eisernen Grabstein zu Gehör:

»›Im Namen Gottes, des einzigen Herrn,
Der ewig bleibet, wenn nah und fern
All seine Knechte müssen vergehen, –
Pilger, hier bleibe sinnend stehen.
Laß dich belehren: die Lüste sind Schaum
Und alle Herrlichkeit ist nur ein Traum.
Ich auch vertraute der Welt, mir zum Schaden:
Denn auch mich hat sie verhöhnt und verraten.
Reichtümer häufte ich an, ohne Zahl,
Scheuchte die Sorgen beim üppigen Mahl:
Aber da lud sich der Tod mir zu Gaste,
Und alle Wächter vor meinem Palaste
Konnten dem Starken den Eintritt nicht wehren,
Der sich nicht fürchtete vor meinen[*] Heeren.
Aus meiner Herrlichkeit sollt' ich hinab
In die armseligste Wohnung, das Grab!
All mein Vermögen wollt' gerne ich geben,
All meine Königspracht gern – für mein Leben!
Aber den Tausch nahm der Höchste nicht an:
Merke, o Wandrer, das Ird'sche ist Wahn!‹

»Musa ward von diesen Versen so bewegt, daß ihm das Leben zur Last wurde. Hierauf kamen sie an einen gelben Stein mit Füßen aus Zypressenholz, auf dem geschrieben stand:

›An dieser Tafel einst Könige schmausten,
Lieblich umweht von den köstlichsten Düften:
Die in den goldenen Hallen hier hausten,
Wohnen im Dunkel jetzt, modernd in Grüften.‹

»Der Statthalter nahm eine Abschrift von allem, was er gelesen hatte, und reiste dann weiter. Nach drei Tagen kam die Karawane an einen hohen Hügel, den ein kupferner Reiter auf kupfernem Pferde krönte. Er trug in der Hand eine lange strahlende Lanze, an deren Spitze folgende Worte mit römischen Buchstaben geschrieben waren: ›O Wanderer, der du hierherkommst, wenn du den Weg nach der Messingnen Stadt nicht weißt, so reibe den Reiter: er wird sich herumdrehen, und du brauchst dann nur die Richtung einzuschlagen, nach der die Spitze seiner Lanze weist.‹

»Musa rieb den Reiter, der sich wendete. Sie schlugen den Weg ein, den er mit der Lanzenspitze wies, und befanden sich bald auf gebahntem Pfade. Nach drei Tagen gelangten sie auf einen hohen Berg, auf dem eine mächtige hohe Säule ragte. Sie fanden darauf, beim Herannahen, ein Standbild aus schwarzem Stein, das einen Menschen darstellte, der bis zu den Schultern in der Säule steckte. Er hatte zwei große Flügel, Hände wie Löwentatzen mit eisernen Krallen, mitten auf dem Kopf einen Haarschopf, gleich einem Roßschweif, zwei in die Länge gespaltene Augen, die wie Feuer sprühten, und ein drittes, häßliches, dunkelrotes Auge, das mitten auf der Stirn glühte, wie das Auge eines Luchses.«

»Ha! Sauba hot der Tropf ausg'schaut: do is da Fakir a Woisenknob dogegen! Der wann drei Augen hätt', nachher kunnt ma sö vur am fürchten: soane zwoa Aagen san schun unhoamlich g'nug!« Also ließ sich Billinger vernehmen, der Kapitän aber las weiter:

