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4.
Die Harmonika und die Zitrone

Schon qualmten die Schlote des fürstlich eingerichteten Dampfers, der Hussein Pascha und seinen Begleitern zur Fahrt nilaufwärts durch den Khediven zur Verfügung gestellt worden war.

Der deutsche Pascha stand mit Professor Rommel am Ufer und leitete die Arbeiten, die sich noch in den letzten Augenblicken vor der Abfahrt zusammendrängten. Es galt noch vieles auf das Schiff zu verfrachten, und Münchhausen gab an, wo es zu verstauen sei.

Da erschien Monika Rommel, des Professors Schwester, in Begleitung von dessen Diener, des Bayern Franz Billinger, dessen gutmütiges Gesicht ein flotter schwarzer Schnurrbart zierte.

Fräulein Rommel machte für ihre zwanzig Jahre einen äußerst gesetzten Eindruck; doch spielte um ihre Mundwinkel ein Schalk, der verriet, daß sie bei allem Ernste im Grunde doch heiteren Gemütes und einem harmlosen Scherz durchaus nicht abgeneigt war. Sie hatte ein angenehmes Gesicht, vollwangig und rotbackig, so recht gesund und frisch; vor allem aber nahm es sofort ein durch die gewinnende Freundlichkeit, die daraus strahlte. Blondes Haar und blaue Augen verrieten die Deutsche.

»Ah! Da kommt ja unsere Harmonika!« rief Münchhausen erfreut, als er sie erblickte.

»Har–mo–ni–ka?!« fragte der Professor verwundert, und dehnte in feinem Erstaunen den Namen aus, gleich einer Ziehharmonika.

»Ach so!« sagte der Kapitän lachend: »Da habe ich mich verschnappt! Sie wissen ja wohl noch gar nicht, welch schönen, ungemein passenden Namen ich Ihrem Fräulein Schwester beilegte. Sie heißt ja freilich nur Monika: aber sagen Sie selber, paßt eigentlich dieser Name für ein so anmutiges Geschöpf?«

»Ich wüßte nicht, warum er nicht für mein Schwesterlein passen sollte,« meinte der Gelehrte.

»Natürlich, Sie, der trockene Mann der Wissenschaft, dem nichtssagende lateinische Namen geläufiger sind als ehrliches Deutsch, – Sie fragen nichts danach, ob der Klang eines Namens auch des Wesens würdig ist, das er bezeichnen soll! Ich bitte Sie, was ist ›Monika‹? Mich erinnert dieser Name immer an ›Monismus‹, die Religion der Unvernunft und Halbbildung. Und so sollte ich eine Dame nennen, die wie Ihr Fräulein Schwester hohen Verstand und tiefgründige Bildung besitzt? Nimmermehr! Sie hat ein so geklärtes, harmonisches Wesen, daß der Name ›Harmonika‹ wie für sie geschaffen erscheint. Wer diesen Namen vernimmt, weiß gleich, mit wem er es zu tun hat: Die Harmonie der Sphären klingt ihm daraus entgegen, wie aus der melodischen Stimme und den harmonischen Reden seiner Trägerin. Sie werden mir also gewiß gestatten, Professor, Ihre Schwester so zu nennen. Sollten Sie mir aber törichterweise die Erlaubnis hiezu verweigern, so mögen Sie wissen, daß ich mich den Kuckuck darum schere: denn ich bin Pascha und der Herr des Unternehmens!«

Während dieser Rede war Fräulein Monika hinzugetreten. Mit vergnügtem Lächeln begrüßte sie den schalkhaften Kapitän und sagte: »Ich erteile Ihnen hiemit in höchsteigener Person die Ermächtigung, mir diesen schmeichelhaften Namen beizulegen, und es soll mir eine Ehre sein, ihn zu tragen, wie ich mich auch stets bemühen will, seiner würdig zu sein.«

»Also ich und meine Meinung sind wieder einmal ausgeschaltet? Das ist das Los der Professoren!« Also brummte Rommel, eine Entrüstung heuchelnd, die ihm ferne lag; denn er besaß Sinn für Humor, und im Grunde gefiel ihm der Name »Harmonika« für seine Schwester gar nicht so übel.

