Jean Paul
Auswahl aus des Teufels Papieren
Jean Paul

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VI.

Unvergeßliche Entlarvung des Teufels

Der Teufel ist überhaupt nicht so schwarz als ihn die Maler und die Komödianten machen und Leute die ihn genauer kennen, machen Glieder an ihm namhaft, die blond sind. Er ist ein aufrichtiger und thätiger Feind, ein wahrer Vater seiner Kinder und liebreich gegen alle leblosen Geschöpfe und spielt ehrlich genug; man kann von ihm beweisen, daß er nicht nur ein Exiesuit ist, sondern auch ein Jesuit und in der ost- und westindischen Handelskompagnie in Rom, in der propaganda schreiet er »Halb Part«. Um die ganze Welt möcht' er so zu sagen kein Maulchrist sein, sondern er will lieber in die Kirche springen, da aus lobenswerthen Gründen einen aufmerksamen Zuhörer abgeben, ich meine von der Musik, ein altes Lied aus dem Gedächtnis mitsingen, um dadurch einen Nachbar irre zu treiben der ein verbessertes flötet, und ein Kind im Unterleib zwicken, damit es in das Geschrei des Pfarrers schreie, und endlich sich fast gebessert wieder fortmachen: ich könnte etwas ähnliches von mir und andern Christen ohne Pferdefuß betheuern, allein es leben Menschen die dächten, mir wär' es hauptsächlich um Spas zu thun. Sogar den Rock der Gerechtigkeit wollt' er einmal anversuchen, allein dieser saß ihm um drei Ellen zu kurz »und in einem Priesterrock, sagt' er, sähe man doch nicht aus wie ein Narr, so lang sei solcher.« Sonst diente der Teufel als beständiger Brautführer der christlichen Braut oder Kirche und die Päbste hatten ihn lieb: allein wenn er iezt als der schwarze Verschnittene über iene wacht, so ist das noch eben so viel Ehre. »Der Mann ist gut und hört doch nicht auf zu zahlen« sagte zu mir ein Genfer Kaufmann, und er wird wol den Teufel gemeint haben. – Allein was steht nun in der Gewalt angesehener Autoren, wenn unzählige den Karakter des Teufels zweideutig machen und einen Eid thun wollen, er ziehe mit Pferdefüssen herum und mit Hörnern und mit einem Schwanze, dessen Spitze wie eine Puderquaste aufrecht stehe und ans Hinterhaupt hinauflange, das sie mit poudre à canon vollpudere? Am besten ists, die Autoren scharren die Quelle dieser Verläumdung zu: allein es kanns keiner als nur ich.

Gestern Abends nämlich zwischen 11 und 12 Uhr klopfte der Teufel, der bei Büchermachern sonst nur Visitenkarten (nämlich Bücher) abgiebt, in Person an; ich hatte ihn länger nicht gesehen als in 7. Wochen. Ich wollte gerade von neuem zu einem schlauen Titel dieses Buches ansetzen; deswegen must' ich ihn ersuchen, daß er ein wenig passete und mich dieses gefährliche Geschäft mit der zusammengesezten Anspannung aller Seelenkräfte, des Verstandes, der Vernunft, des Witzes, des Gefühls und der Erinnerung vollführen liesse, da ein Titel, sagt' ich, nicht so hurtig und so obenhin sich machen lässet, als etwan ein Buch. Indes gerieth er auf mein Hauspositiv; und meines musikalischen Erachtens greift der Teufel einen feinen Choral, ob ers gleich in der Bosheit that, um mich irre und meine Frau, die daneben schlief, vergnügt zu machen. Endlich kams zwischen uns zu einzelnen Worten und zulezt zum fortlaufenden Gespräch. Wir sprachen von hundert Dingen, von Pestilenz und theuern Zeiten und Kriegsnöthen, und Kriegssteuern auch von meinem Buche, und ziemlich lang vom Herrn Leser selbst, den ich bei dieser Gelegenheit (es scheint meine bloße Pflicht gewesen zu sein) in das allervortheilhafteste Licht schob und brachte; ich pries seine Talente – sein Herz und andere Eingeweide – alle Theile, woraus er nach der Methaphysik besteht – und seine gute Lage, angesehen wir Autoren uns für ihn fast todtgeschrieben; ich sagte, er sei kein wahrer Filz, sondern kaufte aus dem Buchladen Bücher, um sie nicht zu lesen, und lese aus der Leihbibliothek Bücher, um sie nicht zu kaufen – ich machte am Ende den Teufel in ihn völlig vernarrt.

