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XIX.

Strahlender Sonnenschein leuchtete über den noch immer aufgeregten Wogen, als Falks Boot am Morgen nach der Gewitternacht mit vollen, wenn auch noch durchnäßten Segeln und mit aufgehißter Flagge am Topmast, als Gruß an die Heimat, in den Hafen eines kleinen Marktfleckens einlief, tief in einem Fjord an der südöstlichen Küste Norwegens. Es kam in sausender Fahrt, machte eine zierliche, elegante Schwenkung um den Hafenarm und stand plötzlich still in dem ruhigen Wasser, wie ein feuriges, aber wohl geschultes Roß, das im schärfsten Galopp bei der leisesten Handbewegung seines Herrn stehen bleibt.

Obschon Ulla nicht seekrank geworden war, hatte sie die stürmische Nacht doch sehr angestrengt; sie fühlte sich an allen Gliedern wie gebrochen nach dem stundenlangen Hinundhergeworfenwerden in dem kleinen Boote und war glücklich, wieder festes Land unter den Füßen zu haben. Sie nahm sich ein Zimmer in dem kleinen Hotel am Hafen und ordnete ihren Anzug, während Falk nach der Post ging, um in Ullas Namen Frau Rosenhane ihre glückliche Ankunft telegraphisch mitzuteilen und sie zu bitten, ihren Koffer nach Jökelheim zu schicken. Darauf bestellte er ein kräftiges Frühstück unten im Speisesaal und ließ Ulla melden, daß alles bereit sei.

Ulla hatte sich angestrengt, so viel als möglich sich aufzufrischen und ihr etwas mitgenommenes Aeußere zu verschönern. Glücklicherweise hatte sie, praktisch wie sie war, schon für die kurze, von Utschär aus beabsichtigte Fahrt eines jener einfachen, haltbaren Kostüme gewählt, welches Engländerinnen auf Reisen zu tragen pflegen – ein weites, faltiges Kleid mit Gürtel von marineblauem Trikotstoff und einem kleinen Seemannshut – aber sie bemerkte jetzt zu ihrem Unbehagen, wie braun ihre Haut auf der langen Seefahrt geworden war und was für blaue Schatten sie unter den Augen hatte, die matt und farblos aussahen. Auch ihr Haar hatte durch den Wind und die feuchte Seeluft gelitten und war so widerspenstig geworden, daß es sich in keine ordentliche Frisur zwängen lassen wollte.

Sie fand sich selbst häßlich und war in schlechter Laune, als sie in den Speisesaal hinunterging.

Auf der See hatte sie nicht an ihr Aussehen gedacht. Hier aber, in dem Hotel mit fremden Reisenden und einem gewissen Anspruch an Eleganz fing sie plötzlich an, sowohl sich selbst als die Lage, in der sie sich befand, aus einem ganz andern Gesichtspunkt zu beurteilen.

Wenn sie jemand Bekanntes träfe! Wie leicht konnte das geschehen, die ganze Welt reiste ja im Sommer in Norwegen. Welche Erklärung sollte sie dann über ihr Hierherkommen geben? So lange der Feind nicht in Sicht, war sie immer sehr mutig und kannte keine Rücksicht. Sobald er aber herankam –

Fortsegeln in nächtlicher Stunde, wenn niemand kam, der es sah, frei auf dem Meere leben und die Welt verachten, so lange die Welt weit weg war – das war leicht. Aber hier herunter in den Speisesaal des Hotels gehen, möglicherweise einen Bekannten treffen und auf seine Frage: »Woher kommen Sie? Mit welchem Dampfschiff?« antworten: »Ich komme allein in einem Segelboot mit einem Norweger, den ich seit vierzehn Tagen kenne« – nein, das war schwer. Mit den Augen der Welt und ihren konventionellen Regeln gesehen, war es etwas Unpassendes, Anstößiges, unbedingt Kompromittirendes, was sie gethan hatte.

In dieser Stimmung kam sie in den Speisesaal. Falk erwartete sie an der Thüre und führte sie an einen kleinen Tisch in einer Ecke des Saales, wo für zwei Personen das Frühstück servirt war.