Franz Billinger, Rommels bayrischer Diener, der meist kurz weg »Franzl« genannt wurde, nahm nun das Wort.

Doch ehe wir seine treffenden Bemerkungen wiedergeben, müssen wir einer besonderen Schwierigkeit gedenken, die uns diese Wiedergabe bereitet. Billinger redete meist in seiner bayrischen Mundart, obgleich er in langjährigem Dienste des Professors gelernt hatte, zuweilen auch einiges Schriftdeutsch darunter zu mengen, so daß seine Reden nicht durchweg als unverfälschtes Bayrisch erschienen. Wir möchten nun zu keinen Übersetzungskünsten greifen, sondern alles, was er jetzt und späterhin äußerte, möglichst genau so wiedergeben, wie es »dem Gehege seiner Zähne« entfloh. Aber eben darin liegt die Schwierigkeit, da einzelne bezeichnende Laute sich durchaus nicht völlig lautgetreu niederschreiben lassen. Das kommt vor allem für sein »a« in Betracht, das für gewöhnlich wie ein getrübtes »o« lautete, gleich dem englischen »aw« oder unserm deutschen »o« in »Sonne«, wenigstens wie es in Süddeutschland ausgesprochen wird. Zuweilen klang es mehr wie »a«, zuweilen mehr wie »o«. In letzterem Falle schreiben wir einfach »o«, wobei der Leser sich bewußt bleiben muß, daß es als getrübtes »o« mit einem Anklang an »a« auszusprechen ist und für das schriftdeutsche »a« steht. Im übrigen hoffen wir, das Verständnis der Reden unseres Franzls wird weiter keine besonderen Schwierigkeiten bieten. Immerhin müssen wir um Nachsicht bitten, wenn die Wiedergabe einem kundigen bayrischen Ohr nicht immer die zutreffendste erscheint.

Nach dieser notgedrungenen Erörterung wollen wir es wagen, des guten Dieners schlagende Bemerkung zu Gehör zu bringen, so gut es eben gelingt. Er sagte also, da er vernahm, daß seiner Herrin der schöne Spitzname beigelegt werden sollte: »Wos a Monika is, dös hob i moaner Lebtog nit g'wißt. Aba a Harmonika, dös loß i ma g'folln! Dös gibt a Musi, ganz oans, ob's a Mundharmonika is oda a Ziechharmonika. Dös hoamelt mi on, und i möcht glei an Schuhplotterl tonzen vur Vagnügen, wann i bloß an Nomen vun dösen Instrumenterl hör. Wann Sö's mir erlaaben, Fräulein Monika, nachher hoaß i Sö aa ›Fräulein Harmonika‹ oda moanen S', daß sö dös nit schicken tut vur an Diena?«

»Getrost darfst du mich so nennen,« lachte die wohlgestimmte Harmonika.

Nun sah man auch die Steinbergs daherkommen.

Des Barons Diener, Peter Grill, war ein etwas rötlich angehauchter, blonder Jüngling, schlank und beweglich. Die Zofe Isolde zeigte die Würde, die der Kammerjungfer einer Baronesse zukommt. Ihr rosiges Gesicht hatte sie weiß gepudert, weil die blasse Gesichtsfarbe ihrer Herrin sie viel vornehmer dünkte. Das Stumpfnäschen, das zuvor schon keck genug in die Luft ragte, trug sie so hoch, daß man glauben konnte, unmittelbar durch die Nasenlöcher in den Schädel blicken zu können, in dessen dunklem Hohlraum sich wohl nur ein bescheidenes Gehirn finden mochte. Kurzum, sie machte den Eindruck eines recht hochnäsigen Gänschens, was nicht verhinderte, daß man ihr von glänzend braunem, schön gewelltem Haar umrahmtes Gesichtchen recht hübsch finden mußte.

