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Die Trinität

Es klopfte.

Hyacinthe öffnete.

Und herein trat eine sonderbare Prozession.

Voran schritt ein würdiger Greis in weißem Wattebart mit strahlend schönen Augen. Er trug einen weiblichen Morgenrock aus rotem Flausch, auf dem Haupt eine spitze Kaufmannsdüte, die mit goldenen Sternen beklebt war. In der einen Hand hielt er einen Käfig, in dem eine weiße Lachtaube untergebracht war, an der anderen Hand einen schönen Jüngling in römischer Tunika, dem ein hölzernes Kreuz auf den Rücken geschnürt war.

Hinter den Kreuz schritt ein Wunderrabbi in schwarzem Kaftan, der geheime Gebete murmelte und seinen Oberkörper ekstatisch hin und her warf. Ein alter preußischer General, Exzellenz, humpelte am friderizianischen Krückstock, links von einem Herrn vom Adel, der ein Waldhorn trug, rechts von einem harlekinisch geschminkten Tänzer gestützt.

Ihnen folgte ein neugebackenes Brautpaar auf dem Fuße, sie den Myrthenkranz, er den Zylinder auf der Stirn.

Er bewegte sich auf Krücken vorwärts.

Ihre Knie zitterten.

Er zählte 105, die Braut 91 Jahre.

»Liebling«, flüsterten ihre zahnlosen Lippen.

»Mein Süßes«, echote der Greis.

Er rückte die Brille zurecht:

»Mir scheint, du bist heute gar zu dekolletiert. Ich werde eifersüchtig.«

»Und du kokettierst mit der Schwester ...«

»Deine reizvollen Formen sollten nicht für jedermann sichtbar sein.«

»Dein Blick, dein Herz mir allein gehören.«

»Sehnst du dich nach mir?«

»Unsäglich.«

»Wann wird der Tag der Hochzeit, wann wird die Hochzeitsnacht sein?«

»Bald, Engel, bald.«

Sie traten seitwärts wie in eine Kulisse ab, und ein Mann in einer Soutane aus Sackleinewand kam zum Vorschein. Es war der Mönch vom Potsdamer Platz.

Er übergab mir sofort seine Visitenkarte, darauf stand zu lesen:

Salvatore Ciavolino, Bauchredner und Teufelsbeschwörer, Mitglied der Loge Axmadora, hält sich für den geehrten Herrschaften zum Teufelsbeschwören bestens rekommandiert und empfohlen.

Ein Mann in violettem Samtjacket schlich sich herzu und überreichte mir ein in violette Seide gebundenes Buch. In Silberdruck las ich den Titel:

A bis Z

Konversationslexikon der Geheimwissenschaften.

Ich schlug das Buch auf und blätterte – weiße, unbedruckte Blätter glotzten mir entgegen.

Das Buch war leer.

Der Theosoph aber ließ sich vernehmen:

»Einst wird kommen der Tag! Treten Sie dem »kommenden Tag« bei: D. K. T. Aktiengesellschaft zur Förderung geistiger und wirtschaftlicher Werte. Seele und Geschäft: das gilt bei uns gleichviel. Das Geschäft ist unsere Seele, und die Seele ist unser Geschäft. Kaufen Sie eine Aktie! Schon sind zehn Millionen gezeichnet. Zeichnen Sie eine weitere Million! In unserem Besitz befinden sich eine Zigarrenfabrik, eine Nährmittelfabrik, eine Schirmfabrik, ein erstklassiges Hotel, in dem sogar Gottvater persönlich abzusteigen pflegt, eine Rasierseifenfabrik, eine Sägemühle, eine Druckerei mit Verlag kommunistischer und monarchistischer Schriften, ein Tempel, ein Exportgeschäft, ein Trappistenkloster ... Probieren Sie unsere metaphysische Rasierseife! Sie werden fabelhaft eingeseift werden. Machen Sie einen Versuch mit unserer Zigarrenmarke Nirwana. Jeder Versuch führt zu dauernder Kundschaft.

Nirwana macht Ihnen den blauesten, den violettesten Dunst vor, den Sie sich nur vorstellen können ...«

»Herr«, schrie ich erbost, »hören Sie auf, gehen Sie schleunigst in Ihr Trappistenkloster!«

Der würdige Greis mit der Düte auf dem Kopf trat auf mich zu:

»Mein Name ist Gottvater. – Dies hier«, er wies auf den Jüngling an seiner Seite, »ist mein geliebter Sohn, wie er sein Kreuz zur Richtstätte schleppt. Dies mein tertium comparationis,« er zeigte auf die Taube, »der Heilige Geist in eigener Person, der bekanntlich geflügelt und eine Taube ist.«

Die Lachtaube im Käfig begann zu gurren und zu lachen, und ihr Gelächter artete in einen Lachkrampf aus.

Gottvater runzelte die Stirn:

»Der Heilige Geist ist wieder einmal vorlaut. Er macht sich über die Schöpfung lustig. Aber was kann man mehr verlangen von einem unvernünftigen Tier? Der Heilige Geist sch... ja sogar.«

Er musterte mißbilligend den Boden des Käfigs.

»Immerhin, was soll ich machen? Es ist der einzig echte, der einzig wahre Heilige Geist, mit ihm und meinem lieben Sohn,« er tätschelte den Jüngling, mit dem er in einem homosexuellen Verhältnis zu stehen schien, bin ich erst komplett als Trinität. – Wir sind gekommen, einem fremden Gott zu huldigen, der in diesem Raume weilen soll!«

Er sah sich suchend im Zimmer um.

Ich deutete auf Yenkadi, der weiß auf schwarz von der Wand leuchtete.

»Dort ist der Gott. Stumm, reglos – aber gewaltig und unbeirrbar regiert er seine Welt.

Sein Name ist Yenkadi.«

Die Trinität verbeugte sich ehrfürchtig.

Die Taube wackelte mit dem Sterz und zwängte ihren Schnabel durchs Gitter des Käfigs.

Gottvater verneigte sich, wie er es einst in der Tanzstunde gelernt haben mochte: altmodisch, als trüge er einen Gehrock: und als wäre Yenkadi sein Bürovorstand.

Der Jüngling lächelte schön:

»Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Niemand kehrt zum Vater denn durch mich.«

Der Teufelsbeschwörer imitierte eine Aveglocke: Bim – bim – bim.

Gottvater, die Taube in der Hand, Gottsohn, der Theosoph, das Brautpaar knieten nieder und bekreuzten sich.

Der Wunderrabbi dawwinte.

Der Tänzer tanzte.

Die Exzellenz salutierte.

Der Herr von altem Adel blies auf dem Waldhorn den Choral: »Lobe den Herrn.«

Dämmerung sank ins Zimmer.

Auch Hyacinthe hielt die Hände gefaltet.

Yenkadi leuchtet weiß auf schwarzem Grund.

Da faltete auch ich die Hände.


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