»Diese Gestalt rief an einem fort: ›Gepriesen sei der, welcher diese lange, harte Pein über mich verhängt hat!‹ Musa bat den Führer, das Scheusal zu fragen, wer es sei und warum es sich in diesem Zustand befinde? Der Alte entgegnete: ›Ich fürchte mich vor diesem Unhold!‹ – ›Ach was!‹ – erwiderte der Statthalter: ›Der hat genug, sich mit seiner eigenen Qual zu befassen, um daran zu denken, dir etwas anzuhaben!‹ Da faßte sich der Führer ein Herz, trat näher, und fragte die Gestalt: ›Wer bist du, wie heißt du, und wer hat dich hierher gebannt?‹ Da antwortete sie: ›Ich bin der böse Geist Dasmusch und werde gepeinigt und bleibe hier festgebannt durch die höchste Gewalt Gottes bis zum Tage der Auferstehung. Willst du aber wissen, aus welcher wunderbaren Ursache ich in diese Säule gebannt wurde, so höre: Iblis, der Satan, den Allah verdammen möge, besaß einen Götzen aus rotem Korall, in den er mich einfahren hieß. Diesen Götzen verehrte einer der Könige des Meeres, der über zehnhunderttausend bewaffnete Menschen und ebensoviel Geister gebot. Aus dem Leibe des Götzen heraus verführte ich den König und sein Volk, daß sie die Herrschaft Suleimans oder Salomos, des Propheten Gottes, nicht anerkannten. Nun besaß der König eine Tochter, die Tag und Nacht den mir anvertrauten Götzen anbetete und von solch außerordentlicher Schönheit war, daß man selbst den König Salomo auf sie aufmerksam machte. Dieser sandte zu ihrem Vater, ließ um sie anhalten und befahl ihm zugleich, seinen Abgott zu vernichten und sich zum einzig wahren Gott und seinem Propheten Suleiman zu bekehren. Wenn er dies tue, so werde es ihm gut gehen in Zeit und Ewigkeit; folge er aber nicht, so möge er sich nur gleich auf den Tod vorbereiten; denn dann werde ihn Salomo mit seiner ganzen ungeheuren Macht überfallen, und er werde gleich dem gestrigen Tage werden, der nie wiederkehrt. Als der König dieses Schreiben gelesen hatte, ward er zornig, zerriß es und sprach zu seinen Vezieren: ›Was soll ich Salomo, dem Sohne Davids, für Antwort geben, da er einen Boten schickt, meine Tochter zur Gattin begehrt und mir befiehlt, meinen Gott zu zertrümmern und seinen Glauben anzunehmen?‹ Die Wesire erwiderten: ›Großer König, allmächtiger Herr! Was vermag Salomo gegen dich, der du eben so groß und noch mächtiger bist, als er? Hast du nicht über eine Million Krieger und wohnst auf diesem großen Meere, wo er gar nicht zu dir gelangen kann, und Menschen und Geister für dich streiten? Befrage aber deinen Gott, und was er dir gebietet, das tue.‹

»Der König brachte dem Götzen ein Opfer, fiel vor ihm nieder und sprach: ›O Herr! Tue uns kund deinen Willen: was du befiehlst, werden wir tun; denn wir kennen deine Macht.‹ Ich unterschätzte Salomos Macht und antwortete daher durch den Mund des Bildes: ›Ich fürchte Salomo nicht! Hat er Lust, so möge er mich nur bekriegen: mit Schwert und Lanze werde ich ihm sein Leben nehmen!‹

»Diese Antwort gab dem Könige Kühnheit genug, um Salomo den Krieg zu erklären: er spie seinem Gesandten ins Gesicht und gab ihm folgenden beleidigenden Bescheid: ›Sage deinem Herrn, daß sein Herz ihn betrügt. Er ist ein Großsprecher und ein Narr; denn er vermag nichts wider mich, der ich größer und mächtiger bin als er. Er mag seine ganze Macht aufbieten und wider mich ziehen. Fürchtet er sich aber, dies zu tun, so werde ich ihn angreifen.‹

»Als der Bote dem König Salomo diese Antwort überbrachte, erglühte dieser vor Zorn und sammelte unverzüglich Menschen und Geister, Vögel und wilde Tiere und befahl dem Löwen, dem König der Vierfüßler, alle reißenden Tiere aus den Wüsten und Einöden zu sammeln; dem Adler aber gebot er, alle Raubvögel herbeifliegen zu lassen. Seinem Wesir Damuriat erteilte er die Weisung, alle Genien und Teufel und widerspenstigen Geister zu rufen, und Assaph, den Sohn Berajas, beauftragte er, alle menschlichen Truppen zu versammeln, über die er verfügte. Als alles in unzählbaren Mengen sich eingefunden hatte, setzte sich Salomo mit seinen Heerscharen auf seinen fliegenden Teppich. Die Vögel flogen über ihm und die Geister und Raubtiere stürmten vor ihm her.«

»Hören Sie, Kapitän,« unterbrach Professor Rommel den Fluß der Vorlesung: »Das ist ja ein großartiger Schwindel, aber so weitschweifig, daß ich ernstlich befürchte, wir kommen auf diesem Wege niemals zur Messingstadt: was soll uns der Kampf zwischen Salomo und dem heidnischen König? Das könnten Sie getrost überspringen!«

