Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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V.

Unterthänigste Vorstellung unser, der sämtlichen Spieler und redenden Damen in Europa entgegen und wider die Einführung der Kempelischen Spiel- und Sprachmaschinen

P. P. Es ist mehr als zu wol bekannt, daß vor einiger Zeit zwei sonderbare Maschinen, wovon die eine spielte und die andere sprach, die grosse Tour durch Europa machten, und in den besten Städten abstiegen. Herr von Kempele leistete beiden Europasfahrern als Spiel-Sprach- und Hofmeister auf ihren Reisen so gut Gesellschaft als er konnte, und machte nicht wie tausend schlechtere Hofmeister ein Geheimniß daraus, daß er seine Eleven selbst gemacht. Indessen konnte doch niemand dazu ein besonderes saures Gesicht machen, dazumal diese Maschinen Jung und Alt durch ihre Uneigennützigkeit völlig hinrissen: denn es ist keine Erdichtung, sondern von hundert Zeugen bestätigt, daß sie von den ansehnlichen Summen, die ihnen für ihr Reden und Spielen einliefen, keinen Pfennig für sich behielten, sondern alles ihrem armen Vater, dem Herrn von Kempele ohne Überwindung zusteckten.

Zum Schaden der halben alten Welt gefiel dem leztern diese Schenkung unter den Lebendigen ganz. Er fragte seine Freunde, ob nicht so eine Grosmuth allemal im Stande sei, ihn besonders einzunehmen und zum Entschlusse anzufrischen, die Welt noch mit tausend solchen gut denkenden Maschinen zu besetzen? »denn an großmüthigen Wesen fehlts der Erdkugel recht« sagte er und meinte uns. Allein, wir halten es für unsere erste Pflicht, zu bezeugen, daß wir unsers Orts noch Menschen von beiden Geschlechtern genug kennen, so wol gemalte als geschnizte und auch in Wachs bossirte, die so gern verschenken wie Fürsten und es ist ia noch in der besten Menschen Angedenken, daß ein rechtschaffenes Marienbild im Franziskanerkloster zu Wien sein ganzes Mobiliarvermögen zu 100000 fl. so willig als wärens Haare, dem Kaiser überlies. Es wäre aber hart und einfältig, wenn man läugnen wollte, daß auch andere Klöster solche gutgesinnte Bilder der Maria in Menge bilden und beherbergen.

Was aber uns Damen und Spielern allzunahe angeht, ist, daß er uns Brod und Arbeit aus den Händen schlagen will. Denn es muß aus dem Wiener Neuigkeitenblatt schon der großen Welt bekannt sein, daß er um ein Privilegium eingekommen, die ++ Staaten mit Spiel- und Sprachmaschinen blos aus seiner Fabrik zu versorgen; den Menschen ist auch der Name der Gasse kein Geheimniß mehr, worin der Pallast steht, den er zur Anlegung seiner Maschinenfabrik zu erkaufen strebt. Desgleichen sollen sogleich auf die erste Messe so viele Sprachmaschinen versendet werden, daß man bis an den iüngsten Tag gar keine Damen mehr vonnöthen hat, welche reden und in Auerbachs Hof will er persönlich zur Probe mit einer weiblichen Sprachmaschine am Arm öffentlich herumrücken, welche um Galanteriewaren so lange feilschen soll, bis sie selbst abgekauft wird. Eben so will er alle mögliche Sortiments von Spielern zusammen setzen, durch alle Hazard- und Komerzspiele hindurch, so daß der schlechtste Kerl bei ihm nach Maschinen soll fragen können, die um 3 Pfennige Einsaz »labeten, ohnedaß Daus und Neune fortgeht«: er hat seine böse Absicht erreicht, wenn durch diese Veranstaltung künftighin an allen Spieltischen in den Assembleen und an allen Spieltafeln in den Dorfschenken keine einzige lebendige Seele mehr sizt.