Und in der That wars so gut als hätt' ich 35 Ehren- oder Gedächtnißmünzen auf den Leser geschlagen, da ich sagte: »Er ist so pfiffig wie Sie, und Sie sollten seine entsetzliche Bibliothek sehen, von der der Kalif Omar ganze Ballen nehmen konnte und damit ein halbes Jahr nicht sowohl sein Herz erwärmte als Bad-Stuben. Seine Weisheitszähne sind nicht kurz und sein philosophischer Bart ist so lang als mein Zopf. Ob er gleich nur ein konkretes und abstraktes Wesen sein muß, d. i. ein von tausend lesenden Menschen abgeschundener Begrif – und in dieser Rücksicht mein ichs, wenn ich den elendsten Wind glücklicher preise, der doch sein Dasein und einen ordentlichen Raum und mehr schlafende Monaden hat als ein Kloster wachende – so sizt er dennoch seit der Erschaffung der Welt in einem harten Sessel und lieset alles was herauskommt, von Noah bis zu mir selbst, es mag dran sein was es will und wie Machliabechi, auch das iämmerlichste Buch und fragt nichts nach Format und Druck. In dieser unverrückten sitzenden Verfassung must' er sich ganz natürlich mit so viel Kenntnissen vollschlingen und ansaugen, daß ehrliebende Autoren es für die größte Schande hielten, für iemand anders als für ihn ihre unentbehrlichen Bücher zu ediren, und keiner von uns mag für kleine Kaufleute, Pastetenbäcker und Haarkräusler nur eine Feder eintunken. Und in der That wär' es möglich und sein Verstand oder sein Geschmack oder seine Gelehrsamkeit nur im mindesten schlechter, als sie sind: so möcht' ich wissen, wie er dann einen Klopstock, oder Sterne, oder Kant völlig fassen könnte. Wie gesagt es ist iammerschade, daß er nicht lebt.« Auch auf den Rezensenten prest' ich wider meine Ueberzeugung ein dünnes Lob hervor, weil ich merkte, daß ihn der Teufel schäzte: ia ich bat diesen, ihn zu holen.

Auf einmal that er nach dem Athem den hastigen Zug, womit man gewöhnlich zum frischen Sprechen ausholt, wie man etwan die Blasebälge der Orgel wehen hört eh' sie selber tönet. Er lies aber den eingefangnen Athem ohne Reden und Nutzen wieder aus; »Sie wollten was sagen?« sagt' ich. »Ihren weiten Stiefelknecht wolt' ich blos haben«, versezte er. Ich langt' ihn hin und er zog auf ihm – denn mich hatte er alzeit in der Drapperie und der poetischen Einkleidung des Schwanzes, Pferdefusses etc. besucht, – zu meinem unaussprechlichen Erstaunen seine Pferdefüsse wie alte Stiefel aus. »Das sind blos, sagte er im Heruntertreten vom Stiefelknecht, meine uralten Halbstiefel und sie gehörten dem Pferd des Alexanders an. Ich war der erste der auf Pferdefüssen gieng und nur auf zweien: aber Menschen von Stande regen sich auf weit mehrerern, und wer 32 Ahnen hat, der kann seine Bewegung um die Axe und um die Erde ohne 32 Pferdefüsse gar nicht verrichten, daher kömmts, daß vornehme Personen immer gehen können, sobald man ihnen die Beine abschiesset oder ihren Pferden. Die Halbstiefel sind als Bräutigamsschuhe nicht mit Geld zu bezahlen, die ich auf meiner Hochzeit mit einer vornehmen Yahoos zum erstenmale angehabt.« An seinen Beinen glänzte nun ein glatter melirter Strumpf, der aus der wedelnden Wade und übrigen Hülse der Beine eines Grafen gegerbet worden, den ich, (sagte der Teufel,) doch nicht kennen würde, wenn er mir ihn auch nennte. Strumpf und Wade repräsentiren einander wechselseitig. Auf seinen Schuhen (das Leder war vom Fusse eines Baarfüsser Mönchs, damits hielte) flatterten Ordensbänder als Schnallen. »Sie hätten sich auf keinen schönern Fuß setzen können, Herr Teufel« dieses iämmerliche Wortspiel heckte wie leicht zu vermuthen, ich.