»Ne!« legte Peter Grill Verwahrung ein: »Det interessiert mir nu jerade: det jibt eene Jeisterschlacht, die jroßartig zu werden verspricht.«

Auch die Zofe Isolde wollte auf den Kampf nicht verzichten, denn sie bat: »O bitte, Herr Pascha, lesen Sie nur alles: wir haben so schön Zeit, und das wird gruselich; und ich liebe nichts mehr, als recht gruselige Geschichten, wo einem die zarte Haut schaudert und es einen kalt überrieselt und einem prickelig wird!«

Auch Franz Billinger schloß sich dieser Meinung an, indem er sagte: »Dös gibt fein a Raaferei, wie da Franzl selba sö no nit derlebt hot auf am boarischen Kirta; do raafen s' in da Luft, wie auf am Erdboden. Dös will i hören! Hob i nit am Beduwinenscheicherl, am drecketen, a Watschen gebn, daß er a Luftroasen g'mocht hot, üba drei Sanddünen weg? Da Franzl vasteht sö auf Luftkämpf, und braucht koan Luftballönerl dozu. Aba vun dem Salomo soane Goasta konn a vülleicht wos lernen. Hernach, wann's am Abd ul Hagg an soan sauban Krogen geht, wurd a soane neue Kenntnis fein zoagen, daß da Fakir in dö Luft flügt, so mordshoch, daß a nimma abikimmt ohne am Jokob soan Himmelsloatern.«

»Gut also!« sagte Münchhausen: »Ihr sollt nicht um die Beschreibung der Schlacht kommen, weil der Professor kein Verständnis für so großartige Schilderungen besitzt. Die Messingne Stadt kommt dann auch bald, darauf dürft ihr euch verlassen. Ich fahre also fort: ›Als der ganze Zug das Meeresufer erreicht hatte, stieg Salomo von seinem Teppich herunter und sandte einen Boten zu dem König der Insel, der ihm sagen sollte: ›Hier ist nun Salomo, der Prophet Allahs, gehorche ihm und zerschlage deinen Götzen, gib ihm deine Tochter zur Frau und rufe mit allen Bewohnern deines Landes aus: Es gibt keinen Gott, außer dem einzigen Gott, und Salomo ist sein Prophet! Wo nicht, so verteidige dich gegen seinen Angriff. Vertraue aber nicht darauf, daß dich das Meer vor ihm schützen könne; denn er wird dem Wind befehlen, daß er ihn zu dir trage, und er wird mitten auf deiner Insel erscheinen, dich zu verderben.‹

»Als der Bote dem Heidenkönig diese Botschaft überbrachte, erwiderte dieser: ›Sage deinem Herrn, morgen werde ich ihm entgegenziehen, und ich hoffe sehr, ihn zu treffen, denn ich fürchte seine lächerliche Macht nicht.‹ Dies hinterbrachte der Gesandte dem Salomo, der sich hierauf zur Schlacht rüstete.

»Der König der Insel aber flehte seinen Götzen an, seine ganze Macht wider den Feind zu sammeln, und ich gehorchte gerne. Zehnhunderttausend Krieger und ebenso viele Geister brachte ich zusammen, während auch der König alle seine Leute aufbot, und es kam eine Zahl heraus, die nur Gott kennt.

»Salomo aber stellte die wilden Tiere zur Rechten und Linken seines Heeres auf, und gebot den Vögeln, sobald der Feind zum Angriff schreite, mit den Flügeln seinen Kriegern ins Gesicht zu schlagen, und ihnen mit den Schnäbeln die Augen auszuhacken. Er selber schwebte auf seinem Zauberteppich, vom Winde getragen, in der Luft. Seinem Wesir Damuriat übertrug er den Befehl über den rechten Flügel der Menschen, dem Wesir Assaph die Führung des linken Flügels. Die Raubtiere und giftigen Schlangen schickte er voraus. Wir warfen uns den Feinden entgegen und kämpften zwei Tage lang mit ihnen, ohne daß der Sieg sich einer Seite zugeneigt hätte. Allein am dritten Tage sollte nach Allahs Bestimmung das Verderben über uns hereinbrechen. Ich stellte mich an die Spitze unserer Truppen und ließ eine Aufforderung zum Zweikampf ergehen. Da trat mir Damuriat entgegen, wie ein großer feuerspeiender Berg ...«

