Hermann Kurz
Der Sonnenwirt
Hermann Kurz

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»Natürlich!« lachte er, »drum bin ich in der Welt drein gewest, und das doppelt. Einmal am Main und Rhein drunten lernt man einen ganz andern Schick, und bei meinem Vatersbruder, obgleich in seinem Haus nichts Neumodisches zu finden ist, kehren gar stattliche Kunden ein, weil er den Wein noch nach der alten Mode schenkt, ungestritzt und wohlbehandelt und dabei billig, so daß Wirt und Gäste bestehen können. Da kommen dir Leute von Welt hin, seine Köpfe, und wenn man auf ihre Reden aufpaßt, so bleibt was an einem hängen. Sie haben mich freilich auch manchmal ein wenig ins Gebet genommen und mir zu verstehen gegeben, man merke mir den Schwaben an, eh ich nur den Mund auftue; aber aus welchem Käfig der Vogel ausgeflogen war, das haben sie mit all ihrem Witz doch nicht ergründet. Dann aber ist auch das Zuchthaus und die Festung eine Welt, die ihre Leute bildet, nicht bloß, wie du meinst, zum Stehlen und Rauben – ei nein, jedes Handwerk, ob es gut oder schlecht sei, erfordert Fertigkeiten und Kenntnisse, die dem Menschen Ehre machen. So ein Stromer oder Jauner, der in den Landen umherzieht, Fuchs und Has zugleich ist, der weiß und kann dir Dinge, die einem gewöhnlichen Ofenhocker nicht im Traum vorkommen. Wenn's eine gute Gelegenheit gegeben hat, daß man hat eine Stunde ungestört sich unterhalten können, da hat man Neuigkeiten gehört, daß einem die Welt noch einmal so groß und weit vorkommen ist und daß sogar die Schmieren oder Launiger – will sagen, die Aufseher oder die Soldaten, die die Wache gehabt haben – mit aufgerissenen Augen und Mäulern dabeigestanden sind und das Abwehren vergessen haben. Sie wissen dir von jedem Land, groß und klein, seinen Regenten und wie er gesinnt ist, von seinen Gesetzen und Einrichtungen, der Nahrungsweise des Volkes, dem Wohlstand, den Eigenschaften fast jedes einzelnen Beamten, den Verhältnissen zu anderen Ländern und ihren Regenten und Beamten, alles das wissen sie dir wie am Schnürle herzusagen, denn es sind lauter Dinge, die zu ihrem Handwerk gehören und nach denen sie ihr Tun und Lassen abmessen müssen. Ich hab aber oft denken müssen, wie nützlich es wär, wenn die Bürgersleute, die sich doch zum Teil mit Handel und Wandel zwischen so vieler Herren Gebiet, das absonderlich in unserem Land unzählbar ist, fortbringen müssen – ich will nur zum Beispiel von den Wirten reden – sage, wenn sie solche notwendige Wissenheiten in den Schulen und dafür meinetwegen ein paar Sprüch und Vers' weniger lernen würden. Aber auch in vielen anderen Dingen trifft man die schönsten Kenntnisse bei ihnen an. Da stehen besonders die Felinger im ersten Rang, und unter diesen wiederum die sogenannten Staatsfelinger. Das sind die Leute, die fürnehm gekleidet in Samt und Seide, oft in eignen Karossen mit Pferden und großer Dienerschaft als Bergleute oder Doktoren das Reich durchziehen, treiben ihr Handwerk meistens in den Städten, führt mancher gar ein Privilegium von kaiserlicher Majestät mit sich und weiß sich eine Manier und ein Ansehen zu geben, daß jeder Reichsgraf ihn für seinesgleichen erkennen muß. Aber auch die geringeren Felinger, die das dumme Volk mit Quacksalberkünsten, Schatzgräbereien und dergleichen kaspern und brandschatzen, haben bei allem Betrug oft manche gute Wissenschaft in ihrer Kunst. Wir selber haben einen solchen auf Hohentwiel gehabt, der in Krankheiten sehr erfahren war und nicht nur mir und manchem anderen geholfen, sondern auch den Festungsdoktor selbst mehr als einmal ausgestochen hat. Der hat ihm freilich die Ehre nicht gönnen wollen, als wenn es recht kritisch hergangen ist, aber just dann ist auch der Ruhm desto größer gewesen.«