Hierauf schoß er seinen Kopf einigemale vorwärts: sofort sprangen seine zwei Hörner in die Stube, die ich auflas und als ein Paar gute Pulverhörner befand. Als der wilde Jäger kont' er sie keine Nacht entrathen. Ich merkte iezt, daß er sich von oben in eine saubere Frisur endigte, wie fast ein iagender Mensch; allein, deswegen bleibt doch immer zwischen einem Jägermeister nebst seinen Leuten und zwischen dem wilden Jäger nebst dem wüthenden Heer der gute Unterschied, daß blos iener den Bauern die Ernte zerrüttet, aber nicht dieser, und der Teufel und der Oberiäger sind hierin gar nicht zu vermengen.

»Mein Schwanz lässet sich dehnen und spannen sie ihn.« Als ich anzog, dreht' ich ihn gar heraus und hielt ihn ausgerauft in Händen, wie ein Kind den des entwischten Vogels. Wir trugen ihn darauf wagerecht miteinander ans Licht und besahen ihn aus Zerstreuung. Er wollte mir weismachen, er hätte ihn einem Hanswurst, der auf dem lezten Jahrmarckt den Teufel damit agiren wollte, a posteriori abgefangen, und der Hanswurst hätte ihn von einem Roßhändler und der hätte ihn von einem deutschen Pferde gehabt, das nun ohne Naturalisazionsackte zu einem Engländer geworden: allein ich sagt' es ihm, er sollte nicht läugnen was die christliche Kirche schon wisse, daß er länger einen führe. »Ich bin der Vater der Lügen aber blos aus Humor, sagte er; die Rabbinen wissen, daß Gott den Adam mit einem Schwanze besezt hat, den er ihm, weil er ihm nicht gefiel, soll abgenommen und zu einer Frau verbraucht haben: es ist aber nicht wahr, sondern der Schwanz blieb wie er war und sezte sich so an mich; inzwischen ist kein Mensch zu anglisiren, sondern ieder trägt so gut wie der Teufel seinen Pferdeschweif, aber nur innen.« Der Teufel dachte, ich würde wenig Anatomie verstehen und dieses figürlich nehmen: allein, ich wuste sie recht gut und sagte ihm den Augenblick, daß er ia ganz mit uns Anatomikern rede, wenn er die Endigung des Rückenmarks den Pferdeschweif benahmse.

Nun fing der böse Feind auch an, almählig seine Haut aufzuknöpfen, und ich gefror fast vor Verwunderung.

Die Knöpfe waren alle unter ihr eingeneht, und liefen von beiden Achseln bis zu den beiden Kniescheiben. Die schwarze Haut ritt und kugelte von ihm herunter und er schritt mit den Worten aus ihr: »Dieser ungeistliche Ornat ist gut genug und thut einem so warm als hätte man den alten Adam an, der indessen bestialisch aussieht: allein ich mag den Ornat nicht mehr, so lang noch Leute herumlaufen, die ihn zerschneiden können, um etwas bessers daraus zu gerben, nach welchem die besten Stände täglich fragen lassen und das einem Mann von Ehre so unentbehrlich ist als eine Löwenhaut oder als seine eigene« – »Und was wär' das ums Himmels Willen?« fragt' ich.

»Konservazionshäutgen!!!« versezte der Satan.

Sein himmelblaues Gillet würde der halben schönen Welt nicht gleichgültig gewesen sein, denn er hatte statt der modischen Thierstücke die Silhouetten der halben schönen Welt darauf gesäet und unter dem Unterfutter saß noch meine eigne. Sein Herz dekte kein Ordensstern, sondern eine Ordenssonne (das Symbol der Jesuiten) die, wie er sagte zwar im Wintersolstizio, aber darum der Erde nur desto näher obwol in schiefem Stande gegen sie sei. Die Menschen vom Korkabsatz der Jungfer Europa an bis zu ihrer Haube werden in Exklamationen die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn ich ihnen berichte, daß der Teufel wirklich alle sieben Priesterweihen hat, und Jesuit im 4ten Grade ist und sich zu Missionen verschicken lässet und dennoch der unbekannte Obere von allen ist: das bleibt mir und unzähligen Lesern unvergeßlich, und ich schrieb daher über diese Erzälung den Titel »unvergeßliche Entlarvung.« Man müste nicht zum Fenster hinaus oder in eines (an einer Kutsche) hineingehen können, wenn man nicht gesehen hätte, was für ein guter Missionarius der Teufel ist: in ieder Chaise fahren Protestanten von Stande mit den grösten Tonsuren, die augenscheinlich nichts anders sind als Priester der Venus (sezt die Chiffre ganz natürlich hinzu und meint den Abendstern, der nach der untergegangnen Ordenssonne schimmert und mit Absicht den Namen Luzifer führt); und die wenigen, die diese Tonsuren einer gewissen Krankheit beimessen, zeigen wahren Verstand: denn ohne diese Krankheit hätte eben der Teufel bei seiner Mission keine Scheere in der Hand gehabt, um so wol die Tonsur zu scheeren als das Gelübde der Enthaltsamkeit zu erleichtern.

