Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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Ich erstand doch einige Blechmünzen oder Holpfennige, blos um sie in die Höhe zu heben und zu sagen: das ist die wahre erlaubte Devalvazion, wenn in der Münze mehr Luft ist als Blech. Bischöffe, Aebte, Aebtissinnen sollten ihr Münzrecht besser benutzen und gar nichts anders schlagen: eine so erbärmliche magere Münze würde mehr an das Christenthum und die Eitelkeit aller (metallischen) Dinge erinnern als die Bücher, die Kreutze und Kirchen, womit man die geistlichen Münzen puzt. Ich drehte die Blechmünze um und ersah an der innern holen Seite kein Gepräge: aber ich machte keine neue Betrachtung darüber, sondern fuhr in der alten fort und brachte zulezt heraus, daß die Fürsten Hexengeld machen können. Es giebt aber im Grunde nur zweierlei Hexenmünzen; die eine Art ist die der Heckthaler, die das Geld ärger vermehren als der Geiz, ohne daß man nur weis woher; und weiter hat auch ein Fürst nichts vor, wenn er entweder durch ein Edikt oder durch das Gepräge z. B. alle Dreibätzner des ganzen Landes in Vierbätzner verwandelt; es soll nemlich einer als ein armer Teufel zu Bette gegangen, als ein reicher, wenn er die Münzerhöhung im Zeitungsanhang lieset, wieder auferstehen. Die zweite Art von Hexenmünzen fressen wie ungerechtes Gut das andere Geld weg, und man wird blos dadurch arm daß man Geld hat: das ist die eigentliche bekannte Devalvazion, durch die ein Regent dem guten Vater gleich wird, der zwar dem Kinde einen einzigen Rechenpfennig 2, 3, 4 mal in die Hände drükt und iedesmal sagt »da hast du wieder einen Pfennig« der aber doch ihm zulezt devalvierend bekennt: »es ist nur Ein Rechenpfennig, die andern 3 sind verschwunden.« Ja dieses herabgesezte Hexengeld nimmt der Regent aus Liebe zu den verarmenden Unterthanen, gern in seiner Münze an und schlägt die bessern Heckmünzen daraus, deren ich viele meinem Satler, meinem Reitknecht und meinem Hofmeister schuldig bin. Da die Venus die unbekannte Oberin und Koadjutorin von vielen Thronen ist: so will der Inhaber von beiden durchaus haben, daß sie auch auf allem Gelde neben ihm in der Gestalt des Kupfers mit residire, das die Chymisten mit dem Namen Venus längst bezeichneten und es ist die stärkende Eisenkur des Staats. Uebrigens kann es dem filzigen England keine sonderliche Ehr machen, daß fast alle europäischen Länder es im guten Schrot und Korne überholen, in denen es etwas gemeines ist, daß man die Silbermünzen gar mit Golde versezt und fast so mehr Gold als Silber daran thut; daher man solche Silbermünzen wirklich überall Goldmünzen nennt. Die Kupfermünze hingegen wird mit so vielem Silber legirt, daß sie mit Fug und Recht Silbermünze heißet, und wir haben deswegen auch keine andere Silbermünze. Oft sieht man auf Fürstend'or den Durchgang der Venus (Kupfer) durch die Sonne (Gold); oft macht auf 1 Goldstück der Beitritt der Luna (Silber) diese Planetenkoniunkzion noch vollständiger. Man wünschet umsonst, es wäre in England eben so.

Bei tapfern Völkern z. B. bei den Spartern waren die Münzen zugleich Waffen, so lang waren sie: bei uns die wir fast noch tapferer sind, dienen sie auch dazu, so kurz sind sie, die Münzen; und mit solchen Waffen wird neuerer Zeit gar oft der stärkste Feind – man schiesset ihm blos die Hand, den Beutel und die ganze Kleidung mit solchen Kugeln voll – zum Frieden genöthigt. Von diesem kriegerischen Gebrauch des Geldes leitet eben nicht ieder Philosoph sondern nur, der gegenwärtige es her, daß auf der Kehrseite des Geldes die Wappenthiere über einem Nest von Waffen brüten, allein warum nicht? Vielleicht deswegen weil selten vernünftige und angenehme Menschen in Münzversteigerungen stehen und auf keinen Heller bieten, und mithin in ihren Münzbetrachtungen dann auf die obige kommen können, wenn gerade Kriegs- Siegs- und Friedensmünzen loßgeschlagen werden.