»Wenn aber so Leut so geschickt sind«, wendete sie ein, »dann sollt's ihnen ein Leicht's sein, sich ehrlich und redlich zu nähren.«

»Ist bald gesagt«, erwiderte er. »Diese Leute sind meistenteils von Kindesbeinen auf heimatlos, gehören zu einem verachteten, verworfenen Menschenschlag und würden zu ehrlichen Hantierungen im bürgerlichen Leben gar nicht angenommen, sind auch, was ich zugeben will, teils schon durch ihre Eltern dazu verdorben, oder sie sind mit und ohne ihre Schuld aus dem bürgerlichen Leben hinausgestoßen worden – denk nur dran, wie's uns gangen ist – und müssen froh sein, daß sie da draußen noch eine Welt finden, in der sie leben können. Das sind Leute wie zu Davids Zeit, da er vor dem König Saul in die Höhle Adullam fliehen mußte und sich allerlei Männer zu ihm versammelten, von denen die Schrift sagt: Männer, die in Not und Schuld und betrübten Herzens waren. Jetzt ist's freilich nicht mehr Mode, daß einer aus einem Obersten über solche Männer ein König werden kann, und es deucht mir selber unbegreiflich, wenn ich dem Ding nachdenke, zumal daß von allen Kanzeln sein Lob gepredigt wird, da er doch Stücke getan hat, die heutzutag mit Galgen und Rad bestraft würden. So schickt er zu dem Nabal hin und läßt ihm sagen: ›Gib mir und meinen Leuten, was deine Hand findet‹; wie aber der Nabal Faust in Sack macht, so heißt er einen jeglichen sein Schwert um sich gürten und zieht, vierhundert Mann stark, gegen ihn, just so, wie sie jetziger Zeit manchmal aus den böhmischen Wäldern hervorbrechen. Und wiewohl die Abigail sich ins Mittel gelegt hat, daß es nicht zum Äußersten kommen ist, so hat er Speis und Trank genug ohne Zeche und Kreide gefaßt und hat eigentlich doch den Nabal umgebracht, denn der hat aus Schrecken über den Anmarsch der Vierhundert betrübten Herzens den Geist ausgeblasen und hat ihm erst noch seine Witwe zum Weib lassen müssen. Die Schrift sagt wohl von ihm, der Mann sei hart und boshaftig in seinem Tun gewesen; aber gibt's darum keine seinesgleichen mehr, die, wie er, fast großen Vermögens sind und viele Schafe und Ziegen haben? Ich möcht sehen, wenn ihnen einer heutig's Tags so was tät, was weltliche und geistliche Obrigkeit dazu bemerken würden. Von den Zigeunern sagen sie, sie betteln zuerst, und wenn man's ihnen nicht gutwillig gebe, so nehmen sie's mit Gewalt. Aber das hat noch kein Pfarrer als Muster aufgestellt. Vielmehr hat mir schon in Ludwigsburg einer, der bei einem Generalstreif aufgefangen wurde und in Gesetzen sehr bewandert und ein halber Gelehrter war, der hat mir gesagt, es sei erst vor wenigen Jahren ein Kreispatent ausgegangen, daß man das gottlose und verruchte Jauner- und Zigeunervolk, auch wenn man es nicht auf einer Missetat ergreife, solle aufs Rad legen und solle dabei nur das unbenommen sein, daß man sie zum Schwert oder Strang begnadigen könne.«

»Das ist freilich schrecklich«, seufzte sie. »Es ist eben eine arge Welt und eine böse Zeit. Aber so froh ich bin, daß du mit ihnen von der Festung entkommen bist, so ist mir's doch noch viel lieber, daß du dich wieder von ihnen losgeschält hast. Ist's auch gewiß wahr?«

»Freilich ist's wahr, so gewiß, als es von Hohentwiel einen Weg nach Sachsenhausen gibt. Ich hab freilich nicht immer den gradsten genommen; 's ist mir gangen wie bei der Erzählung da, wo du mich fort und fort auf Um- und Nebenwege drängst.«