»Hu, hu!« rief Abu Barlah: »Jetz kimmts! Dös is fein gruselig: a Kerl, wie a fuiaspeienda Berg oda Wolkan, wie unsa Lehra g'sogt hot. Ollberoats seh' i, wie Fräulein Üsolde, dö Nochteulen, a Gänshaut kriegt.«

»Eine Gänsehaut!« rief die Unke empört: »Das verbitte ich mir von Ihnen! Sagen Sie wenigstens ›Schwanenhaut‹.«

»Wie dö Haut vun an Schwonen ausschaut, hob i no nit g'sehn; aba a g'rupfte Gons hob i schun a monchsmol derschaut: und akkrat so schaun S' aus, vaehrte Nochteulen, vulla Hoppela im sunst so glotten Fell.«

Isolde war sprachlos vor Entrüstung; dann aber sagte sie: »Der Franz sollte ein Jahr lang in einen Kalanteriewarenladen eintreten, als Lehrling, damit er Kalanterie lernt gegen das weibliche Geschlecht: denn das ist eine Grobheit und mangelnde Bildung, wie er das schwache Geschlecht mißhandelt mit unfeinen Redensarten.«

»Red nit doher, vaehrte Unken: bist du a schwochs G'schlecht, wann d' di ollweil berühmst a Löwenbändigerin z' soan?«

Peter Grill hatte inzwischen auch etwas auf dem Herzen: »Franzl,« begann er: »Ik muß dir in alle Freundschaft uf eenen jeographischen Irrtum aufmerksam machen: du hast behauptet, een feuerspeiender Berch is een Wolkan; et muß aberst ›Balkan‹ heeßen: det is eene Halbinsel in die Türkei, wo viele feuerjefährliche Berje sin.«

»Do bist sein auf am Holzwegerl, Preiß! Wolkan is dös oanzig richtig Wurt. Aus so am Bergerl steigen nämli Wolken aufi, schworze Raachwolken, und innen herinnen im Bäucherl vum Berg is am Fuiagott Wolkan soan Schmüden, der wo dö Raachwolken aufisteigen loßt: dös woaß i aus da Myrtologie: dös is nämli an altertümliche Wüssenschoft, vun der ös in Preißen nix wißt.«

Es läßt sich begreifen, daß der Pascha, die Zitrone und die Harmonika, und vor allem der Professor diesem wissenschaftlichen Streit mit größter Heiterkeit lauschten. Dann aber las Münchhausen weiter:

»Damuriat schleuderte einen feurigen Pfeil gegen mich, dem ich jedoch auszuweichen vermochte. Ich sandte ihm hierauf ebenfalls ein flammendes Geschoß, das ihn traf. Allein durch seine Zauberkunst machte er die tödliche Flamme unschädlich. Dabei schrie er so überlaut, daß ich vermeinte, die Berge wankten und der Himmel stürze über mir ein. Der Wesir Salomos befahl seinen Truppen, uns anzugreifen, und es kam zum allgemeinen Handgemenge unter furchtbarem Getöse: die Erde zitterte und bebte, Flammen sprühten, Rauch stieg gen Himmel, Köpfe fielen, Leiber wurden aufgeschlitzt, Blut spritzte wie Springbrunnen. Die wilden Tiere hausten mörderisch und zerrissen unsere Leute in Fetzen; fliegende Genien kämpften in der Luft mit schrecklichen Zauberwaffen, die Vögel schlugen unsern Kämpfern mit den Flügeln ins Gesicht und pickten ihnen die Augen aus. Ich selber kämpfte immer noch mit Damuriat, der mir so scharf zusetzte und mich dermaßen in die Enge trieb, daß ich mein Heil in der Flucht suchen mußte.

»Als meine Truppen mich fliehen sahen, verloren sie den letzten Mut und lösten sich auf. Da rief Salomo den Seinigen zu: ›Frisch drauf! Sehet, der Sieg ist unser durch Gottes Gnade! Nehmt sie mit ihrem ruchlosen König gefangen!‹ Da stürzten sich die Menschen, die reißenden Tiere und die Geister von allen Seiten auf uns, daß kein einziger entkam. Zwar floh ich noch eine Strecke von drei Monaten vor Damuriat; aber zuletzt sank ich erschöpft zu Boden und wurde von ihm eingeholt.«