Der Proklamator rief einen ächten kupfernen Otho aus, den fast die ganze lebendige Stufensammlung der gegenwärtigen Nusmismatiker anbeten wollte, als wär' er noch ihr fleischerner König. Ein vernünftiger Magister aber fischte den Otho uns allen weg; er thats im Namen und mit dem Gelde eines nürnbergischen Patriziers, der alle Monate seine Prunkküche und sein Münzkabinet aussott und an dessen Kupfergeschirr und Kupfermünzen nicht soviel alter Firniß sas, daß damit eine Raze wäre zu vergiften gewesen. Da wir indes alle um den Otho traten: so dankte ein alter Antiquar hinter mir seinem Gott, daß er den Otho nicht erstanden hätte, »denn es wäre, sagte er, nur ein alter Nero, an dessen Namen, Haaren und Angesicht der Verfälscher so lange gekrazt hätte, bis er wie ein Otho ausgesehen.« »Eine solche Umstempelung eines Nero in einen Otho, sagte der Antiquar zu mir und wollte mich belehren, ist ein verfluchter aber gemeiner Betrug eigennütziger Münzkenner.« – »Auch der Hofleute,« sagt' ich. In Nürnberg sagte man mir, den Nero, den der Falsarius verothonet hätte, habe der Patrizier gar übergoldet und man wisse zur Zeit noch nicht wo dessen Avancement stille stehen werde. Noch mehr: der Patrizier hat – da er neulich einen stählernen modischen Rockknopf mit einem französischen C. auf dem Wege nach Erlang aufstöberte und er ihn für nichts anders als eine alte Münze halten konnte – etwas Numismatisches und Philologisches über das römische C. unter der Feder und der ganze Knopf ist schon sauber abgestochen.

Da so viele Denkmünzen auf Fürsten, auf ihre Geburt, auf ihre Vormundschaft, auf ihre Verehelichung, auf ihre Krönung, auf ihren Tod, auf ihre Siege vorkamen: so wollt' ich auf kameralistische Betrachtungen verfallen und fieng – es gieng aber nicht – so an: Ich weis so gut als irgend ein Rock, der in einem Vorzimmer aufpasset, daß der Fürst ein Landesvater ist, der seinen Kindern, den unapanagirten Unterthanen wie ein guter Vater wenig mehr Geld lassen soll, als blos zum Spaße oder wenn sie einen neuen Rock und neue Taschen anbekommen, und das blos um sie zum Besitze und Sparen des Geldes abzurichten – ich müste auch meine Pandekten gar zu schlecht gelesen haben wenn ich nicht wüste, daß mithin dieser Vater wie ieder römische seine Kinder – und das geht biß zum Urenkel – für eine nützliche Art von Sklaven ansehen kann, deren Höfligkeit, etwas eignes zu besitzen, und deren Freiheit und Emanzipazion wahrhaftig noch nicht da sein kann, nach dem sie nicht öfter nach Amerika, Asia, Afrika und Europa verkauft worden als Einmal, da das römische Kind 3 mal verhandelt wurde: – Allein ein Fürst, bis zum gefürsteten Abt herunter kann nicht allemal (er wisse immerhin, es sei seine Pflicht) durch orientalische – sinesische – persische – siamische und afrikanische Mittel das Vermögen seiner Unterthanen erheben und einkassiren: sondern es ist genug und er thut schon seiner Pflicht Genüge, wenn er blos Finanzkammerräthe und Hebungsbediente anstellet, die sich als gesunde einsaugende Gefässe am Staatskörper aufführen und die von Zeit zu Zeit so viel von ihren Replezionen als sie mit der Hand fassen können, auf seinen Thron hinauf werfen. Freilich machen wir iezt wenig oder nichts aus dieser nüzlichen Amputazion unsers Vermögens, die uns dadurch zuwächset: allein wir würden den Werth einer solchen Amputazion schon mehr zu schätzen wissen, wenn wir nur iemals so unglücklich gewesen wären, aus eigner Erfahrung (nicht blos aus vagen gedruckten Schilderungen) zu wissen, wie es in solchen Ländern hergeht, wo man den Unterthanen alles lässet und wo die Kammerräthe nichts nehmen.

