Hermann Kurz
Der Sonnenwirt
Hermann Kurz

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Fünfunddreißigstes Kapitel

Querfeldein über Berg und Tal schweifend, pilgerte gleich am nächsten Tage das schon so lange verbundene und immer noch nach dem Segen der Kirche dürstende Paar dem Kochertale zu, in dessen Umgebung ihm sein Wunsch erfüllt werden sollte. Wem man aber gesagt hätte, daß die beiden auf einem Brautgang begriffen seien, der würde sie verwundert angeschaut haben: der Hochzeiter war, wenn auch sein Gesicht von den Mühseligkeiten des Lebens zeugte, in der Blüte der Mannesjahre und schritt im blauen Rock, in der rot-, blau- und grüngestreiften kalaminkenen Weste, in den schwarzen Lederbeinkleidern, weißen Strümpfen und neuen Schuhen mit blanken, stählernen Schnallen gar stattlich einher, während aus der verschossenen, von Hause aus farblosen und ärmlichen Bauerntracht der Hochzeiterin ein verblühtes, müdes Gesicht hervorsah. Bald waren sie wieder auf dem Rückwege von Thüngenthal, denn so schreibt sich der Name des Ortes, den der eigensinnige Volksmund in Dinkeltheim verwandelt hat, gleichwie ihm umgekehrt die Residenz des deutschen Ordens, welche Mergentheim geschrieben wird, zu einem Mergenthal geworden ist. Am Abend des ersten Tages, da sie wieder in der Richtung nach der Rems wanderten, kehrten sie in einem Dorfwirtshause ein, um daselbst über Nacht zu bleiben. Sie waren die einzigen Gäste in der Wirtsstube, wo der Wirt ab- und zuging; im Kabinett saßen drei geistliche Herren, die miteinander tranken und redeten, ohne ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Kaum hatten sie das Fleisch, das ihnen der Wirt vorgesetzt, gegessen, so trat ein anständiger Mann in einem braunen Anzug ein, desgleichen die Gerber trugen, grüßte sie freundlich, setzte sich an ihren Tisch und verlangte gleichfalls ein Nachtquartier. Christine erwiderte den Gruß gleichgültig; Friedrich aber, nachdem er ihn angesehen, mußte den Mund zum Lachen verziehen. Der andere gab ihm einen Wink, zu warten, bis der Wirt die Stube verlassen; dann fragte er lachend: »Nun, wie ist die Kopulation abgelaufen?«

Erst jetzt blickte ihn Christine an und erkannte mit Staunen einen der Männer aus dem Walde von Wäschenbeuren. Es war in der Tat Bettelmelcher.

»Ganz gut«, antwortete Friedrich, »aber sehr einfach. Es war eine Hauskopulation, die dein Pfaff in seiner Stube vorgenommen hat, er wird wohl wissen warum, und der ganze Akt bestand darin, daß er uns geheißen hat, wir sollen einander die Hände drauf geben, daß wir einander in Lieb und Leid nicht verlassen wollen.«

»Nun, ist das nicht genug«, versetzte Bettelmelcher mit gerührter Stimme und spitzbübischem Augenzwinkern.

»Dann hat er uns einen Kopulationsschein ausgestellt und hat ihn auf mein Verlangen noch um ein Jahr weiter zurückdatiert, so daß unsere Ehe jetzt schier für achtjährig gilt. Der tut alles, was man haben will. Deinen Gruß hab ich ihm ausgerichtet. Drauf hat er gelacht und gesagt: ›So ist der Spitzbub immer noch ungehenkt?‹«

Bettelmelcher lachte.

»Aber du!« fuhr Friedrich fort, »das ist mir ein sauberer Pfarrer, den du mir rekommandiert hast, und mir kommen Bedenken, ob die Handlung und der Trauschein nur auch etwas wert sind. Wir haben zuerst nach dem Pfarrhaus gefragt, aber da sind wir schön angekommen.«

»Ich hab dir ja seine Wohnung angegeben«, unterbrach ihn Bettelmelcher, immer noch lachend.