Uebrigens handel' ich ehrlich, wenn ich versichere, daß der Teufel nach dieser Entpuppung im ganzen aussah, wie ein ordentlicher leibhafter Mensch, man müste denn sagen, daß er im Profil ein wenig minder einem Menschen und mehr einem westindischen Sklavenhändler geglichen: allein es ist die Frage noch. Aufrichtig zu reden, so hatt' ich ihn in seiner gehörnten Larve viel lieber. Denn ich wollt' ihm lange ins unstete Gesicht schauen: aber er ließ auf ihm das an menschliche Tugend ungläubige Lächeln eines Höflings so schrecklich herumfliessen, daß das Grausen und meine Haare immer höher stiegen und ich ihm geradezu sagen muste, ich würde ohne Bedenken augenblicklich drei Kreuze schlagen, wenn er nicht sogleich verschwände.

Indessen haftet dieses fatale Lächeln noch immer in meinem Kopfe und es grauset mir seitdem vor manchem lächelnden Mann von Welt zu sehr, und das eben aus dem lächerlichen Grunde, weil mir niemand dafür bürgen kann, daß ein solcher Weltmann nicht etwan wieder der Teufel sei, von dem ich nun weiß, daß er völlig wie ein Mensch aussieht. Daher sollen mirs belesene Hofleute nicht verargen, daß ich nicht mit meiner Sänfte zu ihnen komme: denn ich bezeug' es vor iedem der mich gekauft, ich thue es wahrhaftig nicht etwan, weil ich manches Lächeln für das Hängen der Tugend in effigie, oder für das Zugwerk und die Zierbuchstaben des Hasses ansehe, noch aus Bosheit oder gar aus Mistrauen, (welches ohnehin in keiner Betrachtung statt hätte) sondern nur aus der unschuldigen Besorgniß, es könne einer oder der andere von ihnen der lebendige Teufel selber sein. Etwas ganz anders wär' es, gesteh' ich selbst, wenn man ein gutes Merkzeichen, um zwei so verschiedene Wesen nicht zu verwechseln, wirklich hätte und ich dennoch, mich nicht daranhalten wollte, sondern wie ein Narr zu Hause sitzen bliebe.

Für Despoten, Mädgenverführer, Sklavenhändler und gewisse Werber und überhaupt für alle, die aus ihrer Aussenseite gern das Feigenblatt und die spanische Wand ihres Innern machen, und ihre innern Aehnlichkeiten mit dem Satan gern durch äussere Unähnlichkeiten verlarven wollen, ergiebt sich aus meiner Erzählung ganz klar, daß das am wenigsten angehe, so lange sie die menschliche Bildung beibehalten, in der ia eben der Teufel selbst herumrennt, und daß sie sich in gewisser Betrachtung weit mehr von ihm unterscheiden würden, wenn sie sich mit Pferdeschwänzen befranzten und in Pferdefüssen giengen und mit unzähligen Hörnern. Aber zu schnakisch wär' es und ich lache selbst, wenn ich sie mir nur denke.

Schlüßlich wird durch Briefe und auch Visitten in vielen Häusern ausgebreitet, ich hätte, man hab' es von guter Hand, diese ganze Erzählung vom Teufel, die ich ein paarmal mündlich mittheilte, meistens selbst erdacht und es wäre zu wünschen, ich und die Erzälung würden deswegen von einem fliegenden Blatt lächerlich genug gemacht. Allein ich ersuche die ganze Welt zu mir zu kommen; es sollen ihr vielleicht zwei Pferdefüsse und Pulverhörner wirklich vorgewiesen werden und sie soll daraus selbst abnehmen, was der Teufel bei mir gethan. Seine Haut kann ich nicht aufbreiten, da ich sie schon zu einem langen Peitschenriemen verschnitten und an den Peitschenstiel geflochten, den ich natürlicherweise aus nichts gemacht als aus dem Schwanze selbst – und das ist ia eben die satirische Peitsche, womit der durch tausend Federn und meine eigne belustigte Leser mich vor wenigen Minuten einen alten hagern Rezensenten so munter streichen sehen.


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