Bei so vielen fürstlichen Köpfen fiel mir des Steuereinnehmers seiner ein, für den ich vor vielen Jahren eine Defension geführt hatte, weil weder er noch ich wollte, daß er ins Zuchthaus sollte: die Kammer wollt' es nämlich, weil er die Landesherrliche Kasse so sehr wie seine eigne geliebt und geleert hatte. Allein ich sagte in der bekannten Defensionsschrift, ich hätte verschiedene kleine Reisebeschreibungen gelesen und wüste also recht wol der Welt Lauf, besonders der Landesherrlichen Kassenbedienten ihren. Ich hätte beim Steuereinnehmer oft abends gegessen und wüste mithin, wie wenig er aus dem Gelde mache und wie gern er es zum Fenster hinauswerfe, wenn er voraussehe, daß es in der Gestalt eines ausländischen Gerichts oder eines Korb Weins wieder zur Hausthür hineintrete. Ich folgerte also, daß er seinen anziehenden Pol (statt des zurückstossenden) an die Steuergelder aus einer ganz andern Liebe gehalten hätte, als der zum Gelde, das er so wegwärfe – nemlich aus der zum Fürsten selbst. Das sollte aber in den Akten bemerkt sein. Seine Liebe gieng wie bei iedem Liebhaber so weit, daß er Tag und Nacht auf ein Bild, auf eine Silhouette des geliebten Obiektes aus war und zwar auf eine recht dauerhafte Abbildung aus würdiger Materie, wofür ich und er Gold und Silber halten: diese Abbildungen des Fürsten hatte er nun in seiner Steuerkasse ganz an der Hand und er eignete sie sich natürlich zu und that sich auch nach frischen um, wenn ihm die alten ab Handen gekommen waren. Ich bezeugte in der Defensionsschrift, hätt' ich ein Ding auf meinen Haaren, das meine Kollegien keinen Fürstenhut sondern eine Fürstenkrone nennen dürften, so würd' ich solche Evakuazionen meiner Kasse in die Rubrik des Diebstahls bringen, den der Stutzer am Schnupftuch einer Schönen verübt und für den er wie Sokrates sich die Strafe selbst diktirt, nemlich eine Belohnung. Endlich versichert' ich, ich hofte nicht, daß man übrigens dem Steuereinnehmer auch den Meineid, den er dabei hätte begehen müssen, aufmuzen würde, da ein Eid ia kein Ehrenwort wäre, das man halten müste und er überhaupt einen Mann so wenig binden könnte, daß die Fürsten sich seiner, als eines zu brüchigen Siegellacks in ihren Verträgen iezt gar nicht mehr bedienen möchten, und ihn den Gerichtshaltern und Amtleuten überliessen, die aber ihrer Seits wieder versicherten, auch sie könnten mit diesem künstlichen Beweis nichts rechts in wichtigern Dingen anfangen, und sie liessen daher am häufigsten bei den kleinsten Kleinigkeiten schwören und den Juden die Hand bis an den Knorren ans Gesetzbuch legen, wie die Reichskammergerichtsordnung Th. 1, Tit. 98. ausdrücklich verlange.Die Juristen nennen mit Recht den Eid eine Tortur der Seele. Aber eben die stoische Gelassenheit und Apathie, mit der wir iezt diese Folter ausstehen und uns oft von freien Stücken und zur Uebung in der Standhaftigkeit, auf sie hinlegen, sollte dünkt mich für uns alle ein willkommener Erfahrungsbeweis sein, daß die Stärke unsers Geistes und Gewissens gerade im umgekehrten Verhältnisse mit der Stärke unsers Körpers gewachsen sei, nicht gesunken; das Gewissen des elendesten Lakaien hat in unsern Tagen eine Gesundheit und Abhärtung gegen die besagte Folter erlangt, die sonst dem geübtesten Welt- und Staatsmann fehlte.

Jezt gieng ich gar nach Hause, weil auf einmal in meinem heitern Kopf das Gedankenwölkgen (es dehnte sich zulezt über den ganzen Kraniumshorizont aus) aufstieg, daß ich hier die Münzen blos darum philosophisch betrachtete, weil ich selber keine hätte – und in diesem schlechten Humor würd' ich zu Hause die Münzbetrachtungen niedergezeichnet haben: wär' er nicht wieder unendlich durch einen magern Betler verbessert und belebet worden, der auf einem unbeschreiblichen Pferde sas und damit nach Allmosen vor den Thüren herum ritt – die Knie waren seine Lenkzügel und eine Hausthür war sein Burrrr! – Das Pferd wuste nichts von Hülfen, noch von Hülfe – es beherrschte seine Leidenschaften ganz – und der Reiter es selbst – ich glaube nicht, daß das Pferd vor meiner Hausthür sang oder einen Bettelbrief vorwies oder einen Armeneid ablegte – aber iede milde Seele muste eher an das Trauer- und Steckenpferd denken, als an den Obensitzer – der Obensitzer war nämlich an beiden Beinen meistens verdorben und hatte sich eben deswegen zu seiner Lebenswalfarth statt zweier Stelzfüsse auf die 4 Roßstelzfüsse gebracht und geladen – einen lustigern Anblick giebts in der Welt nicht, und so ists auch mit der Beschreibung, die man vom Anblicke macht – aber auch auf der andern Seite kenn' ich kein iammervolleres Geschöpf, ich meine unter den Pferden.

Diese Welt ist so sonderbar, daß einer der beiden ernsthaftesten und traurigsten Sachen humoristisch und bei den niedrigsten und lächerlichsten sinnend und feierlich ist, eben dadurch philosophirt und der Mittel und der schnellste Weg, den Demokrit und den Heraklit recht weit zu überholen etc. ist, beide Männer in einem Athem zu machen.


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