Sie ließ erst einen raschen Blick durch den Saal über die Gäste gleiten; dann sah sie Falk an, den sie in seiner kurzen Seemannsjacke, dem blauen Wollhemd und dem Ledergürtel um den Leib doch etwas zu wenig comme il faut fand.

Er reichte ihr Kaffee, Eier, frischen Lachs, Koteletten, frisch gemolkene Milch, frische Butter und Brot – lauter verlockende Sachen nach den etwas mageren Schiffsmahlzeiten, wovon er selbst mit dem besten Appetit aß. Aber nichts schien sie zu reizen; sie rührte die Speisen kaum an und saß schweigend und verstimmt da.

Ihm war zu Mute, als läge plötzlich ein ganzes Meer zwischen ihnen. Und diese Nacht noch war sie ihm so nah gewesen, hatte sie sich mit so viel Vertrauen und Innigkeit an ihn geschmiegt, bei den Schwankungen des Bootes seine Hand so warm ergriffen, als ob sie nur die Stütze dieser Hand brauchte, um ruhig zu sein. Und er hatte während der ganzen Zeit das Gefühl gehabt, als führte er jetzt seine Braut in den heimatlichen Hafen und von der Hochzeit, wo sie umgeben waren von allen Verwandten und Neugierigen weg ins eigene Heim, wo er sie erst wirklich für sich allein besitzen sollte.

Und nun saßen sie sich wie zwei Fremde gegenüber. Sie hatte das vornehm Unnahbare in ihrer Haltung bekommen wie immer, wenn sie ausgelassen gewesen war und fürchtete, es könnte falsch gedeutet werden.

»Was fehlt Ihnen, Fräulein? Ich kann es nicht ertragen, Sie so zu sehen,« sagte Falk plötzlich und bog sich zu ihr, während sie seinen Blick durch ihre gesenkten Augenlider in seiner ganzen intensiven Innerlichkeit brennen fühlte. »Sind Sie böse auf mich?«

Sie wollte nicht aufsehen. Sie wußte, in diesem Blick lag etwas, das ihr Gesicht zwang, zu strahlen, und ihre Augen, ihn anzulächeln. Und sie wollte nicht – nein, es mußte zu Ende sein.

Sie antwortete deshalb in trockenem Ton, daß sie nicht böse auf ihn wäre, weshalb sie es sein sollte, und fragte gleich darauf, ob er ihr eine Kommunikationstabelle verschaffen könnte.

»Wozu?«

»Ich will nachsehen, wann das Dampfschiff von Christiania – nach Schweden geht.«

»Was soll das heißen?« fragte er gereizt.

»Ja, ich glaube doch – wenn ich es mir recht überlege – daß meine Zeit nicht ausreicht, Sie nach Jökelheim zu begleiten. Ich muß ja noch nach Stockholm und meine Verwandten begrüßen, ehe ich Schweden wieder verlasse, und dann fange ich auch an, mich nach meinem großen Gemälde zu sehnen, das halb fertig in meinem Atelier in Rom steht.«

Er fuhr in die Höhe und schob seinen Stuhl so heftig fort, daß er umfiel. Er hob ihn wieder auf, machte aber die Sache nur schlimmer, denn er stellte ihn so gewaltsam auf den Boden, daß der Stuhl zerbrach.

Sie sah mit einem strengen und warnenden Blick zu ihm auf, während ihr Gesicht ein peinliches Rot überzog. Wollte er es bis zu einem Auftritt kommen lassen hier mitten unter all den fremden Menschen?

Er verstand ihre Angst und nahm sich zusammen; dann sagte er, sich beherrschend, aber doch mit zitternder Stimme: »Ich werde einen Kellner mit dem Anzeiger schicken«, und verließ darauf den Saal mit so großen, dröhnenden Schritten, daß sich alle Anwesenden nach dieser Kämpengestalt mit dem jugendlichen, nordischen Aussehen und dem leidenschaftlich erregten Gesicht umsahen.

Und von ihm flogen aller Blicke zu Ulla, die mit berechneter, vornehmer Nachlässigkeit und unnahbarer, kühler Gleichgiltigkeit in Ausdruck und Haltung sich zurücklehnte, um die peinliche Verlegenheit zu verbergen, die sie darüber empfand, das Ziel dieser banalen Neugierde zu sein. Dennoch konnte sie sich nicht entschließen, aufzustehen und unter dem Kreuzfeuer dieser Blicke mit dem Bewußtsein durch das große Zimmer zu gehen, daß man allgemein glauben würde, sie liefe ihm nach, um sich wieder mit ihm auszusöhnen.