»Dös is a Loastung!« rief Franz: »Drei Monat weit fliehen, dös bringt nur a so an G'schpenst ferti! Auf d'letzt is dös g'wiß in Amörüka g'west, wo an da Dammriat oang'holt hot, und nachher hätt's koan Klumbumbus braucht, um dö selbig Weltgegend z'entd ecken.«

Der Pascha fuhr fort: »Als Salomos Wesir mich gefangen nahm, sagte ich ihm: ›Bei dem, der dich erhoben und mich erniedrigt hat, lasse mir mein armes Leben und führe mich zu deinem König, – Friede sei mit ihm!‹ So tat er denn auch. Allein Salomo nahm mich sehr schlecht auf, weil er wohl wußte, daß ich das Volk der Insel zur Abgötterei verführt hatte und den König gegen ihn aufhetzte. Er ließ sich diese Säule bringen, höhlte sie im oberen Teile aus, bannte mich hinein und drückte sein Siegel darauf. Damuriat trug die Säule dann hierher und setzte einen mächtigen Geisterkönig über mich, um mich zu bewachen, und so muß ich hier in schwerer Pein bis zum jüngsten Tage gefangen bleiben.‹

»Höchst erstaunt über die scheußliche Gestalt und ihr merkwürdiges Schicksal, rief Musa aus: ›Es gibt keinen Gott, außer dem einzigen Gott, der Salomo ein so großes, herrliches Reich schenkte! Erlaubst du mir, dich etwas zu fragen?‹ Der Geist antwortete: ›Frage, was du willst.‹ Da fragte der Statthalter: ›Gibt es hier auch Geister von Salomos Zeit her, die der gewaltige Herrscher in kupferne Flaschen verschloß, und wo sind solche zu haben?‹ ›Jawohl!‹ erwiderte der Geist: ›Es gibt noch derartige Flaschen, und du findest deren im Meere Karkax. An diesem Meere wohnen Leute, die noch von Noah abstammen, – Friede sei mit ihm! Dorthin kam die Sintflut nicht; denn jene Gegend ist von der ganzen übrigen Erde abgeschieden.‹

»Musa ließ sich noch den Weg nach der Messingnen Stadt und dem Orte, wo die kupfernen Flaschen liegen, genau beschreiben und schlug dann mit seinen Begleitern die angegebene Richtung ein.«

Hier unterbrach Münchhausen für heute die Vorlesung, da es inzwischen spät geworden war.

»Morgen,« sagte er, »können Sie den Schluß vernehmen: wir sind jetzt so weit, daß wir nun gleich hören werden, wie Musa zu der Märchenstadt gelangt und sie uns beschreibt.«

»Zeit waar's!« brummte Abu Barlah, der Vater der verstorbenen Mauleselin! »Dös dauert bereits a gonze Weilen, daß selbiga wehloadig Musa dö Stodt sucht und nit finden konn, akkrat wie mir.«

»Weil es eben eine Märchenstadt ist,« bemerkte der eigensinnige Professor: »Der Pascha hat sie ja soeben selber als solche bezeichnet.«

»Was nicht verhindert,« entgegnete der Vater des Schnupftuchs, »daß Musa sie auffand, und wir sie, so Gott will, ebenfalls auffinden werden.«

»Ja,« sagte Peter Grill: »Det jlobe ik nu ooch. Eene Märchenstadt is et: alleene wir befinden uns ooch in eener märchenhaften Jejend, wo man nach eenen Rejen det Jras wachsen sieht, so dat et an eenen Taje hervorsprießt, groß wird, blüht, Samen trächt und wieder verdorrt. Nachdem ik det mit eejenen Oojen unläuchbar jesehen habe, jloobe ik ooch an die Märchenstadt.«

»Ich auch!« versicherte die Harmonika.

»Und Sie?« fragte der Kapitän die schweigende Zitrone.

»Abwarten!« erklärte die weise Hulda: »Ich bin fürs Abwarten: es wird sich ja schon Herausstellen, was an der Sage ist, und voreilige Prophezeiungen haben keinen Wert.«

»Aber!« erlaubte sich Isolde einzuwenden: »Wenn man so gebildet und aufgeklärt ist, wie wir, glaubt man doch nicht an solche Märchen! Ich sage es kühn voraus: niemals werden wir diese Stadt auffinden, die nur ein Gebilde der Phantasie ist!«

»Unke, Nachteule!« rief Hussein Pascha kurz, und damit schloß die Auseinandersetzung, und alle zogen sich zur Ruhe zurück.


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