»Ja freilich, dann hat sich's herausgestellt, daß er nicht der rechte Pfarrer ist, sondern ein abgedankter. Er hat mir selber erzählt, er hab nur ein klein's Späßle gemacht und sei deswegen gleich weggeschmissen worden. Nun möcht ich doch wissen, ob ein abgedankter Pfarrer auch noch kopulieren kann.«

»Willst du dich denn in Ebersbach häuslich niederlassen und dem Amt deinen Trauschein vorzeigen?« fragte Bettelmelcher spöttisch.

»Nun, das just nicht.«

»Nun, so gib dich zufrieden und sei froh, daß du's schwarz auf weiß hast. Das Papier kann dir unter Umständen viel nutzen, es kann dir statt eines Passes dienen, und wenn du dich mit deiner Frau einmal in einem fremden Lande irgendwo setzen willst, so kannst du dich damit legitimieren. Meinst du denn, man frage überall so genau darnach?«

»Ja, wenn's nur ein bißle etwas ist«, bemerkte Christine, die es als eine große Genugtuung empfand, endlich einmal urkundlich, wie auch die Urkunde beschaffen sein mochte, verheiratet zu sein.

Friedrich beruhigte sich. Sie zahlten ihre Zeche und gingen bald darauf zu Bette.

Morgens fanden sie sich beim Frühstück wieder zusammen, wie Gäste, die sich zufällig in der gemeinsamen Herberge kennengelernt haben. Der hinzugekommene Genosse machte dem Ehepaar keine Schande: er sah jetzt beim Tageslicht in seinem braun- und blaumelierten Rocke sehr ehrbar und wohlhabend aus und benahm sich äußerst gesetzt. Man speiste eine Milchsuppe, zu welcher der Wirt silberne Löffel auflegte. Christine schien sich bei dieser vornehmen Bewirtung behaglich zu fühlen; sie trat ihrem Manne auf den Fuß und flüsterte ihm zu: »Das ist ein kostbarer Wirt!«

Beim Fortgehen schlug Bettelmelcher den entgegengesetzten Weg ein, gesellte sich aber bald auf der Straße wieder zu ihnen. »Nun muß man doch auch auf ein Hochzeitsgeschenk für die junge Frau mit dem achtjährigen Kopulationsschein denken«, sagte er lächelnd. »Was wär denn etwa nach ihrem Gusto?«

Christine lachte, nicht ungeschmeichelt, und erwiderte, man dürfe sich ihretwegen nicht in Unkosten stürzen. Als er aber freundlich in sie drang, zu sagen, ob sie in ihrem neuen Stande nicht irgend etwas wünsche, versetzte sie, weniger gegen ihn als ihren Mann gewendet. »E bißle erquickt en Äderle; ich brauch nicht viel; wenn ich nur ein klein's Pfännle hätt, daß ich mir hier und da etwas Warm's machen könnt.«

»Das ist ein bescheidener Wunsch!« erwiderte Bettelmelcher lachend, »und doch muß man, wenn man sich auch nur bescheidentlich fortbringen will, die Augen offen haben und in vielen Sätteln gerecht sein. Wer träumt und dröselt, kommt nicht weit. Mit silbernen Löffeln speisen, ist wohl angenehm, nicht wahr? Aber das kann jeder, dessen Eltern so gescheit gewesen sind, ihm eine gute Erbschaft zu hinterlassen. Wer keine so gescheiten Eltern gehabt hat, der muß selbst den Verstand brauchen. Ich möchte wohl wissen, ob die junge Frau in dem Wirtshaus da die Hälfte von dem bemerkt hat, was zu sehen und zu beobachten gewesen ist. So ein Wirt meint wunder, wie klug er seine Sachen einrichte, und vergißt alles darüber, wenn er drei Pfaffen im Kabinett sitzen hat.«