Deshalb blieb sie sitzen und dachte mit Erbitterung darüber nach, wie es unmöglich sei, mit ihm auszukommen. Man kann nicht mit einem Menschen leben, der so gewaltthätig und unvernünftig ist, daß man jeden Augenblick einen Auftritt befürchten muß, und dabei so tyrannisch, daß er nicht im stande ist, den kleinsten Widerspruch zu vertragen. Es war die höchste Zeit, sich von einem Verhältnis loszureißen, das schon anfing, eine quälende Fessel für sie zu werden.

Als sie sah, daß er wieder hereinkam, stand sie schnell auf und ging ihm entgegen mit der Miene einer Herrscherin, die den Bericht eines untergeordneten Dieners entgegennimmt. Ihre Angst, wie eine arme, verschüchterte Frau aussehen zu können, die versucht, die schlechte Laune ihres Herrn und Gebieters zu besänftigen, machte ihre Haltung noch vornehmer und stolzer als sonst. Sie gingen zusammen hinaus und blieben auf einer kleinen Veranda an der Giebelseite des Hauses stehen. Ulla trat an die Ballustrade und sah hinaus auf die See. Er stand hinter ihr.

»Fräulein Ulla,« sagte er endlich. Sie stutzte über den Ton seiner Stimme. Er war weich und bebte.

»Morgen geht ein Schiff nach Schweden,« fuhr er fort. »Aber wenn Sie mit dem gehen wollen, müssen Sie schon heute um elf Uhr mit dem Christianiadampfer abreisen.«

Als sie sich jetzt plötzlich umwandte, wurde sie von dem Ausdruck seines Gesichtes tief ergriffen. Gegen seine Heftigkeit war sie mit einer gewissen kalten Unbeugsamkeit gewappnet, aber diesem stillen, gedämpften, tiefen Schmerz gegenüber, der in den männlichen, jugendlichen Zügen deutlich zu lesen war, fühlte sie sich widerstandslos.

Und die Frage durchbebte sie: »Hast du auch jetzt noch das Recht, mit ihm zu brechen? Bist du nicht doch gebunden, gebunden ohne irgend ein Versprechen, ohne ihm auch nur ein einziges Wort jener hingebenden Leidenschaft gesagt zu haben, die fester bindet als irgend ein Gelübde?«

Sollte ihr Kampf um Erhaltung ihrer Freiheit und Selbständigkeit jetzt aus sein? Nein, sie mußte sich losreißen und zwar gleich, heute, ja heute noch, sonst könnte es zu spät werden, denn er hatte schon allzu viel Macht über sie bekommen.

Mit einer Stimme, die sie nur mit Mühe beherrschte, murmelte sie etwas von Hinaufgehen in ihr Zimmer, um sich zurecht zu machen; dann ging sie mit abgewandten Blicken an ihm vorbei und eilte die Treppe hinauf.

Auf ihrem Zimmer angelangt, fing sie an, in tiefem Nachdenken auf und ab zu gehen. In einer Stunde sollte das Dampfschiff abfahren, auf dessen Verdeck sie stehen und noch einmal den letzten Schimmer dieser männlichen Gestalt sehen würde, die ihr so teuer geworden war; dann würde sie wieder einsam im Leben sein, ohne für niemand andern als nur sich selbst zu leben.

Sie dachte an Rom und ihr dortiges Heim, ihr Atelier, an ihre Bekannten und Freunde; und es wollte ihr scheinen, als berge dieses Leben ästhetischen Genusses, dieses Jagen nach einer schönen Form, um eine kleine Minderheit überverfeinerter Menschen zu befriedigen, eine bedenkliche Leere in sich. Hatte das Leben eines solchen Mannes nicht einen weit schöneren und wertvolleren Inhalt, der in dem steinigen Boden seiner Heimat pflügte und säte und trotz dürftiger Ernten hoffte, glaubte und liebte?