»Ich will dich nicht weiter unterbrechen. Erzähl gradaus.«

»Wie wir mit unseren Vorbereitungen endlich fertig gewesen sind, haben wir uns an den steilen, roten Felsen hinabgelassen. War aber wenig davon zu sehen, denn wie du dir denken kannst, haben wir eine stürmische Regennacht gewählt. Einer voran, ich in der Mitte und einer zuletzt, wie wir eben drangekommen sind, so sind wir an unserem armseligen Seil hinuntergerutscht. Wir zwei vorderen haben uns nicht lang besonnen, haben's auch nicht geachtet, daß unsere Hände halb durchgeschnitten wurden, sondern sind hinabgesaust wie der Teufel, wenn er mit einer armen Seel zur Hölle fährt. Dem letzten aber ging's nicht so gut. Hat er sich zu schwer gemacht, die Hände zu sehr geschont, oder ist das Seil durch uns schon abgenutzt gewesen, ich weiß es nicht: auf einmal kracht's, bricht, und neben uns geschieht ein mächtiger Fall. Es war ein Glück, daß er uns nicht auf die Köpfe fiel. Ob er sich den Hals abgestürzt hat, weiß ich heut noch nicht. Gott tröst ihn! aber für uns war keine Zeit zu verlieren. Der Fall hatte die Wachen oben rebellisch gemacht, man hört zusammenschreien, und kaum sind wir einen halben Büchsenschuß seitwärts, so brummt schon die Lärmkanone durch die finstere Nacht. Die stand uns aber treulich bei, und wir sagten lachend: ›Kanoniert und trommelt ihr, soviel ihr da droben wollt, Gott befohlen, Hohentwiel!‹ Die Aussicht ist übrigens schön für den Liebhaber, besonders wenn er sich nur ein paar Tage zu seinem Vergnügen droben aufzuhalten braucht, wie ein Schwager des Kommandanten, ein Professor, den wir einmal die herrliche Perspektive, wie er's nannte, loben hörten. Wir hatten sie uns jedoch gleichfalls zunutz gemacht und wie eine Landkarte studiert, das Hegau mehr als den Bodensee. Das Hegau ist gar keine üble Gegend zur Flucht, das muß man ihm lassen. Mit waldigen Köpfen oder kleinen Anhöhen, Kopf an Kopf, besät, so liegt es um die Festung da. Sie sind uns nachher oft doch etwas höher vorkommen, als man von oben meint; aber nichtsdestoweniger ein prächtiges Revier für Gäste, die aus dem Luftschloß zur schönen Aussicht abgereist sind; denn es reicht ein Wald dem anderen die Hand. Dazu hatten wir just die Zeit abgewartet, wo das Laub ausschlägt; es deckt einen doch besser, und der Wald sieht so traurig aus, wenn er nackt und kahl ist. Mein Kamerad – ja so, von dem hab ich dir noch gar nichts gesagt; hab ich dir nie von dem jungen Zigeuner erzählt, den ich einmal aus dem Zuchthaus mit nach Ebersbach gebracht hab?«

»Ja«, sagte sie, »du hast ihn bei seinem Vater als Knecht anbringen wollen, und der hat dir dafür eine Ohrfeig hingeschlagen.«

»Richtig, und der war mein Kamerad beim Ausfliegen. Ich hab ihn auf der Festung wiedergefunden.

Der scheele Christianus, so heißt man ihn, hat's in seiner Art gut mit mir gemeint und hat mich mit Gewalt mitnehmen wollen, hat mir auch das beste Leben versprochen und hat's nicht begreifen können, daß ich nach Ebersbach wolle, wo ich ja vogelfrei sei; aber ich bin fest dabei geblieben, und so hat er mich zuletzt, ich muß sagen recht ungern, ziehen lassen, hat mir auch guten Rat und Anleitung geben zum Fortkommen, was ohne einen Zehrpfennig keine Kleinigkeit ist, und endlich hat er mir noch seinen Zinken, das heißt sein Wappen oder Wahrzeichen, dergleichen jeder von ihnen sein eigenes führt, anvertraut. Es könnte ja doch sein, daß wir einmal einander brauchten, hat er gemeint, hat mir auch gesagt, wo ich ihn und die Seinen am leichtesten finden könne; und daran hab ich gesehen, daß er's treulich mit mir meint und auch mir von ganzer Seele traut, denn mit dem Zinken, wenn er ihn nicht ändert, hab ich ihn in der Hand und könnt ihn jeden Augenblick verraten. Das werd ich aber nie tun, obgleich seine Wege nicht meine Wege sind. Interessieren soll's mich aber doch, einmal sein Wahrzeichen zu sehen. Sie schneiden's in Bäume, selbst in Balken an den Häusern, wo sie vorbeiziehen, zeichnen's auch in den Staub oder in den Schnee; mit einem Strich dahinter zeigen sie ihren nachkommenden Kameraden den Weg an, den sie nehmen wollen, und mit kleineren Strichlein über oder unter dem großen bezeichnen sie, wieviel ihrer sind, Männer, Weiber und Kinder.«