»Oh, ich hab auch meine Augen«, sagte Christine, die sich durch den Zweifel an ihrer Beobachtungsgabe verletzt fühlte. »Ich habe wohl gesehen, wie der Wirt seine Löffel in ein Schublädle getan hat, nachdem sie ausbraucht gewesen sind, und wie er das Geld von uns und von den drei Herren in ein Glas in dem nämlichen Schublädle getan hat, hab auch gesehen, daß ein Goldstück in dem Glas gewesen ist.«

Bettelmelcher sah sie erstaunt mit einem gewissen Ausdruck von Achtung an. »Wahrhaftig, die Frau ist nicht so träumerisch, wie sie aussieht«, sagte er, »sie kann noch brauchbar werden.« Er schlug bald nachher einen anderen Weg ein, um, wie er sagte, seinen Geschäften nachzugehen.

Das Paar setzte seine Wanderung bis in den Nachmittag fort, da stand ein alter Bettler mit weißem Bart und lang herabhängenden weißen Haaren am Wege und bat um ein Almosen. »Wir haben ja selber nichts!« fuhr ihn Christine verdrießlich an, während ihr Mann nach einer Kupfermünze suchte. »Wenn das der Fall ist«, sagte der Bettler, »so soll mir's auf eine kleine Beisteuer nicht ankommen.« Mit diesen Worten zog er unter dem Wams eine kleine Pfanne hervor und überreichte sie ihr. »Sie ist zwar nicht mehr ganz neu«, sagte er, »aber ein Schelm gibt's besser, als er's hat.«

»Du Spitzbub!« rief Friedrich lachend, »diesmal hast du mich selbst getäuscht; ich hätte dich an keinem Zug erkannt, nicht einmal an deinen nichtsnutzigen Augen.«

Bettelmelcher stieß ein lustiges Gelächter aus und sprach dann eine Weile jenisch mit ihm, wobei Christine verwundert auf die fremden, seltsamen Ausdrücke hörte. Hierauf entfernte sich Bettelmelcher, und die beiden gingen weiter, bis sie ein einsames Wirtshaus am Saume eines Waldes erreichten, wo Friedrich etwas Essen und Trinken kommen ließ. Christine hatte sich schon mehrmals über Ermüdung beklagt. Nachdem er einige jenische Worte mit dem Wirt gewechselt, eröffnete er ihr, sie könne hier der Ruhe pflegen, er werde die Nacht über auf dem Anstande sein und sie den andern Morgen wieder abholen.

»Ach Frieder!« sagte sie erschreckend, »du gehst auf kein Hirsch aus. Ich seh's wohl, du bist nicht in den besten Händen, du hast dich mit dem Spitzbuben, dem Bettelmelcher, in etwas eingelassen.«

»Wenn ich dir sage, ich geh auf den Anstand, so hast du nichts weiter zu fragen«, entgegnete er streng. »Ich werd am besten wissen, was ich zu tun hab.«

»Mein Herz sagt mir, du hast nichts Gut's vor!«

»Und wenn es auch so wär – hast du eine Glückshenne, die mir goldne Eier legt? Oder kannst du mir ein Haus oder Geschäft in Ebersbach kaufen? Glaubst du, der Wirt da, obwohl du sicher bei ihm aufgehoben bist, werde dich umsonst beherbergen? Halt mich nicht unnötig auf, ich kann die Zeit nicht mit Streiten verlieren. Bleib ruhig hier, bis ich wiederkommen

Er trank sein Glas aus und ging rasch fort.

»Frieder! Frieder!« rief sie, ihm auf die Straße nachlaufend.

Er blieb unwillig stehen.

»Frieder«, sagte sie ihm ins Ohr, »wenn du etwas tun willst, was dir Gott verzeihen mög, so tu doch wenigstens schwarze Strümpf an, deine weiße Strümpf machen dich sichtbar in der Nacht!«

Er lachte, hieß sie ohne Sorge sein und entfernte sich auf dem Wege, den sie hergekommen waren.

Den andern Vormittag erschien er versprochenermaßen wieder in dem Wirtshause, zahlte die Zeche und führte Christinen weiter. »Meine Freunde haben mir ein Hochzeitsgeschenk für dich verehrt«, sagte er unterwegs und überreichte ihr ein paar silberne Löffel nebst einem silbernen Besteck.