Und welch anderer Mann war er doch als alle diese Künstler, die sie da unten kannte und mit denen sie verkehrte. Welcher Ernst, welche Innerlichkeit, welche Anspruchslosigkeit und schlichte Entsagung in diesem still verborgenen Leben – bei jenen dagegen welche Engherzigkeit, wie viel Neid, wie viel Eitelkeit und hohles Streben nach Anerkennung!

Auf der andern Seite aber – mit ihrer ganzen Vergangenheit brechen, einen Strich über das zu machen, was bisher ihr ganzes Streben ausfüllte, ihr Lebensziel, ihre Freude und ihr Beruf war, und sich fortan auf dem Lande in fern abgelegener Gegend unter norwegischen Bauern vergraben, um einen ihr fremden Lebensberuf mit diesem fremden Mann zu teilen, seinen Weg ihm erleichtern zu helfen, sein Haus in Ordnung zu halten, ihm Kinder zu schenken!

Wäre man wirklich im stande, sein Leben in zwei Hälften mit gänzlich verschiedenem Streben zu teilen? Ja, sie wußte, daß es alle Frauen so machten, daß jede mit ihrer Verheiratung einen neuen Lebensabschnitt begann und gewöhnlich all das, womit sie sich bisher beschäftigt hatte, liegen ließ.

That aber ein Mann das jemals? Und wenn wirklich einmal ein Mann bei seiner Verheiratung seinen bisherigen Beruf aufgab, wenn zum Beispiel ein großer Künstler – ja, denn sie war eine große Künstlerin, eine der größten der Neuzeit, das wußte sie – wenn ein Meissonier, ein Munkacsy plötzlich die Kunst verlassen und in eine abgelegene Gegend hätte ziehen wollen, um ein Gut seiner Frau zu verwalten, würde das nicht alle Welt beklagen und seine Frau tadeln, die ihn auf diese Weise der Kunst entzöge?

Ließ sich aber eine Frau solche Untreue gegen sich selbst zu schulden kommen, dann sollte das schön sein, nein, sogar nur ihre einfache Pflicht. Dasselbe, was bei dem Mann für Schwäche und Inkonsequenz erklärt werden würde, sollte für sie das erste Gebot der Pflicht sein. Sie aber wollte und konnte nicht so inkonsequent sein. Sie aber war nicht im stande, die eine Hälfte ihres Lebens mit all seiner Arbeit, all seinem Streben wegzuwerfen; das Leben war zu kurz, um es in zwei Hälften zu teilen.

Schon als Kind, als sie kaum einen Stift halten konnte, war es die größte Freude ihres Lebens gewesen, zu zeichnen und zu malen! Und wie, war sie nicht dazu erzogen worden! Wie bald wurde nicht ihr Schönheitssinn, ihr Blick dafür geweckt, als sie als kleines Mädchen in Düsseldorf in dem großen Atelier ihres Vaters und dem kleinen daneben, das ihrer Mutter gehörte, herumlief! Wie hatte sie nicht beständig in Künstlerkreisen gelebt, wie war sie nicht mit dem Gefühl aufgewachsen, daß es eigentlich Kunst und Schönheit wären, um die sich das ganze Leben drehte! Wie war ihr die Kunst als der eigentliche Kernpunkt, Schönheit als die einzige, wahre Wirklichkeit des Lebens, alles andere niedrig und interesselos erschienen.

Und mit einer solchen Vergangenheit, mit einer solchen Entwicklung sollte sie die Frau eines Mannes werden, der als Bauer in einer einsamen Felsengegend lebte, ohne Kommunikationen in einer toten Schneelandschaft bei endlos langen Wintern!

Es war unmöglich, wahnsinnig. Nie und nimmer konnte sie seine Frau werden. Aber jetzt von ihm scheiden, so plötzlich!

Da kam ein Dampfboot. Es war das, mit dem sie fahren sollte.

Sie bekam Herzklopfen und fühlte einen solchen Schmerz in der Brust, daß sie kaum atmen konnte.

Warum schon jetzt scheiden? Noch war es Sommer mit langen Tagen und hellen Nächten, noch konnte sie ja einige Wochen mit ihm zusammen sein, allein mit ihm, fern von der Welt. Warum sollten sie nicht glücklich sein, so lange es möglich war? Was stand zwischen ihnen, was hinderte sie, einander anzugehören – eine Zeit lang?