»Das ist sinnreich«, sagte sie, »aber lieber ist mir's doch, du guckst nicht nach den Wahrzeichen.«

»Sei ruhig«, erwiderte er, »er wird nicht so leicht wieder ins Land kommen, der Geschmack an Ludwigsburg und Hohentwiel ist ihm vergangen. Nachdem wir auseinander waren, hab ich mich nach und nach Ebersbach zugeschlagen, um zu hören, wie es um dich steht. Vom scheelen Christianus hatte ich Unterweisung, daß ich, soviel möglich, bloß in einsamen Höfen und Häusern einkehren solle, denn dort seien sie gutwillig gegen fahrende Leute, fürchten den roten Hahn von ihnen aufs Dach gepflanzt. Ich hab aber nicht nötig gehabt, ihnen sonderlich zuzusetzen, denn sie haben mir überall gern gegeben, und nur mit dem Nachtlager haben sie sich ein wenig in acht genommen; aber es ist nirgends besser schlafen als im Wald zur Frühlingszeit.«

»Weiß nicht«, sagte sie.

»Hab nur noch ein wenig Geduld«, versetzte er, »wir sind bald am Ziel. Daß ich auf Lebenszeit verurteilt und von der Festung entsprungen sei, hab ich den Leuten natürlich nicht sagen können, hab auch gedacht, sie werden's nicht grad wissen wollen. Ich hab ihnen gesagt, ich sei am See in Arbeit gestanden, hab wieder heim gewollt, sei von Spitzbuben ausgeraubt worden und müsse jetzt eben sehen, wie ich nach Hause zurückkomme. Das hat gezogen, und bis ich ins Ländle kommen bin – das Hohentwiel liegt nämlich in fremdem Gebiet, was auch sehr bequem zum Entkommen ist –, da hab ich so viel Geld und Lebensmittel im Tuch gehabt, daß es gereicht hat bis Ebersbach. Dort bin ich vierzehn Tag in der ›Sonne‹ gelegen und hab leider gehört, jetzt seiest du in Numero Sieben.«