Baronesse Hulda hatte eine marmorweiße Haut, besser gesagt, eine lilienweiße: denn sie zeigte nichts von krankhafter Blässe, sondern einen blühenden Glanz, obgleich ihr das frische Rot der Wangen völlig fehlte. Umso frischer leuchteten die roten Lippen des feingeschnittenen Mundes hervor. Ihr Gesicht war schmal, ohne mager zu sein, die dunklen Augen waren von seltener Größe, die langen Wimpern und Brauen kohlschwarz, und ebenso das üppige, seidenschimmernde Haar, ganz im Gegensatz zu ihrem blonden Bruder. Alles in allem konnte das schlanke Mädchen wohl für eine eigenartige Schönheit gelten.

Stark beeinträchtigt wurde diese Schönheit freilich durch die zitronengelbe Färbung ihres Gewandes. Es bestand aus widerstandsfähiger, glatter Leinwand, luftig und kühl, und für eine Wüstenreise außerordentlich gut geeignet. Auch die Farbe war für diesen Zweck eigentlich die denkbar günstigste: der ganze Anzug machte daher dem Verstand und praktischen Sinn der Trägerin alle Ehre, verriet jedoch zugleich, daß sie, auch hierin ihrem Bruder unähnlich, von aller Eitelkeit auf ihre körperlichen Reize frei war, sonst hätte sie zweifellos Stoff, Schnitt und Farbe ganz anders gewählt.

»Die reinste Zitrone!« rief Münchhausen, als er sie von ferne erblickte; und mit diesem, auf ihr Äußeres so zutreffenden Namen bezeichnete er sie auch in der Folge, freilich nur, wenn weder sie noch ihr Bruder es hören konnten.

Die Arbeiten waren beendet, die Ladung verstaut, und die Teilnehmer an der Forschungsreise gingen an Bord, nachdem die Steinbergs herangekommen und begrüßt worden waren.

Der Anker wurde gelichtet, und der prächtige Dampfer trat alsbald seine Fahrt nilaufwärts nach Süden an.

In wahrhaft fürstlicher Weise hatte der Khedive für die Bequemlichkeit der Reisenden gesorgt, und vor allem eine großartige Reiseküche auf dem Fahrzeug einrichten lassen: Silberbestecke, Glas, Porzellan, Kristall, Nahrungsmittel, Getränke und Leckereien in üppigster Fülle sollten anscheinend die kühnen Forscher im voraus entschädigen für die Entbehrungen, die auf dem langwierigen Zug durch die Wüsten vorauszusehen waren. Große Käfige mit Hühnern, Tauben, Puten und Fasanen, eine Menge Schafe, Hunderte von Büchsen mit eingemachten Pasteten, Gemüsen, Fleisch- und Fischkonserven, auserlesene Genüsse aller Art, feine Weine, Sekt, Liköre, Bier, Tee, Schokolade, Zigarren und Zigaretten, – nichts mangelte! Und dazu der Befehl an die Behörden, alles sofort zu erneuern, wenn es verbraucht sein sollte, und jeden Wunsch der Reisenden zu befriedigen.

»Was meinen Sie wohl, was unsere Verpflegung den Vizekönig kostet?« fragte Münchhausen den Professor, mit dem er die Vorräte in Augenschein nahm.

»Mindestens fünfzig Mark täglich für den Mann,« erwiderte Rommel.

»Stimmt!« sagte der Kapitän: »Dafür aber zahlt er zweihundert Mark täglich für jeden von uns, und achtzig Mark für die Diener und Leute. Sie können sich ausrechnen, was da in die Taschen der Beamten fließt! Aber ich arbeite redlich daran, Taufik über die Betrügereien seiner Untergebenen die Augen zu öffnen, es geht jedoch nur langsam: die Unterschlagungen sind der ganzen Beamtenschaft so zur Gewohnheit geworden, daß sie dieselben geradezu als ihr Recht betrachten und sich eifrig darum wehren. Allein die Unsummen, die da verschleudert werden, kann man besser anlegen, zum Wohl und Emporblühen des Landes und zur Linderung der himmelschreienden Not unzähliger Armer. Das ist mein Bestreben, das mir aber, außer beim einsichtigen Vizekönig, wenig Dank und viel Feindschaft einträgt.«

Peter Grill und Franz Billinger machten es sich an Bord bequem und schlossen bald Freundschaft.