Sollen wir aber zur allgemeinen Einführung von Maschinen still sitzen, die durch die grössere Dauer und Güte ihres Redens und Spielens uns völlig ruiniren müssen? Uns dünkt in andern Handwerken litt man bisher den Gebrauch solcher, zu arbeitsamer Maschinen nicht.

Schon von ieher brachte man Maschinen zu Markt, welche die Menschen ausser Nahrung sezten, indem sie die Arbeiten derselben besser und schneller ausführten. Denn zum Unglück machen die Maschinen allezeit recht gute Arbeit und laufen den Menschen weit vor. Daher suchen Männer, die in der Verwaltung wichtigerer Aemter es zu etwas mehr als träger Mittelmässigkeit zu treiben wünschen, so viel sie können ganz Maschinenmäsig zu verfahren, und wenigstens künstliche Maschinen abzugeben, da sie unglücklicherweise keine natürliche sein können. An vielen Orten durfte man die Einführung der Bandmühle nicht wagen, weil unzählige Bandweber zu verhungern drohten. In Kemniz kamen vor kurzem alle Spinner und Spinnerinnen mit einer deutschen Vorstellung gegen die neuen Spinnmaschinen ein, die besser und mehr als 25 Menschen spinnen und weder zu Nachts noch (da sie nimmermehr Glieder der unsichtbaren Kirche sein können) am Sonntage abzusetzen brauchen. Die Bücherkopisten in Konstantinopel halten nur darum noch nicht den Bettelstab statt der Feder in den Händen, weil da noch keine Drukerpressen gehen; und wenige von uns standen noch den Hunger der Mönche aus, deren Abschreiben durch die Erfindung der Druckerei entbehrlich wurde: daher sie mit Recht sagten, den Erfinder derselben, den D. Faust, hätte leider der Teufel unstreitig geholet und es war nur gut, daß sie sich noch durch das Malen der Anfangsbuchstaben in gedrukte Bücher hinfristeten. So ist noch bis auf diesen Tag die BüchermaschineGulliver sah in Lagado eine Maschine, die gewisse in ihr liegende beschriebene Zettel, wenn man sie umdrehte, so untereinander warf, daß ieder, dem man sie hernach vorlas, freilich nicht wissen konnte, ob er ein gewöhnliches Buch höre oder nicht. in Europa unnachgemacht geblieben, deren Zusammensetzung Swift oder Gulliver allen Buchhändlern unfehlbar in der lieblosen Absicht so deutlich beschreibt, damit ähnliche europäische leichter darnach gezimmert und dadurch gutmeinenden Autoren, die sich bisher vom Büchermachen beköstigten und kleideten, ein iämmerlicher Garaus gespielet würde; denn die leztern haben sich auf nichts anders eingeschossen. Sonst ists freilich unläugbar, daß eine solche Maschine in Menge und ohne Honorar (der Kerl der sie drehte, wäre fast mit nichts zufrieden) recht gute Sonntagspredigten, Monats- Quartal- Kinder- und berlinische Spasschriften für den Druck abfassen müste. – Stündlich erschiessen und ertränken sich gute feine Herren halb in Ernst. Allein, wenn die Polizei sich darwieder sezte, daß so viele Damen sich statt ordentlicher Menschen Maschinen das ist: sogenannte Schooshunde, Schooskazen und Schoosvögel – denn die Thiere sind schon nach Descartes, gutgearbeitete Maschinen und bringen wie alle Maschinen, gewisse menschliche Verrichtungen z. B. Sehen, Hören, Riechen, Lieben, Hassen weit geschickter und besser zu stande – zu Liebhabern erobern und wählen: so könnten einige von den ersofnen feinen Herrn, die durch iene Maschine ausser Gebrauch gesezt worden, wirklich noch am Leben sein. Daher ist ohne einen strengern Hunds- und Kazenschlag an eine allgemeine Liebe der Damen für ihre Anbeter vor der Hand gar nicht zu gedenken, und ieder Schooshund, den man nicht erschiesst, wird durch einen Chapeau erkauft, der dafür sich wiederschiesset. – Endlich, was sonst als die betrübteste Verhungerung so vieler Barbiere, die iezt ganz vergnügt auf dem Reichsboden und weiterhin grasen, konnte die Menschen von einer Ausbreitung der BartrosmühlenDie Bartrosmühle (S. Krüniz ökonom. Enzyklopädie B. III.) ist ein rundes Gebäude mit Kopflöchern, in die ieder seinen Bart hält, der ihn weghaben will; innen treibt ein Pferd ein Horizontalrad, woran die Scheermesser in verschiedenen Richtungen sitzen. In 1. Minute kann sie eine ganze Fakultät von 60 Bärten überscheeren. abmahnen, die so weit hätte gehen können, daß in iedem Gasthof eine für die Werber und ihre Rekruten gestanden hätte? Denn nur wenig menschliche Wesen rasiren so schnell wie sie, und wenns sonst der rasirende Gaul aushielte, so wäre mit einer die ganze Judenschaft, die sich vor dem Einbruche des iüngsten Gerichtes taufen lässet, in ein paar Stunden zu scheeren. Ist indessen das ihr geringster Vorzug, daß sie nicht wie Millionen Barbiere blos den Bart, (sie thuns freilich, um iede Woche etwas zu scheeren zu haben) sondern auch die Wurzel und den Boden des Unkrauts selbst, nämlich das ganze Kinn leicht herunterzuschneiden vermag? das ist etwas, was selten ein geschickter Barbier mit ihr gemein hat; an ungeschickte ist gar nicht zu denken.