Nur die Furcht, sich zu binden, hatte sie bis jetzt davon abgehalten. Fühlte sie sich aber jetzt doch schon gebunden, was half es ihr dann, wenn sie auch sagen konnte: »Ich habe nichts versprochen, nichts gegeben. Ich kann gehen, wenn ich will.«

Sie konnte ja doch nicht gehen. Der Schmerz in diesem jugendfrischen Antlitz hielt sie fest, ein Gefühl, daß es Thorheit wäre, das Glück von sich zu weisen, das vor der Thüre stand und anklopfte, überwältigte sie – das Verlangen, seine Augen wieder in Liebe und Glück aufleuchten zu sehen, hielt sie zurück, tausend starke Fäden ketteten schon ihr Dasein an das seine.

Sie hatte nicht mehr die Freiheit, ihn zu verlassen, wenn sie wollte, denn dann hätte sie ja jetzt gehen können. Das Abfahrtszeichen des Dampfschiffs ertönte, die Menschen eilten an Bord. Sie aber blieb unbeweglich am Fenster stehen.

Sie gehörte ihm schon, es fehlte ihr die Kraft, sich loszureißen. Warum also nicht bleiben, bleiben, so lange es Sommer war?

Dann, wenn der Winter kam, dann wollte sie mit den Zugvögeln forteilen nach ihrer eigentlichen Heimat, dem Süden. Aber nicht jetzt, nicht jetzt! Warum so grausam sowohl gegen ihn wie gegen sich selbst sein?

Schwerer als jetzt konnte die Trennung auch dann nicht werden. Und sie wären doch eine Zeit lang wenigstens vollkommen glücklich gewesen und hätten eine volle und reiche Erinnerung, der sie leben könnten.

Jetzt wurde das Landungsbrett eingezogen und das Dampfboot setzte sich in Bewegung. Man winkte vom Bord und von der Brücke aus.

Falk schien nicht dabei zu sein. Er hatte sie also ohne Abschied abreisen lassen wollen.

Als das Dampfschiff nicht mehr zu sehen war, ging Ulla hinunter zum Portier und fragte nach Falk.

»Er ist ausgesegelt – gleich nach dem Frühstück,« erwiderte dieser.

Nicht lange darnach sah sie sein Boot zurückkommen. Ein verlegenes Rot überzog ihr Gesicht und in einer Art Verwirrung durchzuckte sie der Gedanke, sich vor ihm bis zum nächsten Dampfschiff zu verbergen und dann zu verschwinden. War sie weniger stolz als er?

Sie eilte hinauf in ihr Zimmer und schloß sich ein, ohne zu wissen, weshalb eigentlich; wenn er sie aufsuchte und an ihre Thüre anklopfte, würde sie ihm den Zutritt doch nicht verweigern.

Es dauerte auch nicht lange, bis geklopft wurde. Sie fuhr vom Sofa, auf das sie niedergesunken war, in die Höhe und blieb unentschlossen mitten im Zimmer stehen, während ihr allerlei Gedanken, Notlügen durch den Kopf flogen, wie die, daß sie sich unwohl fühle, daß sie zu spät zum Dampfboot gekommen wäre, daß sie sich zu einem andern Weg entschlossen habe und was dergleichen mehr war.

Das Klopfen wiederholte sich. Sie öffnete jetzt, aber ihr Gesicht und ihre Haltung hatten denselben kalten und abweisenden Ausdruck angenommen, den sie immer bekam, wenn ihr Stolz geweckt wurde.

Es war ein Kellner, der ihr einen Brief brachte.

Sie schloß die Thüre zu, riß den Brief auf und las: »Ich wußte, daß Sie mich nicht ohne Abschied verlassen könnten. Hätten Sie es gekonnt – ja dann hätte ich meine Liebe mit unbarmherziger Hand aus meinem Herzen gerissen; aber wie mir das Leben von da an erschienen sein würde, daran darf ich nicht denken. Wollen Sie mir aber jetzt in meine Heimat folgen, dann gelobe ich Ihnen Frieden – kein einziges Wort von dem, was Sie nicht hören wollen. In einer Stunde geht ein Dampfschiff über die Seen. Wir müssen uns gleich aufmachen, um morgen früh beizeiten die Wanderung über die Felsen antreten zu können.«



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