Franz machte sich auch an die feine Zofe mit dem kuriosen heidnischen Namen heran, und bemühte sich, ihre Gunst zu erwerben.

Er wurde jedoch schnippisch abgewiesen. Peter sah lachend zu, wie der Kamerad abblitzte und bemerkte:

»Du, da is nichs zu wollen: det is eene janz Vornehme, oder eine vornehme Jans, wenn dich det lieber is, – der sin wir viel zu jeringe. Nu is se ja von zu Hause ooch man bloß eene Schäferstochter vom Lande, un heeßt eejentlich Liese, woraus sie in ihren Hochmut Liselotte und hernach Isolde jemacht hat, dat et feiner klingt. Det allens habe ik schonst in Berlin herausjebracht. Sie leujnet et aber ab und wird spinnejiftig, wenn eener sie ihre standesamtliche Herkunft vorhält. Nu is jedoch jerade dieset Leujnen der jewisse Beweis von die Richtigkeet meener Entdeckunk: denn Leujnen is dich immer verdächtig. So erinnere ik mir aus meener Vaterstadt eenes bezeechnenden Beispiels. Da is nämlich eenes Nachts een blutiger Raubmord jeschehen, und die Polizei hat wie jewöhnlich den Täter nich entdecken können. Nu kommt eenes Tajes der Schutzmann vor den Bürjermeester mit eenen schäbigen Jesellen, un sacht: ›Herr Bürjermeester, hier habe ik endlick den Raubmörder!‹ Der Bürjermeester sieht sich det Individuum an, un det war een Pennbruder, der nich jerade wie een jroßer Verbrecher ausjesehen hat, weshalb er den Polizeidiener jefragt hat: ›Woher wissen Sie denn, det det der Raubmörder is? Hat er jestanden?‹ – ›Nee, nee!‹ sacht der Schutzmann: ›Int Jejenteel: er leujnet, un det is sehr verdächtig!‹ Und jenau so is et mit di Isolde: sie leujnet, det se eene Schäferstochter vom Lande is, un det is sehr verdächtig! Ik habe ja so in Anbejinn von unsere Bekanntschaft ooch den Versuch jemacht, mit sie anzubändeln; alleene sie behandelt mir so hochmütig, det ik et vorziehe, ihr loofen zu lassen. Sie bildet sik nämlichst in, sie is die Allerschönste auf die janze Herrjottswelt, un deswejen wartet sie jewiß uf eenen Prinzen von Jeblüt: da kann nu unsereener nich ankommen, un ik rate dich, laß ihr loofen, wie ik et mache.«

Billinger war vernünftig und selbstbewußt genug, diesen Rat zu befolgen und die stolze Isolde fortan als Luft zu behandeln. Dies brachte sie dann mit der Zeit doch auf andere Gedanken. Namentlich machte sie auch die endlose Reise durch die sandige Einöde späterhin zugänglicher, und sie war dann oft froh, sich mit den biederen Dienern unterhalten und belustigen zu können.

Auch die Zitrone und die Harmonika befreundeten sich rasch; denn Baronesse Hulda, wie sie nicht eitel war, zeigte sich auch nicht so hochmütig, wie ihre Zofe. Adelsstolz kannte sie schon gar nicht, dazu hatte sie viel zu viel gesunde Vernunft. Bei aller Energie war sie doch gutmütig und umgänglich, und schon ihr Verstand sagte ihr in diesem Fall, daß sie und Monika sehr aufeinander angewiesen seien, so daß es auch für sie selber von größtem Vorteil sein müsse, in herzlichem Einvernehmen mit der Gefährtin zu leben. Monika ihrerseits war ja so liebenswürdiger und offenherziger Natur, daß es leicht fiel, ihr Zutrauen und ihre Freundschaft zu gewinnen.