Wir hoffen darzuthun, daß bei uns Damen und Spielern der nämliche Fall einträte, wenn das Reden und Spielen durch Maschinen ausgerichtet würde. Die erstern werden zuerst ihre Vorstellungen beizubringen sich erdreisten.

Bekanntlich ist ieder Ort ganz voll Sünden; die iungen Leute legen sich auf Jugendfehler und die alten auf Schwachheitssünden, und wenn ein Pfarrer da ist, so sucht der ieden Tag seine Lust gar in einigen peccatis splendidis. Allein, kaum ein Achtel dieser Sünden wird vor einen weltlichen oder geistlichen Richterstuhl gezogen: denn die wenigsten kann man beweisen, z. B. die schlimmen Absichten des Kammeriunkers, oder bestrafen z. B. das peccatum splendidum des Pfarrers, der seiner Frau in der vorigen Messe oft die besten und theuersten Kleidungsstücke nicht kaufen wollte. Es legten daher viele polizirte Völker bei Zeiten einen neuen Gerichtshof an, der sich ordentlich mit der Untersuchung und Abstrafung solcher kleiner Verbrechen begäbe; er wird gröstentheils von uns Damen formirt und wir richten oder verleumden – wiewol man den leztern Ausdruck besser gar abkommen liesse, da man mit ihm doch so wenig wie mit den Worten Schuft, Pfaf etc. noch den alten edlern Begrif verknüpft – fast alle Tage; denn wir haben nicht einmal Kanikularferien. Man heisset unser Gericht auch das Splittergericht. Wir hielten bisher ordentlich, nicht nur ieden Sonntag, wie in Venedig der große Rath, sondern auch an Werkeltagen Session, oder wie man gewöhnlich sagt, Assemblee, und erschienen ohne unsere Amtskleider selten. Wenn verließ uns gewissenhaftes Bestreben nach der Auskundschaftung der geringsten Fehler? Besoldeten wir nicht gern unsere fiskalischen Advokaten, wozu man sonst in Rom Jünglinge, und wir alten Frauen und Friseurs gebrauchten, die nicht wie andere Fiskale die Vergehungen der Reichen und Mächtigen anzuklagen scheuten? Unsere Denunzianten kennt die Welt, und der Satan die Wienerischen. Wir thaten oft selbst Haussuchung nach den Mängeln iunger Ehe- und Schulleute. Wir sezten endlich auch gute Erdichtungen (sogenannte iuristische Fikzionen) nicht immer bei Seite, durch die man die meisten Fehler an Unschuldigen ertappen kann, und da die Juristen einen doppelten Betrug den Guten und Bösen (dolum bonum et malum) zulassen, so wechselten wir mit beiden nach Befinden. Wir wollen hoffen, daß wir in der Züchtigung der Fehler nicht verdroßner, als in ihrer Erforschung verfuhren. Viele werden vielleicht den Willen aber nicht das Vermögen haben, es zu unserer Schande hinlänglich darzuthun, daß wir iemals ein Verbrechen in unserer Stadt – von der Sünde gegen den heiligen Geist an, bis zu den Gedächtnißsünden herab, die der erste Minister oder sein Sekretair iede Terzie verübt (welches man an einer Terzienuhr gut beobachten kann) – mit der gehöri gen Infamienstrafe verschont hätten, die wir mit der Zunge richtig vollstrecken. Die griechischen Richter bestach oft bloße Schönheit des Leibes: allein, wir verachteten niemals unser Amt und seine Pflichten so sehr, daß uns sogar Schönheit der Seele zur Nachsicht hätte vermögen können, sondern wir widerstanden ganz gesezt. Kein Richter sollte sein Amt zu seinem Nebenwerk heruntersetzen: wir vermochten das wenigstens niemals über uns selbst, sondern opferten dem unsrigen gern Zeit, Oekonomie und alles auf. Da kein Gericht blos aus Einer Person bestehen darf: so soll uns Herr von Kempele beweisen, daß iemals Eine Dame allein ein Splittergericht formiren wollen: zur bessern Handhabung der Gerechtigkeit musten allzeit einige ungelehrte Beisitzerinnen wenigstens unterschreiben; oft war indessen auch die ganze Stube voll Richterinnen. – Der König von Loango muß bei ieder rechtlichen Entscheidung einmal trinken, und es ist dann so viel, als wenn er das kleine Insiegel darauf sezte, oder als wenn er Verstand dabei bewiese: allein Herr von Kempele muß oft selbst dabei gesessen sein, daß wir ohne Thee, Limonade, Wein etc. selten richteten; zum wenigsten aßen wir etwas weniges dazu. – Nach den meisten Juristen thut die Unwissenheit der Rechte uns wenigen Schaden, sondern nur den Männern: aber nach dem Juristen Toullieu (Leyser Specc, CCLXXXIX) sizt eben den Männern, aber nicht den Weibern Unwissenheit der Rechte gut. Vielleicht hält sich auch hier die Wahrheit in der Mitte auf und die Richter fahren am vernünftigsten, die weder nichts noch viel, sondern wenig von den Rechten zu wissen suchen: wenigstens schien eine solche Halbwissenschaft recht für uns Damen zu passen. Endlich haben wir zwar unser iüngstes Gericht, das auch bloße Gedanken verurtheilt, an sehr verschiedenen Orten zu halten gewagt; bald unter dem Thore wie die Hebräer, bald auf dem Gottesacker wie die alten Norweger, bald in unserem Kopfe wie das Gewissen, bald im Tempel wie die Deutschen vor den Zeiten Karls des Großen: allein, das ist ganz gleichgültig.

Wer daher schriebe, wir ständen unserem Richterstuhle viel zu schlecht vor und die Sprachmaschinen müsten sich darauf setzen: der löge ungemein.

Er könnte freilich fortfahren und diesen Spies wider uns selbst halten und sagen, wir und die Sprachmaschinen könnten glücklich mit einander zugleich auf der Richterbank sitzen und mit wechselseitiger Aufklärung die besten Entscheidungen gebären: allein, es geht nicht und wir wollen den Augenblick zeigen, daß die Maschinen (wie alle Maschinen) so gut richten würden, daß es mit uns bald aus wäre.


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