»Was?« rief sie. »In der ›Sonne‹? Hat man dir denn dort Unterschlupf geben?«

»Ich hab mit dem Herrn Sonnenwirt Deutsch gesprochen und Fraktur mit der Frau Sonnenwirtin; denn solches ist nötig bei einem Weib, das kein Kind hat und nicht weiß, wie man sich gegen seine Kinder verhalten soll. Mitten in der Nacht bin ich ihnen vor'm Bett gestanden, daß sie vor Schrecken schier gestorben sind, und hab ihnen gesagt, wo sie ein Geräusch machen oder mich verraten würden, so sollten sie meinen Ernst kennenlernen. Das hat denn auch gefruchtet, denn du kannst dir gar nicht vorstellen, wie mir das Herz übergegangen war, zuerst aus Freude, daß ich wieder in Ebersbach bin, und dann vor Zorn. Daß mir vollends Hohentwiel nicht zu hoch gewesen ist, wo sie mich so sicher verwahrt glaubten wie das Kind in der Wiege, das hat sie ganz mürb und demütig gemacht. In der ersten Nacht haben sie sich in eine kleine Kammer verkrochen, und ich hab mich dann gutsmuts an ihrer Statt ins warme Bett gelegt, das mir, offen gestanden, doch ein wenig besser geschmeckt hat als das Moos im Wald, und hab dem Teufel ein Ohr weggeschlafen bis in den lichten Morgen hinein. Wie ich aufwache ist mein Vater ganz schüchtern in die Kammer hereinkommen und hat sich zu allem Guten offeriert: er wolle mich in einem mir anständigen Versteck behalten, bis ich ausgeruht sei, denn ich war fast hin vor Mühseligkeit und jahrelanger Entbehrung, und meine Hände waren übel zugerichtet, daß ich in die Länge nicht bleiben könne, werde ich selber einsehen, weil's für mich nicht sicher sei; aber er wolle mir Geld geben zur Auswanderung nach Pennsylvanien, er hab's nur just nicht parat – du weißt, er hat's nie parat, wenn's an Blechen gehen soll –, mir hat's aber auch nicht pressiert, weil ich ohne dich doch nicht gangen wär; ich solle inzwischen nach Sachsenhausen zu seinem Bruder gehen, der mich schon einmal gut aufgenommen habe und gern behalten hätte; unter der Zeit könne man ja weitersehen. Dabei ließ er einfließen, wenn er mit besserem Bedacht gehandelt hätte, so wäre manches anders ausgefallen. Du kennst mich: wenn man mir gute Wort gibt, so bin ich wie Butter. Zwei Wochen, wie ich dir sag, bin ich zu Haus still gelegen und ist mir nichts abgangen. Dann hab ich aber selber dem Landfrieden und der Frau Stiefmutter nicht mehr recht getraut, hab auch gedacht: und wenn ein Mensch das Fliegen lernte, so würd anfangs alles vor ihm niederknien und ihn anbeten, aber in vierzehn Tag wär's ihnen allen ein gemeinsames Wunder, um das sie nicht mehr viel gäben; hab mich also auf den Schrecken über meine Hohentwieler Flucht nicht zu sehr verlassen mögen. Mein Vater hat mir etwas Geld geben nach Frankfurt, und so bin ich fort, ohne daß meines Wissens der Amtmann nach mir gefragt hat. Wie ich bei deiner Mutter und den Kindern gewesen bin, das hast du nachher zu Haus selbst gehört. In Sachsenhausen ist mir's über die Maßen wohl gegangen, ich bin bei meinem Vetter wie das Kind im Haus gewesen, hab ihm geschafft, halb als Hausknecht, halb als Metzgerknecht, halb als Kellner, wie und wo man mich hat brauchen wollen, und wenn kein Ebersbach in der Welt wär, so hätt ich mir gar keine bessere Heimat wünschen mögen. Aber es hat mir fort und fort am Herzen genagt: daß mein Vater von seinen Anerbietungen gar nichts mehr hören ließ, hat mich verdrossen, und endlich hab ich von einem Landsmann erfahren, daß deine unfreiwillige Reise jetzt zu Ende sei. Über das fügt sich's einmal, daß ich Gäste bedienen muß, und wie ich ihrem Gespräch aus der Ecke zuhöre, so braucht einer zufällig das Sprichwort: Ein Mann, ein Wort, oder ein Hundsfott! Sieh, Christine, wie ich das gehört hab, bin ich eigentlich schon so gut wie fort gewesen. Mein Vetter hat sich ein wenig vor den Kopf gestoßen gezeigt, daß ich nicht gut tun wolle; ich hab ihm aber gesagt, es reiße mich wie mit eisernen Haken nach Ebersbach, er solle mich in gutem Andenken behalten und mir den Platz nur ein Tag acht offen lassen, denn ich möchte gern wiederkommen. In Ebersbach aber war der Wind gänzlich umgeschlagen. Mein Vater hat mich gar nicht vor sein Angesicht kommen, sondern durch seine Frau bedeuten lassen, ich solle mich fortmachen, ich würde ihn nur um Hab und Gut bringen. Was ich mit ihm für ein Abkommen treffen will, darüber muß ich mich noch besinnen. Bei deiner Mutter hab ich dann erfahren, du seiest wirklich frei und im Schulhaus zu Neckardenzlingen im Dienst. Darauf hab ich gleich den Stab weiter gesetzt. Wie ich gestern abend über die Brücke gehe, seh ich Kinder da spielen. Ich will freundlich auf sie zugehen. Sie aber mich erblicken und mit dem Geschrei: Der Sonnenwirtle! Der Sonnenwirtle! an mir vorüberstäuben, das war eins. Es hat mir weh getan, ich kann's nicht leugnen, zu sehen, wie mein Name den Weg vor mir fegt; aber ich hab's, wieder abgeschüttelt. Meine Lagerstatt hab ich im Wald genommen, bin heut im Zickzack durch die Wälder herübergewandert, und da bin ich jetzt bei dir. Und hier ist auch unser Nachtlager, sieh, da tauchen die paar Häuser im Halblicht auf. Es regt sich nichts mehr, nicht einmal ein Hund, die Leut sind arm und haben nichts zu bewachen. Jetzt fallen wir still und säuberlich in die Scheuer ein, und da sollst du im Heu ganz fein gebettet schlafen. Morgen ist dann das Erzählen an dir, denn für heut ist genug erzählt.


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