Als am zweiten Tage der Fahrt, nachdem sich alle nach ihren Neigungen eingerichtet hatten, Peter und Franzl plaudernd auf dem Verdeck saßen, fand es der Araber Mohamed, der auf seinen Hadschi-Titel so stolz war, geboten, sich den ungläubigen Sklaven vorzustellen, um ihnen klar zu machen, welch hohe, unverdiente Ehre sie genössen, in Gesellschaft einer solch hervorragenden Persönlichkeit reisen zu dürfen, und ihnen mit seiner hohen Würde die gebührende Ehrfurcht einzuflößen. Er trat daher in selbstbewußter Haltung auf die beiden Diener zu, und sprach, auf Arabisch natürlich:

»Wisset ihr wohl, mit wem Allahs Güte gegen euch Unwürdige euch begnadigt, die Reise nach dem Untergange der Sonne zu machen? Vor euch steht kein Geringerer, als Mohamed et Talib, – Hadschi!«

»Zur Genesung!« rief Franz Billinger alsbald höflich, auf Deutsch.

»Was is dich in die Knochen jefahren?« fragte Peter Grill verwundert: »Der Mann stellt sich uns mit seener werten Persönlichkeet vor, und du rufst: ›Zur Jenesunk!‹«

»Na!« meinte Franz: »Bei uns in Boaern samma fein höflich, und wann oana nießen tut, nachher sogen wir: ›Zur Genesung!‹ oder: ›Zur Gesundheit!‹ Und wann oaner ganz fein gebüldet soan will, hernach sogt er: ›Prosit!‹«

»Aber, Menschenskind! Der Araber hat doch nich jenossen? Is ihn nich eenjefallen.«

»Hast denn du nit g'hört, wie er ›Hatschi!‹ g'macht hot? Is doch deutlich g'nug g'wesen.«

Da brach Peter in ein helles Gelächter aus: er war über ein halbes Jahr lang mit Steinbergs im Orient umher gereist, und sprach schon ziemlich geläufig Arabisch; noch besser verstand er es. So gedachte er, den unwissenden Gefährten zu belehren, indem er ihm vorhielt:

»Nee, so wat! Weeßt du denn nich, det Hadschi een Mokkapiljer is, nämlich eener, der die Hadsch, wie die Muselmänner ihre Piljerfahrt nennen, nach die heiligen Stätten von Mokka jemacht hat?«

Das wußte Franz gar wohl, denn er befand sich noch viel länger in Professor Rommels Diensten in Ägypten, und Sprache und Sitten der Araber waren ihm noch bekannter, als dem neuen Freund. Er entgegnete daher:

»Moanst, dös taat i nit wissen? Is ma aba ganz oans: der Monn hot ›Hatschi‹ g'mocht, und an höflicha Bursch bin i moaner Lebtog g'west, hernach sog i: ›Zur G'sundheit!‹ und dös kann ma koan onständiga Kerl nit vaübeln. Und übahaapt, wann d's moanst, du konnst da Franzl belehren, nachher will i da sogen, dö hoalig Stodt vun dö Mahomedianer hoaßt Mekka und nit Mokka.«

»Nee! Det weeß ik nu bestimmt, det se Mokka heeßt, indem det der berühmte Mokkakaffee aus dieser Stadt kommt, det herrliche Jetränke.«

»Is ollweil nix mit doaner Wissenschaft: Mekka hoaßt's, dös is sicha! Und wann's durten an guten Kaffee gibt, hob i nix dogegen, nachher is dös eben a Mekkakaffee. Wann d's dös nit glaaben tust, alsdann konnst moanetholben selba nach Mekka pilgern und durten an Mekkakaffee saufen: hernach derfst aa ›Hatschi!‹ machen, wann d's di vurschtellst, und i wünsch da, als gebüldeter Boar ›Zur Genesung!‹«

Mit Erstaunen lauschte Mohamed den fremdartigen Lauten dieses deutsch geführten Gesprächs, von dem er natürlich kein Wort verstand. Er glaubte jedoch, nicht recht begriffen worden zu sein, und wiederholte daher mit Nachdruck und Würde:

»Habt ihr's gehört, ihr Ungläubigen? Euch wurde eine Ehre zuteil, deren ihr nicht wert seid; denn vor euch steht Mohamed et Talib, Hadschi!«

»Zur Gesundheit!« rief der höfliche Franzl abermals, diesmal jedoch auf Arabisch.

Der Araber war verblüfft.