Sie besah die Löffel aufmerksam. »Die kenn ich!« rief sie, »das sind die Löffel, mit denen wir gestern früh die Milchsupp gessen haben. Du, für das Geschenk dank ich, das ist nicht auf richtige Art in deine Händ kommen. O Frieder, du bist bei dem Wirt zu Heseltal einbrochen!«

»Ich hab ihm das Haus mit keinem Fuß betreten«, erwiderte er.

»Dann haben's deine Kameraden getan«, sagte sie, »und die werden ihm die Löffel nicht abkauft haben.«

»Heb mir die Sachen auf«, entgegnete er mit einem Tone, der jede fernere Erörterung abschnitt. »Wenn du sie nicht willst, so gehören sie mir. Du meinst gleich, der Teufel hole dich darüber; wenn du in Ebersbach wärest, so sprängest du schon dem Amtmann zu.«

Sie nahm die Löffel und das Besteck in Verwahrung und sagte nichts mehr. Nachdem sie stillschweigend bis gegen Mittag gewandert waren, sahen sie einen Berg, auf dessen Gipfel eine Kirche stand. Es war der Rechberg. Friedrich wandte sich demselben zu und schlug den Weg nach der Höhe ein. Christine folgte ihrem Manne, ohne zu fragen. Als sie den Gipfel erstiegen hatten, begaben sie sich in das der Kirche gegenüber gelegene Pfarrhaus, mit welchem von jeher zum Besten der frommen Wanderer eine Wirtschaft verbunden war. Beim Eintritt rief Christine überrascht: »Ei, da sind ja –« Friedrich stieß sie in die Seite und bedeutete sie, zu schweigen. Um den runden Tisch am Fenster saßen drei Mitglieder der Gesellschaft vom Walde, Bettelmelcher, Schwamenjackel und die jüngere Zigeunerin, welche in aller Ruhe miteinander zehrten. Der Wanderer begrüßte sie, wie man Fremde grüßt, mit welchen man sich an einem einsamen Orte zusammengeführt sieht, und entschuldigte sein Weib, die sich von irgendeiner Ähnlichkeit habe hinreißen lassen, einen Augenblick Bekannte in ihnen zu sehen. Sie nahmen die Entschuldigung mit gleichmütiger Höflichkeit auf, erwiderten, dergleichen Irrtümer kommen häufig vor, und boten den Ankommenden Platz an ihrem Tische an. Dann fragte man sich gegenseitig, woher und wohin, und tischte einander beliebige Auskunft darüber auf. Christine hörte sehr verdutzt auf diese Reden und konnte nicht begreifen, wie ihr Mann sich so schnell in das angenommene Betragen finden konnte. Nach und nach wurde man immer bekannter, indem der Wein die fremden Herzen gegenseitig aufzuschließen schien; und als die Gesellschaft zusammen aufbrach, um den zufällig gemeinsamen Weg miteinander fortzusetzen, hätte die Hauserin des Pfarrers, welche die Wirtschaft führte, darauf schwören können, daß hier Leute, die sich in ihrem Leben zum erstenmal gesehen, auf dem freundlichen Berge recht heiter und vertraulich miteinander geworden seien.

Sie nahmen ihren Weg über den schmalen Grat, der, einem Messerrücken ähnlich, vom Hohenrechberg nach dem Hohenstaufen führt. Friedrich und Christine waren die vordersten in der wandernden Gesellschaft. Er zankte sie tüchtig aus, daß sie in dem Pfarrhause so unvorsichtig heraufgefahren sei, und gebot ihr, in Zukunft ihre Zunge besser zu hüten.

»Wie hab ich denn wissen können, daß ich die Leut gar nicht kennen darf!« maulte sie. »Da weiß man ja gar nicht mehr, wie man sich betragen soll.«

»So sei künftig ganz still und wart, bis man dich reden heißt!« sagte er zornig.