»Allah erleuchte das Dunkel deines Verstandes!« rief er aus: »Die Gesundheit ist ein hohes Gut und eine köstliche Gabe des Allmächtigen. Aber ich erfreue mich ihrer und bedarf deines Wunsches nicht. Hat die Dürftigkeit deines Gehirnes nicht verstanden, daß ich mich herabließ, euch zu offenbaren, welchen hohen Vorzug euch die Gnade des Allgütigen gewährte, da sie euch würdigte, in der Gesellschaft eines frommen Mekkapilgers zu reisen, da ihr doch nichts weiter seid, als ungläubige Christenhunde?«

Das ging dem biedern Bayern doch über die Gemütlichkeit, und er grollte, wieder auf Arabisch:

»Bildest du dir ein, meinem Verstand Erleuchtung wünschen zu müssen? So sage ich dir, der Franzl Billinger aus Bayern: Allah und sein sauberer Prophet täten wohl daran, zuvor deinen stockfinstern Gehirnkasten zu erhellen. Weißt du nicht, daß man ›Hatschi!‹ macht, wenn die Dämpfe des abgekühlten Gehirns gewaltsam der Nase entfahren? Das nennt man ›nießen‹. Wir höflichen und gebildeten Söhne Germanistans wünschen Gesundheit jedem, den wir nießen hören, und wenn es ein schmutziger Araber wäre. So habe auch ich getan, und wenn du einen Funken von Anstand besäßest, hättest du dich geziemend bedankt. Aber du grober Flegel und eingebildeter Tropf nennst uns Hunde, während ein anständiger Hund sich schämen würde, dich als seinesgleichen anzuerkennen. Wisse, daß der Franzl Billinger sich deine Beleidigungen nicht gefallen läßt, und wenn du noch ein einziges Mal uns so beschimpfst, so kriegst du von dieser seiner Hand eine Watschen, daß du übers ganze Deck hinweg und über Bord fliegst, wie eine taumelige Fledermaus. Und da wird dir dein Allah und sein Prophet nicht helfen; aber der Scheitan, wie ihr den Teufel nennt, wird lachen und dich bei deinem Fuchsbart in die Dschehennah schleppen, eure Hölle; denn dorthin gehörst du und Deinesgleichen.«

Mohamed stand bei dieser langen donnernden Rede da, wie ein begossener Pudel. Was eine Watschen sei, die ihm der grimmige Bayer androhte, wußte er zwar nicht; Billinger machte jedoch eine so unmißverständliche Bewegung mit seiner kräftigen Hand, daß dem eingeschüchterten Hadschi auch hierüber das Verständnis aufging, und er es vorzog, sich stillschweigend und eiligst zu entfernen, wohl merkend, daß er hier vergeblich zu imponieren suchte.

Lachend rief ihm Franzl noch nach, diesmal wieder auf gut Bayrisch: »Nit wohr, do sponnst, und a Watschen vum Franzl soana Pratzen magst nit riskiern. Aba, ols doan guta Freund, will i di aufmirksam machen auf doan Fuchsbort, doan on'g'strichenen, auf den du Lackel a so stolz bist: vun gestan aus heut is a schun vül schwarza worrn. Is da wohl doan Henna ausgongen, womit an färben tust? Nachher derfst froh san, wann di da Scheitan in dö Dschehennah eini schmeißen tut, denn in da Dschehennah gibt's g'wiß Henna in Hüllen und Füllen, is jo durten olles glühig rot.«

»Den unverschämten Mokkapiljer hast du die Meenung jründlich jesacht!« bemerkte Peter anerkennend, und benutzte dabei die Gelegenheit, zu betonen, daß er auf seiner Ansicht beharrte, daß es Mokka heiße und nicht Mekka. Diese Meinungsverschiedenheit blieb zwischen den beiden Freunden dauernd bestehen, ohne im übrigen ihr Verhältnis zu stören. Nur redete der Preuße fortan bei jeder Gelegenheit mit herausfordernder Betonung von der heiligen Stadt Mokka und den Mokkapilgern, während der Bayer sich dadurch rächte, daß er mit ebensolcher Nachdrücklichkeit den vorzüglichen Mekkakaffee lobte, der zum Frühstück gereicht wurde.


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