Sie verschluckte die Antwort, die sie im Unmute geben wollte, und schritt immer stärker zu, während er sich mit verdrossenem Gleichmut im bisherigen Gange hielt. Auf diese Weise geriet sie, ohne sich umzusehen, ziemlich weit voraus. Als sie eine Strecke von ihm entfernt war, sah er sich von Bettelmelcher und Schwamenjackel eingeholt.

»Was?« rief Bettelmelcher, »ich will nicht hoffen, daß es gleich nach der Hochzeit zu Ehezwistigkeiten kommt.«

»Das ist sehr oft der Fall«, erwiderte er lachend, »wenn der Pfaff einmal die Garantie übernommen hat, so meinen die Leute gewöhnlich, sie brauchen für sich selbst nichts mehr dazu zu tun. Übrigens ist's bei uns nicht so gefährlich: ich hab meiner Frau bloß ein wenig Behutsamkeit im Weltleben eingeschärft, und jetzt scheint sie ihren Katechismus ungestört lernen zu wollen.«

»Das wird sehr gut sein«, versetzte Bettelmelcher. »Soll ich ihr nicht ein wenig dabei helfen?«

»Kann nichts schaden.«

»Dir fehlt's indessen nicht an Gesellschaft«, setzte jener hinzu, auf die herankommende Zigeunerin deutend, welche ganz allein die Nachhut bildete. Mit diesen Worten ging er rasch seines Weges, und Schwamenjackel folgte ihm, so daß Friedrich nur die Wahl hatte, auf seine schöne Freundin vom Walde, die den Fingerzeig gesehen hatte, zu warten oder mit sichtbarer Geflissenheit ihre Gesellschaft zu meiden. Er fand keinen Grund, ihr diese Beleidigung zuzufügen, wohl aber hundert Gründe, das Gegenteil zu tun.

»Komm, Katharina«, sagte er, am Wege stehenbleibend.

»Ich heiße nicht Katharina«, erwiderte sie. »Christine ist mein Name.«

»Du heißt also wie meine Frau?« rief er erstaunt. »Warum haben dir denn die Deinigen einen falschen Namen gegeben?«

»Um meiner Sicherheit willen«, antwortete sie. »Ich bin aller Länder, außer Frankreich, Sachsen und Ungarn, verbannt, hab überall Urfehde schwören müssen, und wenn ich mich betreten ließe, so ging mir's um den Hals.«

Sie gingen einige Zeit stumm nebeneinander, bis Friedrichs Begleiterin zutraulich auf ihn einzusprechen begann: »Du scheinst nur mit halber Seele bei uns zu sein. Ich merke wohl, an was du klebst. Tor! die Menschen sind alle von einem Schlag, nur mit dem Unterschied, daß die einen den Galgen andiktieren und die anderen ihm davonlaufen. Wenn aber Stehlen todeswürdig ist, so gehört den einen so gut wie den anderen der Strang. Daß die Spitzbuben mit Haus und Hof über die heimatlosen Spitzbuben herfallen und ihnen von jeher nichts haben gönnen wollen, das ist eben eine ungerechte Verfolgung.«

Der selbstsichere Ton, der ihn von einem Manne abgestoßen haben würde, machte aus diesem Munde einen mächtigen Eindruck auf ihn. Er fühlte sich gedemütigt und angezogen zugleich.

»Wenn du aber der Sünde, wie du's wohl weißt, ganz absagen willst«, fuhr sie lachend fort, »so kann ich dir in meiner eigenen Familie ein Musterbild von Tugend und Ehrbarkeit aufstellen. Lache nicht, es ist buchstäblich wahr. Ich habe noch eine zweite Schwester, die sich am Tode so vieler Verwandten ein Exempel genommen hat und sich mit ihrem Manne, einem Scherenschleifer, ehrlich und redlich fortbringt. Sie ist nicht besonders schön, dabei etwas schmierig und schlampig, wie es auch bei ihrer armseligen Lebensart nicht anders sein kann. Wir haben zwar keinen großen Geschmack aneinander, aber wenn du eine Empfehlung willst, um das Scherenschleifen zu lernen, so steh ich zu Diensten.«


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